Hier behandelt der Chefarzt noch selbst(3.5.2023) Je nachdem ob die Stellvertretervereinbarung Teil der Wahlleistungsvereinbarung ist oder ob sie gesondert (sprich neben der Wahlleistungsvereinbarung) mit dem Patienten vereinbart wurde, kann die Stellvertretervereinbarung auch bei vorhersehbarer Verhinderung des Chefarztes (sprich Wahlarztes) wirksam sein. Denn für diese beiden Formen der Stellvertretervereinbarungen gelten unterschiedliche Regeln. Der Patient werde auch nicht benachteiligt, u.a. weil er sich so ja die - über die allgemeinen Krankenhausleistungen hinausgehende - Behandlung durch den Vertreter als einen besonders qualifizierten Arzt sichern kann (Landgericht Heidelberg, Urteil vom 30. November 2022 – 4 S 3/22).

Praxisanmerkung:

Diese Rechtsprechung ist kritisch zu hinterfragen: Der Chefarzt (Wahlarzt) dient in dieser Konstruktion (der Stellvertretervereinbarung bei vorhersehbarer Verhinderung des Wahlarztes) ledigllich als Türöffner für den vertretenden Arzt, der an sich keine Wahlleistungen erbringen könnte, weil er ja kein Chefarzt ist. Der Chefarzt wird so vorgeschoben wie ein Strohmann, der seinen guten Namen gibt, um der Klinik eine an sich unerlaubte Privatabrechnung zu ermöglichen. Laut der bahnbrechenden Chefarzt-Entscheidung des BGH aus 2014 will der Patient durch die Wahlleistungsvereinbarung ja gerade sicher stellen, dass ihm die persönliche Zuwendung und besondere Qualifikation und Erfahrung des von ihm gewählten liquidationsberechtigten Arztes zuteil kommt (BGH, Urteil vom 16.10.2014 - III ZR 85/14). Und diese besondere Expertise eines Chefarztes ist bei dessen Vertreter nicht ohne weiteres gegeben - warum soll der Vertreter, der selbst kein Chefarzt ist - wie ein Chefarzt abrechnen können im Rahmen einer Konstruktion, bei der von Anfang an kein Chefarzt an der Behandlung beteiligt sein sollte? Den Schaden haben hier der Patient bzw. seine private Krankenversicherung, denn der Patient erhält allenfalls eine Oberarztbehandlung und warum diese "besser" sein soll, als die Behandlung durch einen Stationsarzt, ist nicht erfindlich. Das Landgericht Heidelberg meint hier eine besondere Expertise (auch) beim Oberarzt erkennen zu können. Zwar wird man Oberärzten durchaus besondere Kenntnisse zugestehen können. Aber diese sind eben keine Wahlleistungsvergütung wert.  

 

Die Entscheidung des LG Heidelberg im Volltext: 

Tenor

1. Das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 10.05.2022 - 25 C 195/21 - wird aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.143,18 Euro und weitere 413,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.143,18 Euro seit dem 01.03.2020 zu zahlen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.143,18 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die klagende Klinik streitet mit dem beklagten Patienten aufgrund folgenden Sachverhalts über Ansprüche aus einer Wahlleistungsvereinbarung:

Am 02.12.2012 musste der Beklagte eine unaufschiebbare Herzkatheteruntersuchung durchführen lassen. Hierzu wurde er in der Klinik der Beklagten stationär aufgenommen. Im Rahmen der Aufnahme schlossen die Parteien eine Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen (Anlage K 2), deren S. 2 und 3 wie folgt lauten:

„Wahlärztliche Leistungen der aufnehmenden Fachabteilung werden durch den Wahlarzt Herrn ... erbracht. Im Fall der unvorhersehbaren Verhinderung des Wahlarztes übernimmt dessen ständiger ärztlicher Vertreter Herr ... diese Aufgaben.“

Zugleich gab der Beklagte folgende Patientenerklärung ab:

„Am 2.12.19 bin ich um 10.35 Uhr durch den Krankenhausmitarbeiter Frau darüber informiert worden, dass Herr ... zurzeit verhindert ist und deshalb die bei mir vorgesehene Behandlung nicht persönlich durchführen kann.

