Laserbehandlung des Auges wegen Grauem Star(15.5.2023) Eine Femtolaserbehandlung ist ausnahmsweise nach GOÄ 5855 analog bei der Behandlung des Grauen Stars abrechenbar, wenn der Lasereinsatz im Einzelfall deutlich sicherer ist als die Standardbehandlung (Amtsgericht Bochum, Urteil vom 27. Oktober 2022 – 47 C 31/20). 

Der Fall: 

Streitig war, ob die Femtolaserbehandlung der Augen eines privat krankenversicherten asiatischstämmigen Mannes, der an Grauem Star litt, von dem Augenarzt nach GOÄ 5855 analog abgerechnet werden darf. Bei dem Mann bestanden u.a. eine subluxatio lentis (teilweise Linsenverlagerung) und eine enge Lidspalte. Nach der Operation liquidierte der Arzt den Einsatz des Femtosekundenlasers im Rahmen der Kataraktoperation in Höhe von 1.005,46 €.  

Die Entscheidung:

Das Amtsgericht Bochum zog, wie in diesen Fällen üblich, einen medizinischen Sachverständigen zu Rate um zu entscheiden, ob der Gebührenansatz medizinisch gerechtfertigt war. 

Die Sachverständige führte aus, 

  • dass bei dem Patienten asiatischer Abstammung bereits insofern eine besondere, erschwerte Ausgangssituation für die Operation vorgelegen habe, als das asiatische Auge eine verengte und verkürzte Lidspalte aufweise, wodurch der Zugang zum Auge bei der Operation kleiner, enger und somit erschwert sei. 
  • dass sich aus dem schlechten Visus rückschließen lasse, dass es sich um einen komplizierten Grauen Star gehandelt habe. 
  • es habe ein veränderter Befund des vorderen Augenabschnitts vorgelegen, insoweit habe eine Verklebung im Bereich der Regenbogenhaut bestanden, die den operativen Ausgangsbefund ebenfalls abweichend von der Norm dargestellt habe. 
  • und es habe eine Subluxatio lentis bestanden.

All dies stelle eine – im Vergleich zur Standard-Katarakt-OP – besondere Ausgangssituation und erschwerte Operation dar:

  • es müsse äußerst vorsichtig operiert werden müssen, um das Auge durch die Operation nicht zu schädigen. 
  • dies stelle den Operateur vor erhöhte Anforderungen: Spätestens bei einer händischen Eröffnung der vorderen Linsenkapsel, um an die getrübte Linse heranzukommen, hätte der Operateur gemerkt, dass die Linse wackele, locker sei und gegebenenfalls nach hinten in den Glaskörper kippe, und er hätte sie dann mittels intrakapsulärer Technik (ICCE Technik) entfernen müssen. 
  • mit dem Femtosekundenlaser könne hingegen die Operation ganz anders angegangen werden und viel atraumatischer operiert werden als bei der manuellen Technik der Kapseleröffnung.

Ergebnis aus Sicht der Sachverständigen: Die Femtosekundenlaserbehandlung war hier medizinisch geboten.

  • Insbesondere im Hinblick auf die engeren Platzverhältnisse am Auge des asiatischen Patienten als auch auf die bei diesem vorbestehende subluxatio lentis habe der Einsatz des Femtosekundenlasers eine deutliche Risikominimierung im Vergleich zur Standardmethode und somit einen deutlich sichereren OP-Erfolg bedeutet. 
  • Die individuelle medizinische Indikation für den Einsatz des Femto-sekundenlasers bei dem Patienten könne bereits allein mit dem Bestehen der subluxatio lentis begründet werden. Da allerdings auch noch die enge Lidspalte hinzukomme, sei hier in jedem Fall mit dem Femtosekundenlaser vorzugehen gewesen. Bei tiefliegenden Augen solle, etwa ausweislich der Publikationen der Frau ... Professor ... die Operationskurse anbiete, die Standard-Operationsmethode der Phakoemulsifikation überhaupt nicht angewendet werden.

