(4.7.2024) Bewirbt sich ein Arzt um eine ausgeschriebene Zulassung und gibt er auch noch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Zulassungsausschuss nur eine Anschrift für Praxisräume an, die von vornherein nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht genutzt werden kann, so kann dieser Arzt im Zulassungsverfahren nicht berücksichtigt werden. Dem Arzt ist es dabei nicht gestattet, nach der Sitzung des Zulassungsausschusses eine andere Anschrift nachzureichen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.4.2024 - L 7 KA 4/22).
Der Fall:
Ein Kinderarzt aus Berlin beantragte im Jahr 2014 eine Sonderbedarfszulassung. Um nachzuweisen, dass er auch eine Praxis vorweisen kann, fügte er seinem Antrag bei eine Mietoptionsbescheinigung eines Vermieters für die geplanten Praxisräume am Standort "A S B". Nachdem sein Antrag auf Sonderbedarfszulassung abgewiesen wurde, zog er vor Gerich, um die Sonderbedarfszulassung zu bekomment. Während des laufenden Gerichtsverfahrens bewarb sich der Arzt im Jahr 2018 auf eine ausgeschriebene Zulassung. In dieser Bewerbung machte er im Feld „Praxisanschrift“ keine Angaben. Er verwies in seinem Antrag auf das seinerzeit anhängige gerichtliche Verfahren um die Sonderbedarfszulassung. Kurz darauf erhielt er die Sonderbedarfszulassung zugesprochen. Im Jahr 2020 verzichtete er aber auf die Sonderbedarfszulassung.
Die Kassenärztliche Vereinigung forderte den Kinderarzt im Sommer 2018 auf, einen vollständig ausgefüllten Zulassungsantrag und fehlende Unterlagen einzureichen. Der Kinderarzt antwortete, der Beklagte habe im Rahmen des Antrags aus dem Jahr 2013 alle notwendigen Bewerbungsunterlagen erhalten. Er bewerbe sich rechtlich gesehen nicht neu und müsse die Unterlagen nicht noch einmal schicken.
Mit E-Mail vom 2. August 2018 teilte der Kläger folgende Niederlassungsadresse mit: "A S B N".
Der Zulassungsausschuss erteilte dem Kinderarzt nach erfolgter Sitzung vom 15. August 2018 die ausgeschriebene Zulassung für die Praxis in der Adresse "A S B N".
Mit Schreiben vom 31. August 2018 wies der ein Mitbwerber den Zulassungsausschuss darauf hin, dass die vom Kläger angegebene Adresse A S B, nach Auskunft des Vermieters B G e.V. und der Hausverwaltung A für eine Praxis nicht zur Verfügung stehe.
Der Kinderarzt reichte schließlich eine Mietbestätiugung eines anderen Vermieters für eine andere Praxisimmobilie mit.
Der Zulassungsausschuss stimmte der Praxisänderung zu. Dagegen legte der Mitbewerber Widerspruch ein - der Kinderarzt habe bei seinem Zulasungsantrag falshce Angaben hinischtlich seiner Praxisadresse gemacht. Der Vermieter der Praxisräume "A S B" erklärte dem beklagten Beschwerdeausschuss, die Mietoption sei durch Zeitablauf untergegagngen und im Übrigen widerrufe er die Mietoption von 2014.
Der beklagte Berufungsausschuss wies daraufhin den Antrag des Kinderarztes auf Zulassung zurück und ließ stattdessen den Mitbewerber zu. Denn der Kinderarzt sei im Auswahlverfahren nicht zu berücksichtigen, weil er sich mit einer tatsächlich nicht bestehenden Mietoption beworben habe.
Die Klage des Kinderarztes gegen diese Entscheidung wurde vom Sozialgericht Berlin als unbegründet zurück gewiesen. Der Kinderarzt ging in Berufung.
Die Entscheidung:
Das Landessozialgericht wies die Berufung des Kinderarztes als unbegründet ab. Wenn ein Bewerber um einen Vertragsarztsitz auch noch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Zulassungsausschuss nur eine Anschrift für Praxisräume angebe, die von vornherein nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht genutzt werden könne, erfülle dies die Anforderungen des § 18 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV an die Angabe des Vertragsarztsitzes im Zulassungsantrag nicht und mithin sei dieser Bewerber im Zulassungsverfahren nicht berücksichtigungsfähig. Eine Nachholung der Angabe des Vertragsarztsitzes durch Benennung einer anderen Anschrift ist in einem solchen Fall nicht mehr möglich. Im vorliegenden Fall lag es auf der Hand, dass die 2014 erteilte Mietoption im Jahre 2018 keinen Bestand mehr haben konnte.
Die Praxisadresse könne nach dem Schluss der Sitzung des Zulassungsausschusses auch nicht ausgewechselt werden. Eine formlose Änderung des im Zulassungsantrag benannten Vertragsarztsitzes sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtsi (nur) möglich, wenn das als Vertragsarztsitz anvisierte Objekt nicht mehr zur Verfügung steht oder sich beabsichtigte Kooperationen mit Niedergelassenen zerschlagen, namentlich dann, wenn sich das Zulassungsverfahren über einen längeren Zeitraum hinzieht. Hier hatte sich das verfahhren aber nicht über längere Zeit hingezogen.
Das Sonderbedarfszulassungsverfahren aus 2014 und das spätere Zulassungsverfahren seien auch unterschiedliche Verfahren.
Praxisanmerkung:
Die Entscheidung ist inhaltlich richtig.
