(22.5.2024) Einem Arzt darf die Zulassung vollständig entzogen werden, wenn dieser über mehrere Jahre hinweg maximal 70 Fälle im Quartal abrechnet und damit deutlich weniger Patienten behandelt als der Fachgruppendurchschnitt (rund 700 Fälle), liegt. Denn dann übt er seine vertragsärztliche Tätigkeit nicht aus, wozu er aber gesetzlich verpflichtet ist. Eine Nichtausübung liegt vor, wenn die Anzahl der Behandlungsfälle unter 10 % des Fachgruppendurchschnitts liegt. Ausschlaggebend sind dabei ausschließlich die von dem Arzt abgerechneten Leistungen, so dass es nicht auf andere Tätigkeiten des Arztes ankommt. Mithin bleiben ärztliche Beratungen und Tätigkeiten des Arztes im ärztlichen Bereitschaftsdienst außer Betracht (Sozialgericht München, Urteil vom 22.2.2024 - S 20 KA 481/19).
Der Fall:
Ein kurz vor dem Renteneintritt stehender Münchner Hausarzt, der in einer Berufsausübungsgemeinschaft tätig war, behandelte über Jahre hinweg nur wenige Patienten in seiner Praxis. Dafür behandelte er vergleichsweise viele Patienten im Rahmen des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes (ÄBD). Der Teilnahme am ÄBD ist eine (für viele Ärzte überaus leidige) Pflicht aller Ärzte, die eine Kassenzulassung besitzen. Im Rahmen des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes sucht der Arzt die Patienten in dringenden Fällen außerhalb der Praxiszeiten in deren Privatwohnungen auf und behandelt diese dort.
Der Zulassungsausschuss bei der Bayerischen Kassenärztliche Vereinigung (KVB) wies den Hausarzt auf dieses Verhalten hin und mahnte an, er müsse mehr Patienten in seiner Praxis behandeln.
Der Hausarzt sah dies anders. Er wandte unter anderem ein, er behandle viele Patienten durch kleinere Beratungen, die in der Pauschalgebühr enthalten seien. Überdeis sei seine Tätigkeit als Arzt im Bereitschaftsdienst, die mit bis zu 400 Patienten im Quartal zu Buche schlage, ebenfalls zu berücksichtigen.
Dies sah der Zulassungsausschuss anders und entzog ihm schließlich die vertragsärztliche Zulassung wegen längerer Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit.
Der Arzt widersprach, aber der beklagte Berufungsausschuss wies den Widerspruch als unbegründet zurück.
Dagegen zog der Hausarzt vor Gericht.
Die Entscheidung:
Die Klage des Hausarztes gegen die Entziehung seiner Zulassung blieb ohne Erfolg.
Das Sozialgericht München sieht andere kleinere Tätigkeiten, wie zum Beispiel Beratungen am Tresen der Praxis, Rezeptausstellungen oder Lehrtätigkeiten nicht als vertragsärztliche Tätigkeit an. Es komme dafür nur auf die abgerechneten Leistungen an und diese lägen unter 10 % des Fachgruppendurchschnitts. Bei einer so geringen vertragärztlichen Tätigkeit sei davon auszugehen, dass der Hausarzt seine vertragsärztliche Tätigkeit nicht mehr ausübe. Wer seine Tätigkeit nicht mehr ausübe, dem sei die Zulassung nach § 95 Abs. 6 SGB V i.V.m. § 27 Ärzte-ZV zu entziehen.
Die Tätigkeiten des Arztes im Ärztlichen Bereitschaftsdienst sah das Sozialgericht München nicht als vertragärztliche Tätigkeit an. Es handele sich dabei nur um einen Anhang zur vertragsärztlichen Tätigkeit.
Praxisanmerkung:
Die Entscheidung ist kritisch zu hinterfragen.
