Die Datenbank RISKID.de soll Eltern die Möglichkeit nehmen, durch ein Springen von Arzt zu Arzt die Folgen von Kindesmißhandlungen zu verschleiern. Innerhalb der Datenbank können Ärzte Informationen über ihre Patienten austauschen. 

Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung heute berichtet, ist es Ärzten mit Hilfe der Plattform www.riskid.de nunmehr möglich, Verdachtsmomente und Befunde im Zusammenhang mit der Mißhandlung eines Kindes untereinander in einem geschlossenen System auszutauschen. Riskid (Riskio-Kinder-Informationssystem Deutschland) ist eine Datenbank für Ärzte, die als Modellprojekt schon seit 2007 in Duisburg genutzt wird. Am Mittwoch wurde Riskid nun für ganz Deutschland vorgestellt. Es fällt zeitlich zusammen mit einem Entwurf eines Kinderschutzgesetzes von Familienministerin Kristina Schröder (CDU), das unter anderem verpflichtende Hausbesuche, eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht bei der Information an Jugendämter und den verstärkten Einsatz von Familienhebammen vorsieht und am 1. Januar 2012 in Kraft treten soll.

Wie die F.A.Z. weiter berichtet, soll die Plattform nach Angaben der Riskid-Initiatoren - der Deutschen Kinderhilfe und des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) - es Ärzten unter Wahrung der Schweigepflicht ermöglichen, untereinander Daten über die kleinen Patienten auszutauschen. Auch ein häufiger Arztwechsel könne so festgestellt werden. Voraussetzung ist allerdings die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter der Kinder. Um Zugang zu den Informationen zu erhalten, müssen sich die Ärzte zunächst über riskid.de anmelden. Dann könne man zum Beispiel bei neuen Patienten in der Datei nachfragen, ob das Kind schon vorher von einem Arzt als "Risiko-Patient" eingeschätzt wurde, heißt es. Wenn das der Fall ist, kann der Arzt mit dem behandelnden Arzt in Verbindung treten. Die Patientendaten könnten allerdings nur von dem einstellenden Arzt verwaltet, aktualisiert oder gelöscht werden. Riskid funktioniere demnach wie eine "virtuelle Gemeinschaftspraxis". Institutionen wie Jugendämter oder Polizei haben nach den Angaben keinen Zugriff auf das System. Auskünfte an das Jugendamt oder Strafverfolgungsbehörden dürften nur nach den gesetzlichen Vorgaben erfolgen.

Das System habe in Duisburg bereits Erfolge gezeigt. Problematisch ist allerdings, dass die Nutzung bisher noch die Einwilligung der Eltern voraussetzt. Diese werden die mißhandelnden Eltern aber in der Regel nicht geben wollen. Datenschützer stehen der Plattform skeptisch gegenüber; sie sehen die Rechte der Patienten gefährdet.

Ein Arzt ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Dies gilt auch im Verhältnis zu anderen Ärzten. Ein Arzt, der ohne Einwilligung des Patienten - in diesem Fall der Eltern, die das Sorgerecht inne haben - Daten weitergibt, begibt sich strafrechtlich und auch berufsrechtlich auf dünnes Eis.

Der betreffende Arzt kann aber Maßnahmen zu seinem eigenen Schutz ergreifen. Voraussetzung dafür ist eine geschickte Dokumentation seines Befundes in der Krankenakte. Dazu kann er z.B. wie folgt in seiner Behandlungsakte dokumentieren:

"Patient weist folgende Verletzungen auf: frische Hämatome an ..., sowie ältere Schnittverletzung am ...
Mutter gibt dazu an: Treppensturz ... / Sehschwäche ...
Verletzungsmuster sind mit Begründung nicht in Übereinstimmung zu bringen: Verletzungsbild passt nicht zu Befund. Kind verstört/kontaktscheu...
Aus Gesamtbild des Kindes konkreter Verdacht auf Mißhandlung durch stumpfe Gewalteinwirkung"

Dazu sollte er idealerweise ein, zwei Fotos machen (das geht heute mit jedem Handy schnell und kann auch unbemerkt von den Eltern gemacht werden).

Da die Rechtsprechung dem Arzt einen weiten Spielraum bei der Beurteilung des Zustandes des Patienten erlaubt (dies war z.B. bei Fällen der Einschätzung einer Suizidgefahr bei psychisch kranken Patienten der Fall), ist der Arzt dann bei der Weitergabe von Geheimnissen nach § 34 StGB geschützt, wenn er seinen konkreten Verdacht anhand von Tatsachen dokumentiert. Dieses ärztliche Urteil muß nur vertretbar sein. Ein Gericht wird in einem lange Zeit danach erfolgendem Strafverfahren sich kaum über dieses tagesaktuelle und fachkundige Urteil hinwegsetzen. Bei einer solchen Dokumentation in der Behandlungsakte bezweifle ich bereits, ob ein Staatsanwalt überhaupt Anklage erheben würde.

Der Arzt kann hier einen Geheimnisverrat gegenüber einem anderen Arzt auch immer mit der im Strafrecht als Rechtfertigungsgrund anerkannten sog. "mutmaßlichen Einwilligung" des Kindes zu rechtfertigen versuchen. Denn die Weitergabe von Informationen durch Angabe des entsprechenden ICD-Schlüssels an einen anderen Arzt oder den riskid-Ärzte-Pool ist im vermeintlichen Interesse des betroffenen Kindes. Wendet ein Arzt im Strafverfahren ein, dass er im vermeintlichen Interesse und Einverständnis des Kindes gehandelt hat (und ist sein konkreter Mißhandlungsverdacht entsprechend sauber dokumentiert), stellt dies eine hohe Hürde für eine Verurteilung des Arztes nach § 203 StGB dar.

Hat der Arzt den konkreten Verdacht einer Mißhandlung und hat er dies entsprechend dokumentiert in seiner Behandlungsakte, kann er auch sogleich an das Jugendamt herantreten. Diese Weitergab der Patientendaten ist dann - wie diejenige gegenüber deinem anderen Arzt - gerechtfertigt.

In Anbetracht der - durch mehrere Fälle von Kindesmißhandlungen mit Todesfolge in der Tagespresse ausgelösten - hohen Sensibilität der Gesellschaft für die Problematik, sehe ich ohnehin nur ein geringes Verfolgungsinteresse auf Seiten der Staatsanwaltschaft.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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