Es gelten also folgende Grundsätze für die Angabe der Praxisadresse im Zulassungsverfahren:
- Der sich um eine Zulassung bewerbende Arzt muss im Zulassungsantrag eine konkrete Adresse der geplanten Praxis angeben; die Angabe eines Bezirks oder eines Viertels ist nicht ausreichend
- Der Arzt geht den sichersten Weg, wenn er dem Zulassungsausschuss spätestens in der Sitzung eine Mietoptionsbescheinigung vorlegt (also eine Bestätigung eines Vermieters über die Bereitschaft, einen bestimmten Raum als Praxisraum an den Arzt zu vermieten zu wollen, wenn dieser den Zuschlag in dem Zulassungsverfahren erhält) (vgl. dazu etwa LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.11.2019 - L 7 KA 36/17)
- die Vorlage eines bereits unterzeichneten Mietvertrages ist dagegen nicht erforderlich (vgl. auch LSG Nds-Bremen, Urteil vom 24.2.2021 - L 3 KA 16/19) - ein Bewerber, der einen Mietvertrag besitzt, ist aber im Vorteil gegenüber einem, der keinen Mietvertrag besitzt
- dem Arzt ist es dagegen nicht gestattet, eine Praxisadresse erst nach der Sitzung des Zulassungsausschusses vorzulegen
- der Arzt kann die Adresse auch nach nicht dem Schluss der Sitzung des Zulassungsausschusses einfach austauschen gegen eine andere Adresse
English version:
(July 4, 2024) If a doctor applies for an advertised license and at the time of the oral hearing before the admissions committee he only provides an address for practice rooms that cannot be used from the outset based on general life experience, this doctor cannot be considered in the admissions process. The doctor is not permitted to submit a different address after the admissions committee meeting (Berlin-Brandenburg State Social Court, judgment of April 24, 2024 - L 7 KA 4/22).
The case:
A pediatrician from Berlin applied for a special needs license in 2014. To prove that he could also provide a practice, he attached a rental option certificate from a landlord for the planned practice rooms at the "A S B" location to his application. After his application for a special needs license was rejected, he went to court to obtain the special needs license. During the ongoing court proceedings, the doctor applied for an advertised license in 2018. In this application, he did not provide any information in the "practice address" field. In his application, he referred to the court proceedings pending at the time for the special needs license. Shortly afterwards, he was granted the special needs license. In 2020, however, he waived the special needs license. In the summer of 2018, the Association of Statutory Health Insurance Physicians asked the pediatrician to submit a fully completed application for authorization and missing documents. The pediatrician replied that the defendant had received all the necessary application documents as part of the 2013 application. From a legal point of view, he was not applying again and did not have to send the documents again.
In an email dated August 2, 2018, the plaintiff provided the following office address: "A S B N".
After a meeting on August 15, 2018, the admissions committee granted the pediatrician the advertised license for the practice at the address "A S B N".
In a letter dated August 31, 2018, a competitor informed the admissions committee that the address A S B given by the plaintiff was not available for a practice according to information from the landlord B G e.V. and the property management company A.
The pediatrician finally submitted a rental confirmation from another landlord for another practice property.
The admissions committee approved the change in practice. The competitor lodged an objection - the pediatrician had provided false information regarding his practice address in his application for admission. The landlord of the practice premises "A S B" explained to the defendant appeals committee that the rental option had expired due to the passage of time and that he was also revoking the rental option from 2014. The defendant appeals committee then rejected the pediatrician's application for approval and admitted the competitor instead. This was because the pediatrician was not to be considered in the selection process because he had applied with a rental option that did not actually exist. The pediatrician's complaint against this decision was dismissed by the Berlin Social Court as unfounded. The pediatrician appealed.
The decision:
The State Social Court dismissed the pediatrician's appeal as unfounded. If an applicant for a contract doctor's office only provides an address for practice rooms at the time of the oral hearing before the admissions committee, which cannot be used from the outset based on general life experience, this does not meet the requirements of Section 18 Paragraph 1 Sentence 2 of the Doctors' ZV for specifying the contract doctor's office in the application for admission and therefore this applicant cannot be considered in the admissions process. In such a case, it is no longer possible to subsequently specify the contract doctor's office by naming a different address. In the present case, it was obvious that the rental option granted in 2014 could no longer be valid in 2018.
The practice address could not be changed after the end of the admissions committee meeting. According to the case law of the Federal Social Court, an informal change to the contract doctor's office named in the application for approval is (only) possible if the property targeted as the contract doctor's office is no longer available or if intended cooperation with established practices falls apart, in particular if the approval process drags on for a longer period of time. In this case, however, the process did not drag on for a longer period of time.
The special needs approval process from 2014 and the later approval process are also different cases.
Practical note:
The decision is correct in terms of content.
The following principles apply to specifying the practice address in the approval process:
- The doctor applying for approval must provide a specific address of the planned practice in the application for approval; specifying a district or a quarter is not sufficient
- The doctor takes the safest route if he presents a rental option certificate to the admissions committee at the latest during the meeting (i.e. a confirmation from a landlord that he is willing to rent a certain room as a practice room to the doctor if he is awarded the contract in the admissions process) (see, for example, LSG Berlin-Brandenburg, judgment of November 13, 2019 - L 7 KA 36/17)
- On the other hand, it is not necessary to present a rental agreement that has already been signed (see also LSG Nds-Bremen, judgment of February 24, 2021 - L 3 KA 16/19) - an applicant who has a rental agreement has an advantage over one who does not have a rental agreement
- The doctor, on the other hand, is not permitted to present a practice address only after the admissions committee meeting
- The doctor can not simply exchange the address for another address even after the admissions committee meeting has not ended