(2.12.2012) Durch das neue Patientenrechtegesetz werden die Regelungen des ärztlichen Behandlungsvertrages und der Arzthaftung in das BGB übernommen. Das schafft Klarheit für den Patienten. Zugleich werden die Rechte des Patienten gestärkt.

Behandlungsfehler: Hilfe durch gesetzliche Krankenkasse bei Fehlersuche (§ 66 SGB V)

Nunmehr müssen die Krankenkassen den Patienten helfen, einen Behandlungsfehler zu ermitteln, wenn der Patient der Versicherung zuvor einen konkreten Verdacht schriftlich mitgeteilt hat. Dadurch können insbesondere diejenigen Patienten, die nicht die finanziellen Mittel haben, einen Anwalt zu beauftragen, kostenfrei zu einer fachkundigen medizinischen Einschätzung ihrer Behandlung gelangen. Denn die Krankenkassen beauftragen dann den sogenannten Medizinischen Dienst der Krankenkassen mit der Prüfung der Frage eines Behandlungsfehlers. Wichtig ist, dass der Patient den Verdacht möglichst konkret benennt (z.B. fehlerhafte Hüftprothese, weil Allergie gegen Prothesenmaterial nicht beachtet).

Die wirtschaftliche Aufklärungspflicht des Arztes (§ 630 b BGB)

In der Regel zahlen Patienten nicht selbst für ihre Behandlung, sondern diese Kosten werden ganz oder zum Teil von Dritten, insbesondere gesetzlichen Krankenversicherungen übernommen. Der Patient weiss regelmäßig nicht, welche Kosten nicht erstattet werden. Der Arzt weiss es in der Regel auch nicht genau, aber zumindest oft besser als der Patient. Daher hat der Gesetzgeber dem Arzt hier schriftliche Aufklärungspflichten auferlegt: Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist, oder ergeben sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren. Voraussetzung ist insoweit, dass der Behandelnde positive Kenntnis von der Unsicherheit der Kostenübernahme durch einen Dritten hat. In diesem Fall muss der Behandelnde die voraus- sichtliche Höhe der Behandlungskosten beziffern. Diese Information ist notwendig, damit der Patient die wirtschaftliche Tragweite seiner Entscheidung überschauen kann. Der positiven Kenntnis des Behandelnden steht es gleich, wenn sich aus den Umständen hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist. Verletzt der Arzt diese Aufklärungspflichten, kann der Patient die Zahlung des Honorars verweigern, deren Ausgleich die Krankenversicherung abgelehnt hat.  

Bei privat krankenversicherten Patienten liegt es dagegen grundsätzlich im Verantwortungsbereich der Patienten, Kenntnisse über den Inhalt und Umfang des mit der Krankenversicherung abgeschlossenen Versicherungsvertrages zu haben. Etwas anderes muss allerdings dann gelten, wenn Behandelnde auch im Verhältnis zu einem privat krankenversicherten Patienten einen Informationsvorsprung haben. Dies ist insbesondere bei sogenannten Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) der Fall. Hier hat der Arzt den Patienten vorab in Textform über die Kosten zu informieren. Zugleich entspricht es auch der Pflicht des Patienten als mündigem Vertragspartner, vorab bei der Versicherung eine vorherige Kostenzusage-/Übernahmebestätigung einzuholen.

Haftungsfragen (§ 630 g BGB)

Nunmehr wird gesetzlich festgeschrieben, dass der Befunderhebungsfehler zu einem groben Behandlungsfehler führt: Wenn es der Arzt unterlässt, einen medizinisch gebotenen Befund rechtzeitig zu erheben oder zu sichern, soweit der Befund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis erbracht hätte, das Anlass zu weiteren Maßnahmen gegeben hätte, und wenn das Unterlassen solcher Maßnahmen grob fehlerhaft gewesen wäre. Mit anderen Worten: Unterlässt der Arzt eine medizinisch gebotene Untersuchung (z.B. Blutuntersuchung, CT, Röntgen) und hätte sich dabei ein Befund ergeben, der ein Eingreifen erforderlich gemacht hätte, so ist dies ein schwerer Fehler, der zur Haftung des Arztes führt.

Hat der Behandelnde eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme und ihr Ergebnis entgegen § 630f Absatz 1 oder Absatz 2 nicht in der Patientenakte aufgezeichnet oder hat er die Patientenakte entgegen § 630f Absatz 3 nicht aufbewahrt, wird vermutet, dass er diese Maßnahme nicht getroffen hat. Wer also wesentliche Maßnahmen nicht vermerkt, muss sich so behandeln lassen, als ob diese Maßnahme nicht durchgeführt wurde. Der Arzt kann dies dann nur noch z.B. durch Zeugen zu beweisen suchen, was aber erfahrungsgemäß schwierig ist.
Ist der Arzt nicht hinreichend qualifiziert, um die Behandlung zuzuführen, wird vermutet, dass der Schaden des Patienten auf seiner Behandlung beruht. Bei medizinischen Behandlungen durch Berufsanfänger wird vermutet, dass die mangelhafte Qualifikation für den Eintritt der Gesundheitsschädigung ursächlich war.

Fehlende Kostenzusage der Kasse: Selbsthilferecht des Patienten verstärkt (§ 13 SGB V)

Hat der Patient eine medizinisch gebotene Leistung erbeten, kann er diese auch ohne konkrete Zusage der gesetzlichen Krankenversicherung auf deren Kosten durchführen lassen, wenn die Kasse bestimmte Fristen überschritten hat:
Kann eine Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen nicht innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, nicht innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang entscheiden, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes nach Satz 1, können Leistungsberechtigte der Krankenkasse eine angemessene Frist für die Entscheidung über den Antrag mit der Erklärung setzen, dass sie sich nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst beschaffen. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der Kosten in der entstandenen Höhe verpflichtet.

Fazit:

Die Rechte des Patienmten werden durch dieses Gesetz gestärkt, wenn auch nicht in dem Maße, wie es von Patientenvertretern gefordert wurde. Insbesondere die neue Pflicht der Krankenkassen, Behandlungsfehler zu ermitteln, stärkt die Rechte des Patienten erheblich.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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