Denn bei der Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst besucht der Arzt den Patienten zu Hause. Auf die Sprechstundenzeiten nach Satz 1 werden (aber) die Besuchszeiten des Vertragsarztes angerechnet (§ 17 Abs. 1a Satz 6 Bundesmantelvertrag für Ärzte). Mithin sieht der Bundesmantelvertrag für Ärzte die Besuchszeiten (also auch die Tätigkeitszeiten des Arztes im Rahmen seiner Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst) als allgemeine Sprechstundenzeiten des Vertragsarztes an. Nach § 19a Abs. 1 S 5 Ärzte-ZV sind Besuchszeiten auf die Mindestsprechstundenzeit von 25 Stunden anzurechnen, um Ärzte, die Patienten zu Hause oder im Heim aufsuchen, nicht zu benachteiligen (Altmiks in: Schiller, Kommentar zum gemeinsamen BMV-Ä, a) Grundsatz, Rn. 22). Und: Als Sprechstunden gelten die Zeiten, in denen der Vertragsarzt für die Versorgung der Versicherten unmittelbar zur Verfügung steht (§ 17 Abs. 1a Satz 2 Bundesmantelvertrag für Ärzte). Wer am Ärztlichen Bereitschaftsdienst teilnimmt, steht den Patienten aber gerade im Wege einer Art Rufbereitschaft zur Verfügung.
Nimmt ein Arzt am Ärztlichen Bereitschaftsdienst teil, so ist er also vertragsärztlich tätig. Ob er in der Praxis sitzt oder den Patienten aufsucht, ist dabei einerlei. Der Hausarzt hat folglich seine vertragsärztliche Tätigkeitspflicht in weit höherem Maße erfüllt, als vom Berufungsausschuss berücksichtigt. Damit hat sich das Sozialgericht München in keiner Weise auseinander gesetzt. Es bleibt zu hoffen, dass gegen die Entscheidung Rechtsmittel eingelegt wurde, so dass das Landessozialgericht sich mit dieser Frage beschäftigt und hier Rechtsklarheit schafft.
English version:
A doctor's license may be completely revoked if he or she bills a maximum of 70 cases per quarter over several years and thus treats significantly fewer patients than the specialist group average (around 700 cases). Because then he does not carry out his contractual medical activity, which he is legally obliged to do. Non-exercise occurs if the number of treatment cases is less than 10% of the specialist group average. Only the services billed by the doctor are decisive, so that other activities of the doctor are not important. Therefore, medical consultations and activities of the doctor in the medical on-call service are not taken into account (Munich Social Court, judgment of February 22, 2024 - S 20 KA 481/19).
The case:
A Munich family doctor who was about to retire and worked in a professional practice group only treated a few patients in his practice for years. To this end, he treated a comparatively large number of patients as part of the medical on-call service (ÄBD). Participation in the ÄBD is an obligation (which is extremely annoying for many doctors) of all doctors who are approved by health insurance companies. As part of the medical on-call service, in urgent cases the doctor visits patients in their private homes outside of practice hours and treats them there.
The admissions committee at the Bavarian Association of Statutory Health Insurance Physicians (KVB) pointed out this behavior to the family doctor and warned that he had to treat more patients in his practice.
The family doctor saw it differently. Among other things, he objected that he treats many patients through smaller consultations, which are included in the flat fee. Furthermore, his work as a doctor on call, which involves up to 400 patients per quarter, should also be taken into account.
The admissions committee saw this differently and ultimately revoked his license to practice as a statutory health insurance provider due to his long-term failure to practice statutory health insurance.
The doctor objected, but the defendant appeals committee rejected the objection as unfounded.
The family doctor took this to court.
The decision:
The family doctor's lawsuit against the revocation of his license was unsuccessful.
The Munich Social Court does not consider other smaller activities, such as consultations at the practice counter, issuing prescriptions or teaching activities, to be contract medical activities. All that matters is the services billed and these are less than 10% of the specialist group average. With such a limited amount of contractual medical activity, it can be assumed that the family doctor no longer carries out his contractual medical activity. Anyone who no longer performs their activity must have their license revoked in accordance with Section 95 Paragraph 6 SGB V in conjunction with Section 27 Ärzte-ZV.
The Munich Social Court did not consider the activities of the doctor in the medical on-call service to be contractual medical activities. This is only an appendix to the contractual medical activity.
Practical note:
The decision must be critically questioned.