Ich bin darüber aufgeklärt worden, dass ich angesichts dieser Situation die Wahl habe, die vorgesehene stationäre ärztliche Behandlung

- bis zur Rückkehr oder bis zu dem Wegfall der sonstigen Verhinderung von Herrn/Frau zu verschieben oder unter Beendigung des geschlossenen Krankenhausaufnahmevertrages einschl. der Vereinbarung über die Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen mit Herrn/Frau an einer anderen Klinik vornehmen zu lassen (Variante Nr. 1),

- künftig insgesamt als allgemeine Krankenhausleistung, d.h. unter Beendigung der getroffenen Vereinbarung über die Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen grundsätzlich durch den jeweiligen diensthabenden Arzt der einzelnen Kliniken/Abteilungen der Klinik für Innere Medizin III, Kardiologie, Angiologie und Pneumologie durchführen zu lassen; mein Recht zur Inanspruchnahme nichtärztlicher Wahlleistungen bleibt hiervon unberührt (Variante Nr. 2),

- durch den ärztlichen Vertreter von Herrn ..., Herrn ..., zu den Konditionen der bereits unterzeichneten Wahlleistungsvereinbarung durchführen zu lassen mit der Folge, dass von mir an die Universitätsklinik H. ein wahlärztliches Honorar in gleicher Weise wie im Falle der persönlichen Leistungserbringung durch diesen selbst zu entrichten ist (Variante Nr. 3).

In Kenntnis dieser Möglichkeiten habe ich mich dazu entschlossen, von der nachstehend angekreuzten Variante Gebrauch zu machen:

◻ Nr. 1

◻ Nr. 2

X Nr. 3“

Noch am selben Tag führte Prof. ... die Untersuchung durch (Anlage K 1).

Am 04.12.2012 wurde der Beklagte aus der stationären Behandlung entlassen.

Mit Liquidation vom 28.01.2020 (Anlage K 3) rechnete die Klägerin ihre Leistungen mit 3.143,18 Euro ab.

Die Klägerin hat behauptet,

die Wahlleistungsvereinbarung sei wirksam. Die Wahlleistung sei erbracht worden. Die Vertretung des Wahlarztes Prof. ... durch Prof. ... sei zulässig gewesen, weil die Parteien mit der Patientenerklärung vereinbart hätten, dass sich der Wahlarzt im Falle der vorhersehbaren Verhinderung von seinem Stellvertreter vertreten lassen kann. Die Vereinbarung in der Patientenerklärung sei wirksam. Im Übrigen könne sich der Beklagte aus Treu und Glauben nicht auf eine Unwirksamkeit der Patientenerklärung berufen, denn seine Krankenversicherung habe identische Vereinbarungen schon in einer Vielzahl von ähnlichen Abrechnungen akzeptiert.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 3.143,18 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2020 zu zahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, die Kosten ihrer außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 413,64 Euro zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet,

die Wahlleistungsvereinbarung sei unwirksam, weil sie ihren Zweck von Anfang an nicht habe erfüllen können. Die Verhinderung des Wahlarztes Prof. ... habe nämlich schon von vornherein festgestanden. Jedenfalls sei die Wahlleistung nicht erbracht, weil Prof. ... anstelle des Wahlarztes Prof. ... tätig geworden sei. Eine wirksame Stellvertretervereinbarung liege nicht vor. Die Patientenerklärung sei als Allgemeine Geschäftsbedingung anzusehen und halte einer AGB-​Kontrolle nicht stand.

Mit Urteil vom 10.05.2022, auf dessen Tatbestand, soweit er keine abweichenden Feststellungen enthält, Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht Heidelberg die Klage abgewiesen. Der Wahlarzt habe die Wahlleistung nicht erbracht. Die Stellvertretervereinbarung sei unwirksam. Es liege eine Allgemeine Geschäftsbedingung vor. Eine Individualvereinbarung scheide aus, weil der Beklagte die Lücken im Vereinbarungstext nicht selbständig habe ergänzen können. Mit Rücksicht auf die Unaufschiebbarkeit der Behandlung habe der Beklagte faktisch keine Möglichkeit gehabt, den Vertrag mitzugestalten. Als vorformulierte Vereinbarung verstoße die Stellvertretervereinbarung gegen den Änderungsvorbehalt in § 308 Nr. 4 BGB. Es sei von vornherein klar gewesen, dass der Wahlarzt Prof. ... verhindert sein würde. Das Ende seiner Verhinderung sei aufgrund der Formulierung „zurzeit“ nicht absehbar gewesen.

