Wird ein Patient erst am Abend vor einer lebenswichtigen, aber nicht akut indizierten Operation aufgeklärt und haben die Ärzte bereits umfangreiche operationsvorbereitende Maßnahmen getroffen, so ist die Aufklärung verspätet und der Patient hat deshalb Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 24.02.2009 - 8 U 103/08 -).

Aus dem Sachverhalt:

Der minderjährige Kläger war zur Korrektur eines Herzfehlers in einer Klinik der Beklagten operiert worden.
Die Aufklärung fand am Vorabend der Operation statt. Vorher trafen die behandelnden Ärzte bereits intensive Operationsvorbereitungen wie Ultraschalluntersuchungen und Blutabnahme. Auch wurde ein Herzkatheder wurde gelegt und der Kläger durch Monitore überwacht.
Der operative Eingriff verursachte schwere Hirnschäden bei dem Kläger.

Aus den Gründen:

Das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. bejaht einen Aufklärungsfehler und hat ein Schmerzensgeld in Höhe von 125.000,00 € wegen verspäteter Aufklärung zugesprochen.
Ein Behandlungsfehler lag nicht vor.
Der ärztliche Heileingriff war aber rechtswidrig, weil die Eingriffsaufklärung verspätet vorgenommen wurde. Über das Komplikationsrisiko hätten die Eltern des Klägers aus Sicht des Gerichts rechtzeitig vor dem Eingriff aufgeklärt werden müssen. Wörtlich führt das Gericht aus:

„Ein Patient muss vor einem Eingriff so rechtzeitig aufgeklärt werden, dass er durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahren kann.“

Die Wirksamkeit einer Einwilligung hängt allein davon ab, ob unter den jeweils gegebenen Umständen der Patient noch ausreichend Gelegenheit hat, sich innerlich frei zu entscheiden. Der Patient muss dazu ohne vermeidbaren Druck in die Lage versetzt werden, seine Entscheidung für oder gegen den Eingriff zu treffen. Die Eltern des Klägers wurden erst am Vorabend einer lebenswichtigen, aber nicht akut indizierten Herzoperation aufgeklärt und zwar nachdem bereits umfangreiche operationsvorbereitende Maßnahmen getroffen worden waren. Eine freie Entscheidung der Eltern des Klägers ohne zeitlichen Druck war den Eltern unter diesen Umständen nicht mehr möglich.

Diese Rechtsprechung entspricht den höchstrichterlichen Vorgaben des Bundesgerichtshofs, der dazu ausführt:

Bei operativen Eingriffen, die im Rahmen eines stationären Aufenthaltes durchgeführt werden sollen, muss die Aufklärung jedenfalls spätestens am Tag vor der stationären Aufnahme erfolgen (BGH, Urteil vom 25.03.2003 in MedR 2003, 567; Urteil vom 07.04.1992 – VI ZR 192/91 - in VersR 1992, 960). Ist der Patient nämlich erst einmal durch die stationäre Aufnahme in den Krankenhausbetrieb eingegliedert worden, hat er regelmäßig Hemmungen, sich noch gegen den Eingriff zu entscheiden (BGH, Urteil vom 14.06.1994  - VI ZR 178/93 - in NJW 1994, 3009).

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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