When participating in the medical on-call service, the doctor visits the patient at home. The visiting hours of the contracted doctor are (but) counted towards the consultation hours according to sentence 1 (Section 17 Paragraph 1a Sentence 6 Federal Contract for Doctors). The federal contract for doctors therefore regards the visiting hours (including the working hours of the doctor as part of his participation in the medical on-call service) as general consultation hours of the contracted doctor. According to Section 19a Para. 1 S 5 Ärzte-ZV, visiting times must be counted towards the minimum consultation time of 25 hours in order not to disadvantage doctors who visit patients at home or in a nursing home (Altmiks in: Schiller, commentary on the joint BMV-Ä, a ) Principle, paragraph 22). And: Consultation hours are the times in which the contracted doctor is immediately available to provide care to the insured (Section 17 Paragraph 1a Sentence 2 Federal Treaty for Doctors). Anyone who takes part in the medical on-call service is available to patients as a kind of on-call service.
If a doctor takes part in the medical on-call service, he is working as a contracted doctor. It doesn't matter whether he sits in the practice or visits the patient. The family doctor has therefore fulfilled his contractual medical duties to a far greater extent than was taken into account by the appeal committee. The Munich Social Court has not dealt with this in any way. It remains to be hoped that an appeal has been lodged against the decision so that the State Social Court can deal with this issue and provide legal clarity here.
Die Entscheidung des Sozialgerichts München im Volltext:
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die mit Bescheid des Beklagten vom 25.11.2019, Beschluss vom 8.10.2019, ausgesprochene vollständige Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit am Vertragsarztsitz R. Straße ..., ... M..
Der Kläger nimmt seit 1.1.2008 im Planungsbereich Mittelbereich M. als zugelassener Allgemeinarzt an der vertragsärztlichen (hausärztlichen) Versorgung teil. Er gehört einer Berufsausübungsgemeinschaft an.
Der Zulassungsausschuss hatte den Kläger am 20.2.2017 zur Überprüfung der Kassenarztzulassung angeschrieben und auf die Tätigkeit fast ausschließlich im ärztlichen Bereitschaftsdienst hingewiesen. In Quartal 3/2016 habe der Kläger 1 Fall in der Praxis und 298 Besuche im Bereitschaftsdienst abgerechnet. Die Haupteinnahmequelle eines Vertragsarztes müsse die eigene Praxis sein. Auf § 24 Abs. 2 Ärzte-ZV und § 17 BMV-Ä bezüglich abzuhaltender Sprechstunden sei hinzuweisen.
Mit Schreiben vom 5.4.2017 wies der Kläger auf seine spezielle Tätigkeit mit häufiger Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst hin. Zusätzlich helfe er in der Praxis bei kleinen Beratungen am Tresen, Rezeptausstellung, Telefonberatung, dies spiegele sich in der Abrechnung nicht wieder. Er wies auf weitere Tätigkeiten bezüglich Schulung von Pflegekräften, Lehrtätigkeit an der LMU hin. Er sei überzeugt, dass die Praxisstruktur der Berufsausübungsgemeinschaft, die schon viele Jahre so bestehe, den rechtlichen Normen entspreche. Er stehe auch mehr als 25 Stunden pro Woche den Patienten zur Verfügung.
Mit Schreiben vom 23.05.2017 teilte der Zulassungsausschuss mit, dass er in seiner Sitzung am 18.5.2017 zu dem Ergebnis gekommen sei, dem Kläger bis April 2018 Gelegenheit zur Wiederaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit zu geben. Die alleinige Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst sei nicht ausreichend um den Versorgungsauftrag auszufüllen, der Schwerpunkt solle in der vertragsärztlichen Versorgung im Praxisbetrieb liegen.
Mit Schreiben vom 23.4.2018 teilte der Zulassungsausschuss dem Kläger mit, dass dieser in der mündlichen Verhandlung vom 16.04.2018 glaubhaft habe darlegen können, dass er weiterhin ernsthaft gewillt sei als zugelassener Vertragsarzt an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen und den Versorgungsauftrag entsprechend auszufüllen.