Hiergegen hat die Klägerin nach Zustellung am 23.05.2022 mit Schriftsatz vom 23.06.2022, hier eingegangen am selben Tage (II 1), Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 25.07.2022, eingegangen am selben Tage (II 16), einem Montag, begründet.

Die Klägerin und Berufungsklägerin behauptet,

die Wahlleistung sei erbracht. Die Stellvertretervereinbarung sei wirksam. Sie unterliege keiner AGB-​Kontrolle, weil sie individuell ausgehandelt sei. Der Beklagte habe Einfluss auf die Vertragsgestaltung gehabt. Dass die Stellvertretervereinbarung zugleich mit der Wahlleistungsvereinbarung geschlossen worden sei, mache die Stellvertretervereinbarung nicht unwirksam, weil sie entsprechend den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der Musterempfehlung der D. K.-​Gesellschaft e.V. (Anlage KB 1) in einem gesonderten Formular mit besonderer Aufklärung abgeschlossen worden sei. Die Formulierung „zurzeit“ mache deutlich, dass der zuständige Wahlarzt für die Behandlung selbst nicht zur Verfügung gestanden habe. Hieraus hätten sich für den Beklagten keine Nachteile ergeben, weil eine Verschiebung des notwendigen Eingriffs nicht in Betracht gekommen sei und der Beklagte dies auch nicht gewollt habe. Auch habe es der Interessenlage des Beklagten entsprochen, sich bei der Unmöglichkeit der Behandlung durch den zuständigen Wahlarzt zumindest die persönliche Behandlung durch einen ähnlich qualifizierten Vertreter zu versichern. Die Voraussetzungen der Stellvertretervereinbarung hätten vorgelegen. Der Wahlarzt sei aufgrund anderweitiger Verpflichtungen vorhersehbar verhindert gewesen. Auf den Grund komme es nicht an. Die Wahlleistung sei durch den Stellvertreter erbracht worden.

Selbst wenn die Stellvertretervereinbarung einer AGB-​Kontrolle unterzogen würde, hielte sie ihr stand. Die Vereinbarung einer Vertretung könne in der Situation des Beklagten nicht nach §§ 308 Nr. 4, 307 Abs. 2 BGB unzumutbar sein. Die Vertretung beziehe sich nur auf die vorhersehbare Verhinderung des Wahlarztes. Durch die Zulassung der Vertretung würden Sinn und Zweck der Wahlleistungsvereinbarung erfüllt. Denn als Vertreter sei ein Facharzt mit besonderen Fähigkeiten individuell festgelegt, um eine über dem normalen Fachstandard liegende Qualität der Behandlung sicherzustellen. Die Zulassung der Vertretung entspreche zudem dem Willen der Parteien. Der Beklagte habe den Vertreter gekannt, denn die Stellvertretervereinbarung sei gemeinsam mit der Wahlleistungsvereinbarung vereinbart worden. Er sei mit dem Vertreter auch einverstanden gewesen. Nur so habe er im akuten Notfall die Möglichkeit gehabt, wahlärztliche Leistungen durch einen qualifizierten Vertreter in Anspruch zu nehmen. Ohne die Zulassung der Vertretung wäre der Beklagte gerade in seinem akuten, potenziell lebensbedrohlichen Notfall auf die Inanspruchnahme der allgemeinen Krankenhausleistungen angewiesen gewesen, obwohl er privat versichert sei und den Versicherungsschutz für wahlärztliche Leistungen gerade für ernste Erkrankungen unterhalte.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts vom 10.05.2022 zum Az. 25 C 195/21 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie 3.143,18 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2020 sowie weiterer 413,64 Euro zu zahlen.

- hilfsweise -

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 13.10.2022 (AS. 74) das schriftliche Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO mit Zustimmung der Parteien angeordnet.

Für die Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

1. Die Klägerin kann von dem Beklagten die Zahlung des in Rechnung gestellten Honorars in Höhe von 3.143,18 Euro aus der Wahlleistungsvereinbarung vom 02.12.2012 verlangen.

a) Die Wahlleistungsvereinbarung ist wirksam und verpflichtete Prof. ... als Wahlarzt, die Leistung in Person zu erbringen.

