Augenoperation bei Grauem Star(30.11.2021) Für den Einsatz eines Femtosekundenlasers bei einer Operation des Grauen Stars des Auges kann der Augenarzt die GOÄ-Ziffern 1375 und 441 in Rechnung stellen, nicht aber die Ziffer 5855 GOÄ analog. Denn der Lasereinsatz stellt keine eigenständige Leistung dar. Den erhöhten Zeitaufwand kann der Augenarzt lediglich über eine Erhöhung des Steigerungssatzes ausgeglichen erhalten (Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.10.2021 - III ZR 350/20). Damit entscheidet der Bundesgerichtshof einen seit Jahren schwelenden Streit zu Lasten der Augenärzte.

Der Fall:

Der 79-jährige Kläger ist bei der beklagten privaten Krankenversicherung versichert. Wegen Grauen Stars wurde er im Oktober 2018 in einer Augenarztpraxis einer Katarakt-Operation unterzogen, bei der der Augenarzt einen Femtosekundenlaser einsetzte. Der Augenarzt rechnete neben der Nummer 1375 (Extrakapsuläre Operation des Grauen Stars mit Implantation einer intraokularen Linse) des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte (im Folgenden: Nummer 1375 GOÄ) zusätzlich die Nummer 5855 GOÄ (intraoperative Strahlenbehandlung mit Elektronen) analog ("Cataractchirurgie mittels Femto-Laser") ab.

Die beklagte Krankenversicherung sah die Analogberechnung der Nummer 5855 GOÄ als nicht gerechtfertigt an und lehnte insoweit eine Erstattung ab. 

Landgericht und Oberlandesgericht lehnten die Klage des Patienten auf Erstattung der Gebühren nach Ziffer 5855 GOÄ analog (über EUR 1.005,46) als unbegründet ab.

Der Patient legte daher Revision zum Bundesgerichtshof ein.  

Die Entscheidung:

Der BGH wies die Revision des Patienten als unbegründet ab.

Zwar sei der Aufwand eines Lasereinsatzes bei Augen – Operationen ursprünglich nicht von der Bewertung der Ziffer 1375 GOÄ berücksichtigt worden. Eine analoge Abrechnung von Ziffer 5855 GOÄ sei aber nicht möglich, weil der Lasereinsatz keine selbstständige ärztliche Leistung im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ darstelle. Abrechenbar seien aber nur selbstständige Leistungen. Der Lasereinsatz sei aber nicht eigenständig medizinisch indiziert.

Bei einer Operation seien in der Regel mehrere Einzelschritte erforderlich und diese Einzelschritte könnten nicht gesondert berechnet werden, wenn sie methodisch notwendige Einzelschritte der Hauptleistung seien (hier der Behandlung des Grauen Stars). Dies ergebe sich aus dem Zielleistungs – Prinzip der GOÄ.

Zielleistung der Operation sei aber die Ziffer 1375 GOÄ und diese Leistung könne auch ohne Lasereinsatz vorgenommen werden. Zu der herkömmlichen Katarakt – Operation gehöre die Verflüssigung des Linsenkerns. Dieser Schritt werde durch den Lasereinsatz nicht ersetzt, sondern nur modifiziert, indem bei der Vorbereitung zur Linsenverflüssigung ein Laser eingesetzt wird. Der Lasereinsatz sei nur eine besondere Art der Ausführung der Katarakt-Operation im Sinne des § 4 Abs. 2a Satz 1 Alt. 2 GOÄ. Bei dem Lasereinsatz werde die Linsenkapsel mit dem Laser eröffnet und die Linse vor ihrer Entfernung mittels Laser vorzerkleinert. Ob die Teilschritte der Operation des Grauen Stars mit Implantation einer Linse nun händisch (mittels klassischer Schnitt- und Ultraschalltechnik) oder unter Lasereinsatz ausgeführt werde, ist aus Sicht des BGH unerheblich. Der Lasereinsatz sei daher lediglich eine besondere unselbstständige Ausführungsart der Operation.

Dass der Lasereinsatz möglicherweise schonender sein soll, als das herkömmliche operative Vorgehen ohne Laser, ändere daran nichts.

Auch dass die Linse des 79-jährigen Klägers besonders hart sei, begründe keine eigenständige Indikation des Lasereinsatzes.

Abrechenbar seien damit lediglich die Gebührenziffern 441 und 1375 GOÄ. Besondere Erschwernisse und besonderen Zeitaufwand bei der Operation mittels Laser könne der Augenarzt über den Steigerungssatz ausgeglichen erhalten. Deshalb kann der BGH das Argument der Arztseite, die Operation mit Lasereinsatz sei dann nicht mehr "auskömmlich", nicht nachvollziehen.

Praxisanmerkung:

Der Bundesgerichtshof entscheidet hier einen seit Jahren schwelenden Streit um die eigenständige Erstattungsfähigkeit der Femtosekundenlaser-Operation mittels Ziffer 5855 GOÄ analog. Die sich daraus ergebende Rechtssicherheit für Patienten, Ärzte und private Krankenversicherungen ist zu begrüßen und war dringend notwendig. Denn rechnete der Augenarzt hier die 5855 GOÄ analog gegenüber den Patienten ab, so sah sich der Patient einer äußerst unangenehmen Situation ausgesetzt: Er war im Streit zwischen dem Augenarzt und seiner privaten Krankenversicherung über die Abrechenbarkeit dieser Ziffer gefangen. In der Regel hatte der Patient die Rechnung schon bezahlt und musste nun einer Erstattung durch seine Versicherung hinterherlaufen. Hatte der Patient noch nicht bezahlt, sah er sich den immer drängender werdenden Zahlungsaufforderung des Augenarztes, beziehungsweise seiner privaten Abrechnungsstelle ausgesetzt. 

Bedauerlicherweise klärten die Augenärzte ihre Patienten, die sie mittels Femtosekundenlaser operieren wollten, oftmals nicht vorab über den bekannten Streit über die analoge Abrechenbarkeit der 5855 GOÄ auf, obgleich sie dazu nach § 630 c Abs. 3 Satz 1 BGB verpflichtet sind. Den Patienten war dabei in der Regel nicht bekannt, dass sie in bestimmten Fällen die Bezahlung der streitigen GOÄ-Ziffer dann sogar verweigern können, weil der Arzt damit seine sogenannte wirtschaftliche Aufklärungspflicht verletzt hat. Nachdem nun der Bundesgerichtshof die Streitfrage weitestgehend geklärt hat, können sich die Augenärzte hier auch nicht mehr darauf berufen, dass mehrere Gerichte immer wieder eine Erstattbarkeit der Ziffer 5855 GOÄ analog bejaht haben - vielmehr müssen sie auf den Ansatz der Ziffer 5855 GOÄ analog nunmehr verzichten. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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