Dies überzeugte das Amtsgericht Bochum und das Gericht bejahte damit die medizinische Indikation und damit die Abrechenbarkeit der Femtosekundenlaserbehandlung. 

Hintergrund:

Die femtosekundenlaser-assistierte Katarakt-Operation stellt grundsätzlich keine eigenständige neue Operationsmethode, sondern lediglich eine besondere Ausführungsart der in Nummer 1375 GOÄ beschriebenen extrakapsulären Katarakt-Operation mittels Linsenkernverflüssigung dar  (Bundesgerichtshof, Urteile vom 14.10.2021 - III ZR 350/20 und III ZR 353/20). Laut BGH ergibt sich auch keine eigenständige medizinische Indikation für den Einsatz eines Femtosekundenlasers bei einer Katarakt-Operation daraus, dass die Lasertechnologie eine präzisere Schnittführung ermöglicht und durch die Reduzierung der benötigten Ultraschallenergie gegenüber der Standard-Katarakt-Operation für die Gewebestrukturen, die sich im Nahbereich der getrübten Linse befinden, schonender sein soll, insbesondere auf Grund einer geringeren Belastung des Honhautendothels. 

Laut BGH ist aber denkbar, dass im Einzelfall eine medizinische Indikation besteht. Bejaht wurde diese einzelfallbezogene medizinische Indikation zum Beispiel im Fall einer  präoperativ bestehenden verminderten Endothelzellzahl an beiden Augen (Landgericht Würzburg, Beschluss vom vom 22.12.2022, AZ.: 53 S 1296/22).

Praxisanmerkung:

Um die analoge Verwendung der Ziffer 5855 GOÄ ausnahmsweise zu rechtfertigen, bedarf es also einer besonderen medizinischen Indikation im Einzelfall, wie zum Beispiel eine subluxatio lentis. Die jeweilige medizinische Indikation ist von dem behandelnden Arzt hinreichend zu dokumentieren

Denkbare medizinische Indikationen im Einzelfall für den Femto-Lasereinsatz sind zum Beispiel: 

  • verminderte Endothelzellenzahl
  • engere Platzverhältnisse am Auge z.B. bei asiatischen Patienten 
  • subluxatio lentis 
  • enge Lidspalte 
  • tiefliegende Augen

Um Streitigkeiten mit dem Patienten oder dessen privater Krankenversicherung schon im Ansatz zu vermeiden, sollte der Arzt die besondere medizinische Indikation bereits in der Rechnung erwähnen und anmerken, dass zum Beispiel ein erschwerter Zugang zum Auge wegen enger Lidspalte bestand und dass die Linse verschoben war, weshalb die Femtolaserbehandlung gewählt wurde. Die hier zitierten Ausführungen der medizinischen Sachverständigen geben insofern eine Vorstellung davon, welche Ausführungen hilfreich sind.

 

Das Urteil des Amtsgerichts Bochum im Volltext:

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten der Streithilfe, hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin macht einen bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruch geltend.

Die Klägerin ist die private Krankenversicherung des ... aus B., der im Tarif A 1200 ohne Beschränkung im Erstattungsprozess bei ihr versichert ist. Der Beklagte ist der ...

Am 02.10.2018 führte der Beklagte eine ambulante Kataraktoperation am linken Auge des Versicherungsnehmers der Klägerin durch.

Unter dem 01.11.2018 stellte er dem Versicherungsnehmer der Klägerin die allgemeinen operativen Leistungen i.H.v. 1.821,44 € in Rechnung. Mit weiterer Rechnung vom 05.11.2018 liquidierte er den Einsatz des Femtosekundenlasers im Rahmen der Kataraktoperation i.H.v. 1.005,46 €. Wegen der Einzelheiten der Rechnungen wird auf die Anlagen BLD 3 und 4, Bl. 35 ff. und Bl. 37 ff. der Akte, Bezug genommen.

Der Versicherungsnehmer ... bezahlte die Rechnungen des Beklagten vollständig und reichte diese anschließend der Klägerin zur Erstattung ein.