Ein Patient kann unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 bis 3 KHEntgG eine Vereinbarung über die Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen mit dem Krankenhausträger treffen. Die „Wahlleistung Arzt“ hat zum Gegenstand, dass dem Patienten - gegen Zahlung eines zusätzlichen Honorars - die Behandlung durch bestimmte leitende oder besonders qualifizierte Ärzte („Chefarztbehandlung“) zuteil wird, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen notwendig oder zweckmäßig ist. Die Begrenzung von ärztlichen Wahlleistungen auf einen bestimmten Wahlarzt ist rechtlich nicht möglich. Gemäß § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG erstreckt sich eine Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen auf alle an der Behandlung des Patienten beteiligten angestellten oder beamteten Ärzte des Krankenhauses, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen im Rahmen der voll- und teilstationären Behandlung sowie einer vor- und nachstationären Behandlung (§ 115a SGB V) berechtigt sind (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.01.2021 - 13 U 389/19, juris, Rn. 37).

Nach diesen Grundsätzen ist die Wahlleistungsvereinbarung wirksam. Über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 bis 3 KHEntgG besteht zwischen den Parteien kein Streit. Soweit der Beklagte - gestützt auf eine Entscheidung des Amtsgerichts Köln (Urteil vom 28.08.2019 - 118 C 104/19, juris, Rn. 23) - der Ansicht ist, eine Wahlleistungsvereinbarung sei unwirksam, wenn die Verhinderung des Wahlarztes im Zeitpunkt des Abschlusses der Wahlleistungsvereinbarung bereits vorhersehbar sei, folgt ihm die Kammer nicht. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20.12.2007 (III ZR 144/07, juris), das das Amtsgericht Köln zur Stützung seiner Ansicht anführt, hält eine Stellvertretervereinbarung für unwirksam, wenn sie innerhalb der Wahlleistungsvereinbarung für den Fall der unvorhersehbaren Verhinderung geschlossen wurde und die Verhinderung von Anfang an absehbar ist (Rn. 9). Wie der Bundesgerichtshof aber an gleicher Stelle (Rn. 13 ff.) ausführt, kann eine Stellvertretervereinbarung zusätzlich zur Wahlleistungsvereinbarung grundsätzlich auch für den Fall einer vorhersehbaren Verhinderung im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung geschlossen werden. Hieraus geht hervor, dass die Frage der Vorhersehbarkeit der Verhinderung für die Beurteilung einer Stellvertretervereinbarung, nicht aber der Wahlleistungsvereinbarung an sich relevant ist.

Mit dieser Wahlleistungsvereinbarung war grundsätzlich Prof. ... als Wahlarzt verpflichtet, die Leistung in Person zu erbringen. Diese Pflicht ergibt sich grundsätzlich aus § 613 S. 1 BGB und besteht nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 20.12.2007 - III ZR 144/07, Rn. 7) auch und gerade bei der Vereinbarung einer sogenannten Chefarztbehandlung. Danach darf der Wahlarzt einfache ärztliche und sonstige medizinische Verrichtungen delegieren, die seine Disziplin prägende Kernleistung muss er persönlich und eigenhändig erbringen.

b) Die Wahlleistung wurde durch Prof. ... erbracht, denn die Parteien haben eine ihn berechtigende Stellvertretervereinbarung wirksam geschlossen.

aa) Für die Zulässigkeit und Wirksamkeit einer Stellvertretervereinbarung haben sich folgende allgemeine Maßstäbe herausgebildet:

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 20.12.2007 - III ZR 144/07, juris, Rn. 8) darf der Wahlarzt im Fall seiner Verhinderung auch die Ausführung seiner Kernleistungen auf einen Stellvertreter übertragen, sofern er mit dem Patienten eine entsprechende Vereinbarung wirksam getroffen hat. An die Wirksamkeit einer Stellvertretervereinbarung sind unterschiedliche Anforderungen zu stellen, je nachdem, ob sie innerhalb der Wahlleistungsvereinbarung selbst (BGH, Urteil vom 20.12.2007 - III ZR 144/07, Rn. 9) oder zusätzlich zur eigentlichen Wahlleistungsvereinbarung getroffen wird (BGH, Urteil vom 20.12.2007 - III ZR 144/07, Rn. 13 ff.).

