Corona Virus und Maskenpflicht

(6.12.2021) Wirft das Personal eines Lebensmittelgeschäfts einen Kunden, der keine Mund-Nasen-Bedeckung trägt, aus dem Laden ohne das von dem Kunden mit sich geführte ärztliche Attest zur Maskenbefreiung zu beachten, so hat der Kunde keinen Anspruch auf Schmerzensgeld wegen einer Verletzung des Antidiskriminierungsgesetzes (AGG) gegen das Ladengeschäft. Denn das dem Kunden attestierte chronisches Asthma ist keine Berhinderung im Sinne des AGG, insbesondere, wenn der Kläger nicht im Einzelnen vorträgt, wie schwer das Asthma ist und wie es ihn beim Tragen einer Maske im Rahmen eines kurzen, nicht mit besonderer Anstrengung verbundenen Lebensmitteleinkaufs, beeinträchtigt. Im Übrigen hat das Gericht auch Bedenken an dem vom Kläger vorgelegten ärztlichen Attest, das gleichlautend mit einem Attest seiner Ehefrau vom selben Tage ist (Amtsgericht Berlin-Kreuzberg, Urteil vom 10.11.2021 . 3 C 200/21). 

Praxisanmerkung:

Der Kunde hat sich über die Maßen geärgert, dass der Lebensmittelhändler ihn nicht ohne Maske und unter Vorlage eines zweifelhaften Attests einkaufen lassen wollte und verlangte wegen angeblicher Diskriminierung eine Entschädigung von 2.500 € von dem Geschäft. Seine Frau, die ebenfalls ohne Maske des Ladens verwiesen wurde, verlangt in einer anderen Klage denselben Betrag von dem Lebensmittelhändler. Das Amtsgericht Kreuzberg hat diesen offensichtlichen Versuch, einen sich rechtstreu verhaltenden Ladeninhaber einzuschüchtern und abzustrafen, ins Leere laufen lassen. Denn der Infektionsschutz geht vor. Die Justiz verliert zunehmend die Geduld mit Maskenverweigerern, Attesterschleichern und Impfgegnern und setzt ihre strikte LInie gegen diese Gruppen konsequent fort. Diesen droht ein unangenehmer Winter. 

Das Urteil:

In Sachen

....

AZ.: 3 C 200/21

hat das Amtsgericht Kreuzberg durch die Richterin am Amtsgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.11.2021 für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
  3.  Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger fordert von der Beklagten eine Entschädigung nach dem AGG bzw. Schmerzensgeld.

Am 11. Dezember 2020 ging der Kläger in die Filiale der Beklagten in der ... in ... Berlin, um dort - wie regelmäßig - seine Einkäufe zu erledigen. Da er keinen Mund-Nasen- Schutz trug wurde er von mehreren Mitarbeitern der Beklagten aufgefordert, seine Maske aufzusetzen, da er ansonsten den Laden verlassen müsse. Der Kläger erwiderte hierauf, dass er aus gesundheitliche Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen dürfe und sein Attest dabei habe. Auch nachdem ihn der Filialleiter des Hauses verwiesen hatte, setzte der Kläger seinen Einkauf fort. Im weiteren Verlauf erschienen zwei herbeigerufene Polizeibeamte im Ladengeschäft und forderten den Kläger auf, mit nach draußen zu kommen. Befragt danach, warum er keine Maske tragen wolle, erklärte der Kläger, dass er keine Maske tragen könne und zeigte das als Anlage K 1 zur Klageschrift eingereichte ärztliche Attest vom 04. Mai 2020 auf Nachfrage dem Polizeibeamten. In diesem heißt es wie folgt:

"Der Patient..., geb. am ....1973, ... Berlin, stellte sich in unserer Praxis vor. Da er chron. an Asthma erkrankt ist und starke Atemprobleme hat, kann er keinen Mundschutz tragen."

Mit anwaltlichem Schreiben vom 4. Februar 2021 machte der Kläger gegenüber der Beklagten Entschaädigungsansprüche geltend (Anlage K 4).

Nachdem der Kläger zunächst beim Amtsgericht Neukölln Klage gegen die ... GmbH erhoben hat, hat er mit Schriftsatz vom 27. Mai 2021 seine Klage nunmehr gegen die Beklagte gerichtet.

Der Kläger beantragt zuletzt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch 2.500,00 € nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zuzahlen,
  2. die Beklagte zu verurteilen, seine Kosten hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskostender Unterzeichnerin hinsichtlich seiner Anspruchsdurchsetzung gegen die Beklagte in Höhe des Selbstbehaltes von 150,00 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 15. Juli 2021 hat sich das angerufene Amtsgericht Neukölln für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das hiesige Gericht verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage muss in der Sache ohne Erfolg bleiben.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf eine Entschädigungszahlung zu.