Die Klägerin hält die Abrechnung des Einsatzes des Femtosekundenlasers für unzutreffend, erstattete ihrem Versicherungsnehmer im Hinblick auf dessen vollständige Zahlung schließlich aber die vollen Rechnungsbeträge und ließ sich unter dem 15.12.2018 etwaige Rückforderungsansprüche von diesem abtreten.

Anschließend forderte sie den Beklagten über dessen Abrechnungsstelle fruchtlos zur Rückzahlung eines Betrages i.H.v. 937,97 € auf.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Einsatz des Femtosekundenlasers bei der Operation hätte nicht nach der Gebührenziffer 5855 GOÄ analog abgerechnet werden dürfen. Vielmehr hätte nur ein Laserzuschlag gemäß Ziffer 441 GOÄ, hinzutretend zu der nach Ziffer 1375 GOÄ abgerechneten Operation, liquidiert werden dürfen. Demnach wäre der Lasereinsatz nur i.H.v. 67,49 € zu berechnen gewesen, sodass ein Betrag in Höhe von insgesamt 937,97 € ohne Rechtsgrund an den Beklagten geleistet worden sei. Für den Einsatz des Femtosekundenlasers im Rahmen der Operation habe nämlich keine eigenständige medizinische Indikation vorgelegen. Dieser sei lediglich als Hilfsmittel bei der Operation in dem Sinne anzusehen, dass er als deren notwendiger Bestandteil bzw. als eine besondere Ausführungsart der Katarakt-​Operation, welche auch ohne den Laser vorgenommen werden könne, zum Einsatz gekommen sei. Der Einsatz des Femtosekundenlasers sei nach alledem nicht als selbstständige Leistung im Sinne des §§ 4 Abs. 2, Abs. 2a) GOÄ im Verhältnis zur operativen Hauptleistung nach Gebührenziffer 1375 GOÄ zu qualifizieren.

Der Beklagte hat der ...

mit Schriftsatz vom 03.04.2020, Bl. 113 ff. der Akten, auf welchen wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, den Streit verkündet. Der Schriftsatzes ist der Streitverkündeten am 15.04.2020 zugestellt worden. Diese hat mit Schreiben vom 06.05.2020, bei Gericht am selben Tag per Fax eingegangen, den Beitritt auf Seiten des Beklagten erklärt.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 937,97 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 01.02.2019 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin. Mit dem Versicherungsnehmer sei eine Individualvereinbarung geschlossen worden, die die Rückforderung des gezahlten Honorars ausschließe.

Der Beklagte behauptet, bei der Operation unter Einsatz des Femtosekundenlasers handle es sich keineswegs lediglich um ein Hilfsmittel der eigentlichen Kataraktoperation, sondern um eine andersartige Operationsmethode, bei der der Lasereinsatz dem eigentlichen händischen Operationsgeschehen zeitlich vorausgehe. Außerdem habe bei dem Versicherungsnehmer der Klägerin aus mehreren Gründen eine individuelle medizinische Indikation für den Einsatz des Femtosekundenlasers bestanden. Diese ergebe sich unter anderem aus einer vorbestehenden Hornhautverkrümmung, einer besonderen Gefährdungslage für die Endothelzellen der Hornhautrückseite, der besonderen Linsenhärte, der nach unten verrutschten Linse (sogenannte subluxatio lentis), der besonders geschwächten Linsenaufhängung, der eingeschränkten Platzverhältnisse am asiatischen Auge sowie individuell erhöhter Entzündungsrisiken bei Anwendung der Standard-​Operationsmethode.

Er ist der Auffassung, der Versicherungsnehmer habe seine Honorarforderungen in Kenntnis einer etwaigen Nichtschuld beglichen. Insoweit habe die Klägerin, wie er behauptet, mindestens seit 2016 Hinweise an ihre Versicherungsnehmer, wohl auch an Herrn L., erteilt, wonach eine medizinische Notwendigkeit für eine femtolasergesteuerte Kataraktoperation nicht gegeben sei und es daher notwendig sei, dass der behandelnde Arzt den Patienten im Vorfeld darauf hinweise, dass dessen privater Kostenträger deshalb möglicherweise die Rechnung nicht in vollem Umfang erstatte. Wegen der Einzelheiten der Informationsschreiben wird auf die Anl. B1, Bl. 133 ff. der Akte, Bezug genommen.