Er habe dargelegt, dass er Maßnahmen zur Steigerung der ambulanten Tätigkeit ergreifen werde. Der Zulassungsausschuss sei der Überzeugung, dass der Kläger sich darüber bewusst geworden sei, dass die alleinige Teilnahme am Bereitschaftsdienst nicht ausreichend sei, um den Versorgungsauftrag auszufüllen. Der Kläger habe die Betreuung von Alten- und Pflegeheimen angeführt und es werde gebeten, hierzu nähere Angaben zu machen.
Es erging Ladung zum Termin vom 13.5.2019. Der Kläger bat mit Schreiben vom 25.4.2019, in diesem Termin noch nicht zu entscheiden, sondern die Möglichkeit zu eröffnen, andere vertragsrechtliche Lösungen und Alternativen auszuloten. Er stehe bereits im 65. Lebensjahr und strebe eine Lösung an, mit denen die Praxispartner leben könnten.
Mit Beschluss vom 13.5.2019 entzog der Zulassungsausschuss dem Kläger seine Zulassung wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit gemäß § 95 Abs. 6 SGB V in Verbindung mit § 27 Ärzte-ZV. Es wurde auf die niedrigen Fallzahlen im Bereich der Praxistätigkeit seit Quartal 3/2016 verwiesen. Die Teilnahme am Bereitschaftsdienst habe der Gesetzgeber nur als Annex zu Niederlassung in freier Praxis ausgestaltet. Die Entscheidung sei verhältnismäßig. Mehrfache vorangegangene Schreiben des Zulassungsausschusses hätten den Kläger nicht dazu veranlassen können, sein Abrechnungsverhalten zu ändern. Es sei auch nicht vorgetragen worden, ob und wie er künftig die ordnungsgemäße Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung gewährleisten könne.
Mit Ladungsschreiben des Beklagten im Widerspruchsverfahren, zugestellt mit Postzustellungsurkunde vom 19.9.2019 zur Sitzung am 8.10.2019 war darauf hingewiesen worden, dass gemäß § 45 Abs. 3 i.V.m. § 37 Abs. 2 S. 2 Ärzte-ZV auch im Falle des Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne.
Im Widerspruchsverfahren ließ der Kläger von seinem Bevollmächtigten und Praxiskollegen Herrn Professor Dr. S. mit Schriftsatz vom 1.10.2019 vortragen, dass in der Zwischenzeit ab 1.10.2019 eine Lösung zur Steigerung der Fallzahl des Klägers in der Praxistätigkeit gefunden worden sei. Eine Zulassungsentziehung sei das allerletzte Mittel und hier nicht angemessen. Es werde auf die persönliche Situation des Klägers mit Erkrankung seiner Frau verwiesen. Es sei auf die Struktur in der Gemeinschaftspraxis hinzuweisen mit gemeinsamer Versorgung aller Patienten. Es werde gebeten den Termin abzusetzen.
Der Kläger teilte mit Schreiben vom 8.10.2019 mit, dass er aufgrund akuter Erkrankung (Gastroenteritis) an der Teilnahme am Termin verhindert sei.