Was die Stellvertretervereinbarung innerhalb der Wahlleistungsvereinbarung angeht, so ist eine formularmäßige Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, nur wirksam, wenn diese Änderung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für seinen Vertragspartner zumutbar ist. Das ist nicht der Fall, wenn eine Stellvertreterklausel nach der maßgeblichen kundenfeindlichsten Auslegung auch die Konstellationen erfasst, in denen die Verhinderung des Wahlarztes bereits im Zeitpunkt des Abschlusses der Wahlleistungsvereinbarung feststeht. In diesen Fallgestaltungen kann die Wahlleistungsvereinbarung von Anbeginn ihren Sinn nicht erfüllen. Zulässig ist deshalb nur eine Klausel, in der der Eintritt eines Vertreters des Wahlarztes auf die Fälle beschränkt ist, in denen dessen Verhinderung im Zeitpunkt des Abschlusses der Wahlleistungsvereinbarung nicht bereits feststeht, etwa weil die Verhinderung (Krankheit, Urlaub etc.) selbst noch nicht absehbar oder weil noch nicht bekannt ist, dass ein bestimmter verhinderter Wahlarzt, auf den sich die Wahlleistungsvereinbarung erstreckt, zur Behandlung hinzugezogen werden muss.

Was die Stellvertretervereinbarung zusätzlich zur eigentlichen Wahlleistungsvereinbarung angeht, so ist eine Individualvereinbarung, mit der sich der Wahlarzt von seiner Pflicht zur persönlichen Leistung befreien lässt und deren Ausführung einem Stellvertreter überträgt, grundsätzlich zulässig, wenn die Verhinderung des Wahlarztes im Zeitpunkt des Abschlusses der Wahlleistungsvereinbarung bereits feststeht, etwa weil die Verhinderung aufgrund von Urlaub, Krankheit etc. schon absehbar ist (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 15.01.2018 - 3 U 220/16, juris, Rn. 35). Eine solche Vereinbarung ist wirksam, wenn sie der Schriftform des § 17 Abs. 2 S. 1 KHEntgG genügt und besondere Aufklärungspflichten erfüllt sind. Der Patient ist so früh wie möglich über die Verhinderung des Wahlarztes zu unterrichten. Soll die Stellvertretervereinbarung im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Abschluss des Wahlleistungsvertrags getroffen werden, ist der Patient auf die Stellvertretervereinbarung gesondert ausdrücklich hinzuweisen. Dem Patienten ist das Angebot zu unterbreiten, dass anstelle des Wahlarztes ein bestimmter Vertreter zu den vereinbarten Bedingungen die wahlärztlichen Leistungen erbringt. Der Patient ist über die alternative Option zu unterrichten, auf die Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen zu verzichten und sich ohne Zuzahlung von dem jeweils diensthabenden Arzt behandeln zu lassen. Ist die jeweilige Maßnahme bis zum Ende der Verhinderung des Wahlarztes verschiebbar, so ist dem Patienten auch eine Verschiebung zur Wahl zu stellen.

bb) Diesen Anforderungen genügt die zugunsten des Vertreters Prof. ... geschlossene Stellvertretervereinbarung.

5(1) Die Berechtigung des Vertreters Prof. ... ergibt sich nicht bereits aus der in der Wahlleistungsvereinbarung enthaltenen Regelung, denn aus ihr wäre Prof. ..., nicht Prof. ... zur Erbringungen der Wahlleistungen berechtigt gewesen. Auf diese Vereinbarung stützt sich die Klägerin auch nicht.

(2) Die Berechtigung des Vertreters Prof. ... ist aber in der Patientenerklärung begründet.

(a) Auf die Patientenerklärung finden die von der Rechtsprechung für eine Stellvertretervereinbarung zusätzlich zur eigentlichen Wahlleistungsvereinbarung aufgestellten Wirksamkeitsvoraussetzungen Anwendung, denn es handelt sich um eine eigene Erklärung, die auf einem von der Wahlleistungsvereinbarung getrennten Formular abgegeben wurde. Es lag auch ein Fall der vorhersehbaren Verhinderung vor, denn anderenfalls wäre die Stellvertretervereinbarung nicht unmittelbar mit der Wahlleistungsvereinbarung, sondern später geschlossen worden (vgl. AG Iserlohn, Urteil vom 13.02.2018 - 44 C 103/17, juris, Rn. 28).