Das Gericht hat den Beklagten persönlich angehört. Wegen des Anhörungsergebnisses wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.09.2020. Es hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen augenfachärztlichen Gutachtens, das die Sachverständige Dr. med. ... in mündlicher Verhandlung erläutert hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das schriftliche Gutachten der Sachverständigen ... [xxx]vom 30.05.2022 sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.10.2022.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen, sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 24.09.2020 und vom 27.10.2022.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Rückzahlungsanspruch aus §§ 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1, 398 BGB, 194, 86 VVG.

Die Klägerin ist zwar aktivlegitimiert.

Die pauschal formulierte schriftliche Erklärung vom 02.10.2018 (Blatt 136 f. der Akten) stellt weder eine Erlassvereinbarung noch einen pactum de non petendo dar. Es kann daraus auch kein Rückforderungsverzicht hergeleitet werden; ebenso wenig beinhaltet das Schreiben ein Abtretungsverbot. Vielmehr ergibt sich daraus lediglich eine (zusätzliche) Dokumentation einer durchgeführten Aufklärung, insbesondere über – allgemein – bestehende Kostenübernahmerisiken bei ungünstigen privaten Versicherungsverhältnissen.

Ein Erstattungsanspruch steht der Klägerin gegen den Beklagten jedoch materiell nicht zu.

Die unstreitigen Zahlungen des Zedenten und Versicherungsnehmers der Klägerin, Herrn ... auf die Honorarrechnungen des Beklagten vom 01.11.2018 und 05.11.2018 sind nicht rechtsgrundlos erfolgt.

Der Beklagte hat vorliegend zutreffend den Einsatz des Femtosekundenlasers im Rahmen der Kataraktoperation des Versicherungsnehmers der Klägerin auf Grundlage des § 6 Abs. 2 GOÄ i. V. m. Gebührenziffer 5855 GOÄ abgerechnet.

Die GOÄ bestimmt in § 4 Abs. 2, dass Gebühren nur für selbständige ärztliche Leistungen berechnet werden dürfen. § 6 Abs. 2 GOÄ eröffnet die Möglichkeit, analog einer nach Art, Kosten und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses abzurechnen, soweit es sich um eine selbständige ärztliche Leistung handelt. Gemäß § 4 Abs. 2a GOÄ kann indes für eine solche Leistung keine Gebühr berechnet werden, die Bestandteil oder eine besondere Ausführungsart einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Selbständigkeit einer ärztlichen Leistung danach zu beurteilen, ob für diese eine eigenständige medizinische Indikation gegeben ist (vgl. nur BGH, Urteil v. 21.01.2010, III ZR 147/09).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Der Einsatz des Femtosekundenlasers stellt nämlich im vorliegenden Fall eine selbstständige ärztliche Leistung im Sinne des § 4 Abs. 2, Abs. 2a GOÄ dar; die Operation mit dem Femtosekundenlaser war bei dem Versicherungsnehmer der Klägerin, ...individuell medizinisch indiziert.

In zwei aktuellen Entscheidungen vom 14.10.2021 hatte der Bundesgerichtshof sich zwar jeweils mit der selbständigen Abrechnung des Femtosekundenlasereinsatzes bei Kataraktoperationen und insoweit mit der Frage der Selbständigkeit dieser ärztlichen Leistung auseinanderzusetzen, wobei er jeweils erkannt hat, dass der Einsatz eines Femtosekundenlasers bei der Durchführung einer Kataraktoperation keine selbstständige ärztliche Leistung darstelle, die nach § 4 Abs. 2 S. 1, § 6 Abs. 2 GOÄ abgerechnet werden könne. Der Einsatz des Lasers sei in einem solchen Fall nach Nr. 1375 des Gebührenverzeichnisses der GOÄ, zu der der Zuschlag nach Nr. 441 GOÄ für die Anwendung eines Lesers bei ambulanten operativen Leistungen gegebenenfalls hinzukomme, zu honorieren und nicht zusätzlich nach den Nummern 5800 und 5855 analog abrechenbar (vgl. BGH v. 14.10.2021, III ZR 353/20 und III ZR 350/20).