Im Bescheid vom 25.11.2019 aufgrund Beschlusses vom 8.10.2019 wurde der Widerspruch zurückgewiesen und Zulassungsentziehung ausgesprochen. Es wurden die Zahlen für die Quartale 1/2016-1/2019 dargelegt:
Quartal Fallzahlen Fälle Ärztlicher Bereitschaftsdienst ÄBD
1/2019 9 340
4/2018 16 408
3/2018 17 400
2/2018 70 319
1/2018 55 446
4/2017 35 380
3/2017 68 438
2/2017 36 365
1/2017 3 430
4/2016 0 431
3/2016 1 298
2/2016 198 0
1/2016 281 0
Der Kläger liege mit seinem Leistungsvolumen seit dem Quartal 3/2016 deutlich unterhalb von 10 % im Vergleich zum durchschnittlichen Leistungsvolumen der Hausärzte. Der Kläger habe in den Quartalen 3/2016-1/2019 insgesamt 310 Fälle in der eigenen Praxis abgerechnet. Dies seien durchschnittlich 28 Fälle pro Quartal. Die Vergleichsgruppe der Hausärzte habe in den Quartalen 2/2018-1/2019 durchschnittlich pro Quartal 787 Fälle abgerechnet. Im Quartal 2/2019 habe der Kläger insgesamt 4 Fälle in der eigenen Praxis abgerechnet. Der Kläger sei Mitglied einer Berufsausübungsgemeinschaft, die aus insgesamt fünf Ärzten bestehe. Davon würden vier Ärzte über eine Vollzulassung verfügen, ein Arzt sei Vollzeit mit 40 Wochenstunden angestellt. Der Leistungsanteil der gesamten BAG liege ca. 70 % unter dem durchschnittlichen Leistungsvolumen der Fachgruppe der Hausärzte. Daher könne man auch nicht zu Gunsten des Klägers eine Aufgabenverteilung innerhalb der Ausübungsgemeinschaft annehmen, da die BAG dafür insgesamt zu wenige Leistungen erbringe. Es sei auf das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8.4.2013, L 12 KA 82/11, zu verweisen bezüglich Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit über längerandauernden Zeitraum im Umfang von weniger als 10 % des Fachgruppendurchschnitts. Der ärztliche Bereitschaftsdienst sei zwar Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung, jedoch handele es sich hier lediglich um einen Annex und es entbinde den Vertragsarzt nicht vom Abhalten von Sprechstunden und Präsenz am Vertragsarztsitz, vergleiche Sozialgericht München, Urteil vom 2.10.2018, Aktenzeichen S 38 K 58/18. Es sei durchaus möglich, sich über einen ärztlichen Bereitschaftsdienst zu finanzieren auf der Grundlage der Tätigkeit als Poolarzt. Die Tätigkeit im Bereitschaftsdienst sei auch ohne Zulassung möglich, § 4 BDO. Die Tätigkeit am Vertragsarztsitz müsse alle Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes in zeitlicher Hinsicht insgesamt überwiegen, vergleiche § 17 Abs. 1 a BMV-Ä.
Die zur Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit führenden Gründe würden grundsätzlich keine Rolle spielen. Das einzige Tatbestandsmerkmal sei die Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit.
Die Entziehung der Zulassung nach § 95 Abs. 6 SGB V stelle eine schwerwiegende Sanktion und einen Eingriff in die Berufsausübung nach Art. 12 Grundgesetz dar, der einem Eingriff in die Berufswahl nahekomme. Daher sei mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stets zu prüfen, ob nicht ein milderes Mittel in Betracht komme. Es sei nicht gesichert davon auszugehen, dass der Kläger seine vertragsärztliche Tätigkeit zukünftig pflichtbewusst ausüben werde. Daher sei die Zulassungsentziehung erforderlich. Die Zulassungsentziehung stelle keinen erheblichen Eingriff dar. Das in den letzten Jahren erwirtschaftete Honorar sei aufgrund der sehr niedrigen Patientenzahlen entsprechend niedrig. Der Planungsbereich Mittelbereich M. weise eine Überversorgung bei einem Versorgungsgrad von 114,1 %, Stand 5.2.2019, auf. Damit sperre der Vertragsarztsitz des Klägers die Neuzulassung eines Arztes in diesem Planungsbereich.
In der Beklagtenakte liegen Frequenzstatistiken für einzelne Quartale ab Quartal 2/2017 vor. Dort lassen sich unter der Gebührennummer ... und dem Arztkennzeichen L5 für den Kläger die Fallzahlen pro Quartal entnehmen. Weiter enthalten sind unter anderem Fallzahlen bezüglich Besuchsleistungen nach .... Exemplarisch ergibt sich im Quartal 3/2017 bei 68 Fällen eine Anzahl von 26 Besuche nach ... und 97 Besuche eines weiteren Kranken nach.... Im Quartal 1/2018 ergeben sich bei 53 Fällen 16 Besuche nach ... und 38 Besuche nach ....
