Die dreijährige Verjährungsfrist des Auskunftsanspruches nach § 84a AMG läuft bereits an, wenn dem Betroffenen die Umstände bekannt sind, die die Annahme begründen, dass seine Schädigung auf die Einnahme des Arzneimittels zurückzuführen ist; nicht erforderlich ist, dass er alle Einzelheiten kennt (OLG Stuttgart, Urteil vom 03.08.2010 - 1 U 12/10).

Im vorliegenden Fall klagte ein Patient, der das Medikament "VIOXX" eingenommen hatte, gegen den Hersteller Merck auf Erteilung von Auskünften über das Arzneimittel, die der Vorbereitung eines Schadensersatzanspruches wegen der Nebenwirkungen des Arzneimittels dienen sollten. Der Patient hatte im Jahr 2004 aus der Presse von der Gefährlichkeit des Arzneimittels und seiner Rücknahme aus dem Markt erfahren. Die Beklagte wandte ein, die Auskunftsansprüche seien verjährt.

Das OLG Stuttgart wies den Auskunftsanspruch als verjährt ab.

Es führt zur Begründung aus, dass der Auskunftsanspruch dazu diene, dem Geschädigten erst einmal die erforderlichen Erkenntnisse für die Erhebung eines Schadensersatzanspruchs nach § 84 AMG zu verschaffen. Daher müsse es für die Begründetheit des Auskunftserteilungsanspruchs genügen, dass der Geschädigte schlüssig zu einem begründeten Schadensverdacht vorträgt. Dem Richter, der über die Klage auf Schadensersatz nach § 84 AMG entscheidet, soll eine Plausibilitätsprüfung ermöglicht werden. Das OLG Stuttgart nimmt daher einen frühen Zeitpunkt der Erlangung der Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände an.

Im vorliegenden Fall der Einnahme von "VIOXX" hat das OLG Stuttgart es für ausreichend erachtet, dass der Geschädigte im Jahre 2004 von der Gefährlichkeit des Arzneimittels und dessen Marktrücknahme erfahren hat. Schon zu diesem Zeitpunkt waren dem Patienten die Umstände bekannt, die eine Verbindung zwischen seinen Beschwerden und der Einnahme von "VIOXX" zuließen.

Das OLG hat daher den erst im Jahre 2010 klageweise geltend gemachten 84a-Auskunftsanspruch als verjährt angesehen.



Näheres zum Thema VIOXX:

BGH zur Beweislast des Patienten, der nach Einnahme von VIOXX einen Herzinfarkt erlitt: 16.03.10 BGH

Hinweis:

Ist der Auskunftsanspruch verjährt, so kann der eigentliche Schadensersatzanspruch immer noch unverjährt sein. Denn dieser Anspruch verjährt erst in drei Jahren ab dem Zeitpunkt, ab dem der Geschädigte Kenntnis von dem arzneimittelverursachten Schaden und dem Schädiger hat oder aufgrund fahrlässiger Unkenntnis nicht hat.

Unklarheiten des Patienten darüber, ob es das Arzneimittel war, das seine Beschwerden auslöste, oder ob diese Beschwerden nicht etwa auf einer Fehldiagnose oder einer Fehldosierung beruhen, stehen dieser Verjährung entgegen, weil sie die notwendige Kenntnis des Geschädigten von Schaden und Schädiger behindern.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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