(b) Die in der Patientenerklärung geschlossene Stellvertretervereinbarung genügt den für eine Stellvertretervereinbarung zusätzlich zur eigentlichen Wahlleistungsvereinbarung geltenden Wirksamkeitsvoraussetzungen.

(aa) Die Vereinbarung ist schriftlich geschlossen. Der Beklagte hat der Erbringung der Wahlleistung durch den Vertreter Prof. ... zugestimmt. Dass es sich bei Prof. ... nicht um den ständigen Vertreter des Wahlarztes Prof. ..., Prof. ... handelte, begegnet keinen Bedenken. Als Stellvertreter kommt nicht nur eine einzige Person in Betracht; vielmehr ist es zulässig, dass die Klinik für verschiedene Arbeitsbereiche eines Chefarztes jeweils einen (ständigen) ärztlichen Vertreter bestimmt (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.01.2021 - 13 U 389/19, juris, Rn. 50).

(bb) Den besonderen Aufklärungspflichten ist genügt.

Auf die Vereinbarung wurde im Zusammenhang mit dem Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung gesondert ausdrücklich hingewiesen. Dies ergibt sich aus der Verwendung eines separaten Formulars und der Formulierung in Variante Nr. 1 und 2, es bestehe die Möglichkeit der Beendigung der getroffenen Vereinbarung über die Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen.

Dem Beklagten wurden auch die erforderlichen Handlungsoptionen genannt. Er konnte die Behandlung bis zur Rückkehr oder bis zum Wegfall der sonstigen Verhinderung des vereinbarten Wahlarztes verschieben, die geschlossene Wahlleistungsvereinbarung beenden und die Behandlung in einem anderen Krankenhaus vornehmen lassen, auf die wahlärztliche Behandlung unter Inanspruchnahme der allgemeinen Krankenhausleistung verzichten oder die Behandlung durch den Vertreter Prof. ... zu den Konditionen der unterzeichneten Wahlleistungsvereinbarung durchführen lassen.

Dass die Verschiebung der Behandlung oder die Durchführung in einem anderen Krankenhaus in der ersten Option zusammengefasst sind, begegnet keinen Bedenken (vgl. LG Frankenthal, Urteil vom 06.02.2019 - 2 S 168/18, juris, Rn. 5). Für die Parteien ging es im Zeitpunkt der Patientenerklärung um die Festlegung des unmittelbaren weiteren Vorgehens. Danach war zunächst zu entscheiden, ob der Beklagte die Behandlung überhaupt jetzt durch die Klägerin vornehmen lässt (Variante Nr. 1). Erst wenn er sich dazu entschied, musste er weiter entscheiden, ob er die Behandlung als allgemeine Krankenhausleistung (Variante Nr. 2) oder als Wahlleistung durch einen Vertreter vornehmen lässt (Variante Nr. 3).

(c) Weitere Anforderungen an die Wirksamkeit der Stellvertretervereinbarung sind vorliegend nicht zu stellen.

Der konkrete Grund für die Verhinderung muss nicht angegeben werden (vgl. AG Iserlohn, Urteil vom 13.02.2018 - 44 C 103/17, juris, Rn. 28). Für die Entscheidung der Parteien, eine Stellvertretervereinbarung zu treffen, ist allein der Umstand, dass der Wahlarzt verhindert ist, maßgebend. Die Kenntnis des Verhinderungsgrundes würde an der Sachlage nichts ändern.

Auch die Dauer der Verhinderung bedarf keiner Präzisierung (vgl. LG Frankenthal, Urteil vom 06.02.2019 - 2 S 168/18, juris, Rn. 6). Ausschlaggebend für die Entscheidung, eine Stellvertretervereinbarung zu treffen, ist allein der Umstand, dass der Wahlarzt derzeit die Behandlung nicht selbst durchführen kann. Zwar ist es möglich, dass sich ein Patient gegen eine Stellvertretervereinbarung entscheidet, wenn er weiß, dass die Verhinderung nur kurzzeitig ist. Die Dauer der Verhinderung kann aber nicht immer zuverlässig und verbindlich angegeben werden. Jedenfalls war eine Zeitangabe hier entbehrlich, weil die Herzkatheteruntersuchung des Beklagten nicht aufgeschoben werden konnte.