Mit Klagebegründung vom 10.2.2021 wurde ausgeführt, dass der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers nach wie vor die Teilnahme am vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst sei, der in München rund um die Uhr betrieben werde. Es sei nicht möglich gewesen, die Fallzahlen in der Praxis nach oben zu bringen. Um die finanzielle Existenz seiner Familie zu gewährleisten sei der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers nach wie vor im ärztlichen Bereitschaftsdienst angesiedelt. In der mündlichen Verhandlung des Beklagten sei das Recht auf rechtliches Gehör in keinster Weise gewahrt worden. Der Zulassungsentzug stelle einen Verstoß gegen das Grundgesetz dar. Die Tätigkeit des Klägers innerhalb der BAG selle sich so dar, dass dieser in der Praxis genauso gut mitarbeite, jedoch wenige Abrechnungsziffern habe. Er erbringe kleinere ärztliche Leistungen, die sich nicht in der Abrechnung widerspiegeln würden. Alle kleinen Kurzberatungen würden in die Grundpauschale fallen. Die BAG sei insgesamt untypisch und würde eine intensivste Altenheimbetreuung erbringen. Es würden viele Hausbesuche und Visiten abgerechnet werden, also geringe Fallzahlen, hohes Honorar je Behandlungsfall. Die Fallzahlen in M. würden erheblich unter dem bayerischen Durchschnitt liegen. Inzwischen bestehe nur noch eine ganz geringe Überversorgung in M. Stadt im Bereich Hausärzte. Damit nehme der Kläger einem anderen Vertragsarzt auch keine Zulassung weg. Der Kläger führte mit Schriftsatz vom 5.8.2021 aus, dass er seit Jahren im üblichen Umfang ca. 300-500 Behandlungsfälle jedes Quartal hausärztlich versorge. Die Hausbesuchstätigkeit sei eine typisch hausärztliche Leistung. Dabei komme es nicht darauf an, ob diese im vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst oder in anderer Form erbracht werde. Der Entzug der Kassenzulassung sei ein faktisches Berufsverbot. Hier läge keine Gefährdung von Patienten vor. Es werde eine entsprechende Verfassungsbeschwerde unter Bezugnahme auf den Sachverhalt erwogen. Es gehe darum, für einen relativ kurzen Zeitraum noch weiterhin an der vertragsärztlichen Tätigkeit, insbesondere im Bereitschaftsdienst, teilnehmen zu können/dürfen.
Der Beklagte legte mit Schriftsatz vom 25.1.2024 dar, dass im Verfahren keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen worden seien. Es sei auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 19.7.2023, B 6 KA 5/22 RA, Rn. 18, betreffend den maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung als maßgeblichen Zeitpunkt bezüglich der Entscheidung der Streitsache betreffend die Zulassungsentziehung zu verweisen.
Der Kläger führte mit Schriftsatz vom 18.2.2024 nochmals verfassungsrechtliche Gründe an. Bezüglich des Verkaufs der Praxis würden erneut Gespräche stattfinden. Ohne Zulassung wäre es schwierig/unmöglich, einen anteiligen Kaufpreis, den er für seine Altersversorgung benötige, zu erzielen.
Die Beigeladene zu 1 legte mit Schriftsatz vom 21.2.2024 die Fallzahlen ab Quartal 2/2019 vor sowie die abgerechneten Besuchszahlen im ärztlichen Bereitschaftsdienst.
Die Fallzahlen wurden für Quartal 2/2019 mit 4, für Quartal 3/2019 mit 53 und für Quartal 4/2019 mit 109 angegeben, für Quartal 1/2020 bis 3/2023 wurden Fallzahlen von 1 bis 10 angegeben. Die Zahlen des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes wurden für Quartal 2/2019 bis 3/2023 angegeben mit 148 bis 502.
In der mündlichen Verhandlung stellte der Kläger den Antrag,
den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 25.11.2019, der aufgrund mündlicher Verhandlung mit Beschluss vom 8.10.2019 getroffen wurde, aufzuheben und dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 25.11.2019, gefasst aufgrund Beschlusses vom 8.10.2019, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte durfte wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit, § 95 Abs. 6 SGB V i.V.m. § 27 Ärzte-ZV, die kassenärztliche Zulassung des Klägers vollständig entziehen.