(1) Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, § 21 Abs. 2 Satz 3 AGG.

§ 19 AGG statuiert ein zivilrechtliches Benachteiligungsverbot. Danach ist eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung bestimmter zivil rechtlicher Schuldverhältnisse unzulässig, § 19 Abs. 1 AGG. Gemäß § 20 Abs. 1 AGG ist eine Verletzung des Benachteiligungsverbotes nicht gegeben, wenn für eine unterschiedliche Behandlung ein sachlicher Grund vorliegt, was unter anderem insbesondere dann der Fall ist, wenn die unterschiedliche Behandlung der Vermeidung von Gefahren, der Verhütung von Schäden oder anderen Zwecken vergleichbarer Art dient, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AGG.

Vorliegend kann schon nicht zugunsten des Klägers festgestellt werden, dass er aufgrund einer Behinderung diskriminiert worden wäre. Insofern muss der Benachteiligte gemäß § 22 AGG zumindest Indizien beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines im Gesetz genannten Merkmals vermuten lassen. Erst wenn die Benachteiligung danach feststeht, muss die andere Partei das fehlende Verschulden bzw. einen sachlichen Rechtfertigungsgrund beweisen.

Das vom Kläger lediglich in pauschaler Form vorgetragene chronische Asthma ist schon keine Behinderung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Ausweislich der von dem Kläger selbst in Bezug genommenen Stellungnahme der AntidiskriminierungssteIle des Bundes können sich Kunden nicht auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz berufen, wenn sie lediglich wegen einer vorübergehenden Erkrankung oder wegen einer chronischen Erkrankung, die sie aber normalerweise nicht an der gesellschaftlichen Teilhabe hindert, keine Maske tragen können.

So liegt der Fall hier, nachdem der Kläger nicht ansatzweise dazu vorgetragen hat, ob und ggf. wie ihn sein chronisches Asthma, zu dessen Ausprägung, Schwere und etwaiger Medikation er ebenfalls nichts vorträgt, an eben dieser gesellschaftlichen Teilhabe hindert und ob und ggf. aus welchen Gründen es ihm aufgrund des angeführten chronischen Asthmas zudem unmöglich ist, für die relativ kurze Zeit eines Einkaufs, welcher zudem nicht mit körperlicher Anstrengung verbunden ist, eine Maske zu tragen.

Auch das von dem Kläger vorgelegte Attest ist in diesem Zusammenhang nicht hilfreich und im Übrigen wenig aussagekräftig; es fehlen genaue diagnostische Angaben ebenso wie seine Versicherungsnummer und weitere Angaben zur Versicherungskarte. Es trifft keine Aussage dazu, ob die ausstellende Ärztin, eine Fachärztin für Anästhesie und Intensivmedizin, den Kläger selbst untersucht hat und ist zudem deckungsgleich mit dem der Ehefrau des Klägers von derselben Ärztin am selben Tage ausgestellten Attest. Den gegen das Attest in diesem Kontext vorgebrachten Bedenken der Beklagten, welche das Gericht teilt, ist der Kläger nicht entgegengetreten.

Nach alledem kommt es nicht mehr darauf an, dass der Infektionsschutz in der Covid-19-Pandemie, welcher in den Anordnungen der Coronaschutzverordnungen der Bundesländer seine gesetzliche Ausprägung erfahren hat, das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen für alle Fälle des Aufeinandertreffens mehrerer Personen im öffentlichen Raum seinerzeit vorgeschrieben hat und eben hierin ein unabweisbarer sachlicher Grund im Sinne des § 20 AGG liegt. Dieser Schutz liefe ins Leere, wäre er nur auf dem Papier vorgesehen; er muss vielmehr auch tatsächlich effektiv durchgesetzt werden. Dem dient es, wenn Unternehmen wie die Beklagte, von ihnen nur schwer nachprüfbare Ausnahme von der Maskenpflicht eben nicht zulassen.

(2) Ein Anspruch aus § 253 Abs. 2 BGB besteht ebenfalls nicht. Geldentschädigungsansprüche bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts setzen schwerwiegende und anderweitig nicht auszugleichende Persönlichkeitsrechtsverletzungen voraus; ebenso ist ein Verschulden des Benachteiligenden erforderlich. An beiden Voraussetzungen fehlt es vorliegend.

(3) Mangels Hauptanspruchs besteht auch der in objektiver Klagehäufung geltend gemachte Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten ebenso wenig wie Zinsansprüche.

(4) Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11,711 ZPO.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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