(d) Die danach zugunsten des Vertreters Prof. ... wirksam geschlossene Stellvertretervereinbarung unterliegt nicht der AGB-​Kontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2, §§ 308 und 309 BGB, weil sie im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 3 BGB im Einzelnen ausgehandelt ist.

Zwar kann sich aus der Erscheinungsform des Textes sowie aus dessen Inhalt ein erster Anschein für das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen ergeben (OLG Hamburg, Beschluss vom 15.01.2018 - 3 U 220/16, juris, Rn. 41). Für den Fall einer Stellvertretervereinbarung hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 20.12.2007 - III ZR 144/07, juris, Rn. 21) abweichend von seiner Handhabung in mietrechtlichen Vereinbarungen (Urteil vom 23.01.2013 - VIII ZR 143/12, juris, Rn. 17) entschieden, dass auch eine vorformulierte Vertragsbedingung ausgehandelt sein kann, wenn sie der Verwender als eine von mehreren Alternativen anbietet, zwischen denen der Vertragspartner die Wahl hat. Erforderlich ist, dass er durch die Auswahlmöglichkeit den Gehalt der Regelung mitgestalten kann und die Wahlfreiheit nicht durch Einflussnahme des Verwenders, sei es durch die Gestaltung des Formulars, sei es in anderer Weise überlagert wird.

Hier sind dem Beklagten alle möglichen Optionen eröffnet worden, und er konnte zwischen ihnen durch Ankreuzen frei auswählen (vgl. AG Iserlohn Urteil vom 13.2.2018 - 44 C 103/17, juris, Rn. 26; LG Frankenthal, Urteil vom 06.02.2019 - 2 S 168/18, juris, Rn. 5).

(e) Die Klägerin ist nicht nach § 242 BGB gehindert, sich auf die Stellvertretervereinbarung zu berufen.

Zwar lässt der Abschluss einer Wahlleistungsvereinbarung am Willen des Arztes zur eigenen Vertragstreue zweifeln, wenn diesem im Zeitpunkt des Abschlusses bereits klar ist, dass er im Behandlungszeitpunkt verhindert sein wird. Im vorliegenden Fall war der Beklagte jedoch nicht schutzbedürftig, da er für genau diese Fälle eine entsprechende Zusatzversicherung unterhält. Es entspricht vielmehr dem Interesse des Patienten, bei Abwesenheit des Wahlarztes sich der persönlichen Dienste eines entsprechend qualifizierten Vertreters zu sichern. Die Wahlleistungsvereinbarung verliert nicht schon dadurch ihren Sinn und Zweck, dass gleichzeitig eine zusätzliche Stellvertretervereinbarung abgeschlossen wird, weil bereits feststeht, dass der eigentlich gewählte Wahlarzt im Behandlungszeitpunkt verhindert sein wird. Der Patient kann so sicherstellen, dass ihm über die allgemeinen Krankenhausleistungen hinaus die Behandlung durch einen besonders qualifizierten Arzt gewährt wird, auch wenn der zunächst gewählte Arzt nicht zur Verfügung steht.

c) Gegen die Abrechnung in Anlage K 3 sind der Höhe nach keine Einwände vorgebracht worden.

2. Die Klägerin kann die Zahlung außergerichtlicher Anwaltskosten von 413,64 Euro aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB verlangen. Verzug lag gemäß § 286 Abs. 3 S. 1 BGB dreißig Tage nach Zugang der Rechnung vom 28.01.2020 vor. Die anwaltliche Tätigkeit wurde danach mit Schreiben vom 28.01.2021 entfaltet. Gegen die Abrechnung in Anlage K 4 sind der Höhe nach keine Einwände erhoben worden.

3. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, 288 BGB. Verzug lag gemäß § 286 Abs. 3 S. 1 BGB dreißig Tage nach Zugang der Rechnung vom 28.01.2020 zum 01.03.2020 vor.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach §§ 708 Nr. 10 S. 1, 711, 709 S. 2 ZPO angeordnet.

Die Revision ist nicht zugelassen, weil ein Grund nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht vorliegt.

Der Streitwert ist nach §§ 48, 63 GKG, §§ 3 ff. ZPO festgesetzt.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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