Der Beklagte durfte mit Beschluss vom 8.10.2019 entscheiden und hat damit nicht Rechte des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Ausweislich der mit Postzustellungsurkunde zugestellten Ladung war darauf hingewiesen worden, dass gemäß § 45 Abs. 3 i.V.m. § 37 Abs. 2 S. 2 Ärzte-ZV auch im Falle des Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne. Der Kläger hatte bereits im Laufe des Widerspruchsverfahrens Gelegenheit, Stellung zu nehmen und dies auch mit einer Stellungnahme vom 1.10.2019 genutzt.
Der Kläger hatte ausweislich der vorliegenden Zahlen ab dem Quartal 3/2016 bis zum Quartal 3/2019 zwischen null und 70 Fälle im Quartal im Rahmen seiner hausärztlichen Tätigkeit abgerechnet. Maßgeblicher Entscheidungszeitpunkt ist wie vom Beklagten zutreffend unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dargelegt der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung des Beklagten, mithin der 8.10.2019. Die Fallzahl für das Quartal 4/2019 beträgt 109 Fälle. Hiervon ist jedoch nur ein Bruchteil einzubeziehen, nämlich die Fälle, die bis zum 8.10.2019 behandelt wurden. Der Kläger liegt damit in allen hier relevanten Quartalen ab dem Quartal 3/2016 deutlich bis sehr deutlich unterhalb der durchschnittlichen Fallzahl, die in einer Hausarztpraxis behandelt wird. Der Beklagte hatte hier die Zahl von 787 Fällen für den Zeitraum 2/2018 bis 1/2019 genannt. Rechtlich zutreffend hatte sich der Beklagte hier auf bayernweite Zahlen bezogen.
Der Kläger hatte eingewandt, er habe in der Praxis mitgearbeitet am Tresen und mit kleineren Beratungen etc., was sich nicht in den Abrechnungsdaten widerspiegeln würde. Ausschlaggebend aus Sicht des Gerichts können jedoch allein die Abrechnungsdaten seien. Die Gemeinschaftspraxis hat hier eine sogenannte Sammelerklärung zur Abrechnung jeweils in jedem einzelnen Quartal abgegeben und die Vollständigkeit und Richtigkeit der dortigen Angaben mit Unterschrift bestätigt. Damit sind diese Abrechnungsdaten verbindlich heranzuziehen, vgl. hierzu auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 22.01.2020, Az. L 12 KA 6/19, Rz. 73.
Besonderheiten durch die Mitarbeit in einer Berufsausübungsgemeinschaft sind aus Sicht des Gerichts hier nicht heranzuziehen. Aus den vorliegenden Frequenzstatistiken ergibt sich nicht, dass der Kläger über die dort ermittelten Fallzahlen hinaus weitere Leistungen in überproportionalem Umfang im Vergleich zu seiner Fallzahl erbracht hätte. Eine vom Kläger im Verwaltungsverfahren genannte intensive Altenheimbetreuung lässt sich aus diesen Zahlen nicht entnehmen. Aus den vorgelegten Frequenzstatistiken lässt sich lediglich für das Quartal 3/2017 eine gewisse Überschreitung der Besuchszahlen nach ..., ... gegenüber der Fallzahl des Klägers erkennen. Bezüglich der übrigen Statistiken ergibt sich hier keine signifikante Abweichung. Es ist somit nicht nachgewiesen, dass der Kläger im Rahmen der vertragsärztlichen Tätigkeit in mehr als in den Abrechnungsunterlagen zum Ausdruck kommendem Umfang Altenheime betreut hat.