Ausweislich der Urteilsbegründungen erheben diese Ausführungen allerdings keinen Absolutheitsanspruch für jeden denkbaren Einzelfall der Operation mit Femtosekundenlaser, sondern bilden den Normalfall, den Grundsatz ab.

Im Grundsatz sei die Femtosekundenlaser-​assistierte Katarakt-​Operation keine eigenständige neue Operationsmethode, sondern lediglich eine besondere Ausführungsart der in Nr. 1375 beschriebenen extrakapsulären Katarakt-​Operation mittels Linsenkernverflüssigung (Phakoemulsifikation). Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass bei Verwendung eines Femtosekundenlasers im Rahmen einer Katarakt-​Operation eine eigenständige neue Methode zur Beseitigung des Grauen Stars zum Einsatz komme. Die Zielleistung „extrakapsuläre Operation des grauen Stars mittels Linsenkernverflüssigung (Phakoemulsifikation)“ bleibe unabhängig von der Ausführungsart dieselbe. Denn beide Methoden und Ausführungsarten, die herkömmliche händische Phakoemulsifikation und die Operation unter Einsatz des Femtosekundenlasers, zielten auf dieselbe in der GOÄ abgebildet Zielleistung ab, nämlich die Operation des Grauen Stars mittels Linsenkernverflüssigung und Einsetzen einer Kunstlinse. Der Einsatz des Femtosekundenlasers sei daher zwar nicht notwendiger Bestandteil dieser Operation (die auch ohne Einsatz dieser Technik vorgenommen werden können), aber eine besondere (unselbstständige) Ausführungsart. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass diese Lasertechnologie bei der Bewertung der unter der Nr. 1375 GOÄ erfassten Leistung durch den Verordnungsgeber noch nicht bekannt gewesen und der Einsatz des Lasers in sachlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht abgrenzbar sei. Eine eigenständige medizinische Indikation für den Einsatz eines Femtosekundenlasers ergebe sich auch nicht daraus, dass die Lasertechnologie eine präzisere Schnittführung ermögliche und durch die Reduzierung der benötigten Ultraschallenergie gegenüber der Standard-​Kataraktoperation für die Gewebestrukturen, die sich im Nahbereich der getrübten Linse befänden, schonender sein solle, insbesondere aufgrund einer geringeren Belastung des Hornhautendothels (vgl. BGH a.a.O.).

Demgegenüber hat der BGH jedoch ausdrücklich offengelassen, ob der Einsatz des Femtosekundenlasers in Ausnahmefällen, etwa bei Kindern oder Patienten mit verlagerten Linsen - im vorliegenden Fall bestand bei dem Versicherungsnehmer Lee eine sogenannte subluxatio lentis - individuell eigenständig medizinisch indiziert sein könne. In dem vom BGH zu entscheidenden Fall lag ein solcher Ausnahmefall nämlich nicht vor bzw. erfolgte der Parteivortrag zu einer individuellen medizinischen Indikation, in dem Fall wegen „harter Linse und tiefer Vorderkammer“, verspätet und war daher für die Entscheidung unbeachtlich (BGH a.a.O.).

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte demgegenüber eine Vielzahl medizinisch ungünstiger Umstände vorgetragen, die kumuliert bei dem Versicherungsnehmer vorlagen und eine eigenständige individuelle medizinische Indikation des Einsatzes des Femtosekundenlasers in diesem Einzelfall begründen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass aufgrund der Befundlage bei dem Versicherungsnehmer ... die Durchführung der Operation mittels Femtosekundenlaser individuell und eigenständig medizinisch indiziert war, sodass der Einsatz des Lasers als eigenständige medizinische Leistung, wie erfolgt, abgerechnet werden konnte.

Insoweit schließt sich das Gericht nach eigener Prüfung den in jeder Hinsicht überzeugenden, in sich schlüssigen und auch für den [xxx]ut verständlichen Feststellungen der Sachverständigen [xxx]...