Wie dem Kläger schon mehrfach im Rahmen des Verwaltungsverfahrens mitgeteilt worden war können die Zahlen aus dem ärztlichen Bereitschaftsdienst hier nicht herangezogen werden. Es handelt sich hierbei um einen Annex zur vertragsärztlichen Tätigkeit, vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 11.12.2013, Az. B 6 KA 39/12, Rz. 14. Wie im Urteil des Sozialgerichts München vom 2.10.2018, Aktenzeichen S 38 KA 58/18, Rz. 17 ff, zutreffend ausgeführt wird, erhält ein Vertragsarzt die Zulassung für den Ort der Niederlassung, § 95 Abs. 1 Satz 5 SGB V, mit entsprechender Verpflichtung, den Versorgungsauftrag am Vertragsarztsitz zu erfüllen, nicht aber eine Zulassung zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst. Die Verpflichtung zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst ist in der Bereitschaftsdienstordnung der Beigeladenen zu 1 im Näheren ausgestaltet; gem. § 14 Abs. 1 S. 1 BDO-KVB besteht ab dem 62. Lebensjahr eine Befreiungsmöglichkeit auf Antrag. Der Bereitschaftsdienst stellt wie eben ausgeführt lediglich einen Annex zur vertragsärztlichen Tätigkeit dar.
Damit liegt zur Überzeugung des Gerichts eine Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit vor. Diese ist nicht nur dann gegeben, wenn überhaupt keine Behandlungsfälle abgerechnet werden, sondern auch dann, wenn die Anzahl der Behandlungsfälle wie hier im maßgeblichen Entscheidungszeitraum, vorliegend Quartal 3/2016 bis 8.10.2019, wie dargelegt unter 10 % des Fachgruppendurchschnitts liegt, vgl. Bayerisches Landessozialgericht, aaO, Rz. 73.
Der Kläger machte verfassungsrechtliche Gesichtspunkte geltend und bezog sich darauf, dass die Zulassungsentziehung nicht verhältnismäßig sei. Auch vom Beklagten wurden hier die Aspekte im Zusammenhang mit Art. 12 Grundgesetz erörtert. Aus Sicht des Gerichts ist darauf hinzuweisen, dass dem Kläger im Verwaltungsverfahren mehrere Jahre Zeit eingeräumt wurde, seine vertragsärztliche Tätigkeit den rechtlichen Vorgaben entsprechend auszuüben. Bereits im Jahre 2017 erhielt er entsprechende Hinweise, dass der Schwerpunkt der vertragsärztlichen Tätigkeit in der Praxistätigkeit liegen müsse und dementsprechend die Fallzahlen zu erhöhen seien. Wie den Fallzahlen zu entnehmen ist erfolgte hier mit Ausnahme des Quartals 4/2019, dessen Fallzahlen jedoch nur anteilig bis zum 8.10.2019 (Entscheidungszeitpunkt des Beklagten) herangezogen werden können, keine nennenswerte Erhöhung. Die niedrigen Fallzahlen bestehen seit dem Quartal 3/2016 und auch über den maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt 8.10.2019 hinaus, vgl. die vorgelegten Zahlen der Beigeladenen zu 1 bis zum Quartal 3/2023. Es handelt sich also nicht um eine nur vorübergehende Nichtausübung/Reduzierung der vertragsärztlichen Tätigkeit.
Auch persönliche Umstände wie finanzielle Absicherung der Familie, Erkrankung seiner Ehefrau, können bei der wie ausgeführt fortgesetzt sehr niedrigen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit keine Berücksichtigung finden. Gleiches gilt für den Vortrag des Klägers, er benötige die Kassenarztzulassung zur Absicherung seiner finanziellen Situation im Alter. Der Kläger wurde zuletzt nochmals in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass er am ärztlichen Bereitschaftsdienst auch als Poolarzt teilnehmen könne und hierfür eine kassenärztliche Zulassung keine Voraussetzung sei.
Das Gericht hat damit keinen Zweifel, dass die Entziehung der kassenärztlichen Zulassung im vorliegenden Fall verhältnismäßig ist. Aufgrund der bestehenden Sperrung des Vertragsarztbezirkes (aktueller Versorgungsgrad laut Versorgungsatlas der KVB: 113,61 %, Stand 31.01.2024) würde die Belassung der Zulassung beim Kläger zudem bewirken, dass ein weiterer Arzt, eine weitere Ärztin, der bzw. die die kassenärztliche Versorgung im vorgeschriebenen Umfang anbieten möchte, keine Zulassung für den Bezirk erhalten kann. Die Entziehung der Zulassung ist damit aus Sicht des Gerichts verhältnismäßig und erforderlich.
Die Klage war nach alledem abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.