Die Sachverständige hat zunächst in ihrem schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass bei dem Versicherungsnehmer ... als einem Patienten asiatischer Abstammung bereits insofern eine besondere, erschwerte Ausgangssituation für die Operation vorgelegen habe, als das asiatische Auge eine verengte und verkürzte Lidspalte aufweise, wodurch der Zugang zum Auge bei der Operation kleiner, enger und somit erschwert sei. Bei Herrn L., komme allerdings noch hinzu, dass sich aus dem schlechten Visus rückschließen lasse, dass es sich um einen komplizierten Grauen Star gehandelt habe. Darüber hinaus habe ein veränderter Befund des vorderen Augenabschnitts vorgelegen, insoweit habe eine Verklebung im Bereich der Regenbogenhaut bestanden, die den operativen Ausgangsbefund ebenfalls abweichend von der Norm dargestellt habe. Darüber hinaus habe eine Subluxatio lentis bestanden.

Bei diesen Besonderheiten des Ausgangsbefundes handle sich um eine deutlich – im Vergleich zur Standard-​Katarakt-​OP – besondere Ausgangssituation und erschwerte Operation. Aufgrund der Befunde habe äußerst vorsichtig operiert werden müssen, um das Auge durch die Operation nicht zu schädigen. Diese Ausgangssituation stelle den Operateur vor erhöhte Anforderungen. Spätestens bei einer händischen Eröffnung der vorderen Linsenkapsel, um an die getrübte Linse heranzukommen, hätte der Operateur gemerkt, dass die Linse wackele, locker sei und gegebenenfalls nach hinten in den Glaskörper kippe, und er hätte sie dann mittels intrakapsulärer Technik (ICCE Technik) entfernen müssen. Dabei handle es sich allerdings um eine Operationstechnik, die bis vor 45 Jahren angewandt worden sei und heute nicht mehr state of the art sei. Mit dem Femtosekundenlaser könne hingegen die Operation ganz anders angegangen werden und viel atraumatischer operiert werden als bei der manuellen Technik der Kapseleröffnung.

Die Sachverständige hat diese Feststellungen im Rahmen ihrer ebenfalls in jeder Hinsicht überzeugenden mündlichen Anhörung, in der sie die Fragen und Einwendungen der Klagepartei beantwortet und ausgeräumt hat, unter Bezugnahme auf entsprechende wissenschaftliche Publikationen vertiefend erläutert. Insbesondere im Hinblick auf die engeren Platzverhältnisse am Auge des asiatischen Patienten als auch auf die bei diesem vorbestehende subluxatio lentis habe der Einsatz des Femtosekundenlasers eine deutliche Risikominimierung im Vergleich zur Standardmethode und somit einen deutlich sichereren OP-​Erfolg bedeutet. Im vorliegenden Fall könne die individuelle medizinische Indikation für den Einsatz des Femtosekundenlasers bei ... bereits allein mit dem Bestehen der subluxatio lentis begründet werden. Da allerdings auch noch die enge Lidspalte hinzukomme, sei hier in jedem Fall mit dem Femtosekundenlaser vorzugehen gewesen. Bei tiefliegenden oder auch [xxx] Augen solle, etwa ausweislich der Publikationen der Frau ... Professor ... die Operationskurse anbiete, die Standard-​Operationsmethode der Phakoemulsifikation überhaupt nicht angewendet werden.

Nach alledem ist in dem vorliegenden Einzelfall des Versicherungsnehmers und Patienter ... eine individuelle eigenständige medizinische Indikation für den Einsatz des Femtosekundenlasers im Rahmen der Kataraktoperation feststellbar.

Die erfolgte Abrechnung entspricht den Vorgaben nach § 6 Abs. 2 GOÄ i. V. m. Ziffer 5855 des Gebührenverzeichnisses GOÄ und stellt sich als zutreffend dar. Eine rechtsgrundlose Leistung auf die Honorarrechnung des Beklagten ist nicht erfolgt.

Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der unbegründeten Hauptforderung.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 101, 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 937,97 EUR festgesetzt.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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