Selbst wenn ein Arzt sein Richtgrößenvolumen für Heilmittel mehrfach überschritten hat, darf ein weiterer Regress gemäß § 106 Abs. 5e SGB V erst nach erfolgter Beratung des Arztes festgesetzt werden (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.02.2013 - L 5 KA 222/13 ER-B - ).

Ein Heilmittelregress kam für Ärzte in der Vergangenheit oft "aus heiterem Himmel". Daraus ergab sich eine für Ärzte bedrohliche wirtschaftliche Situation, weil ein solcher Regress nicht vorhersehbar war. Der Gesetzgeber hat zum 1.01.2012 § 106 Abs. 5e SGB V eingeführt, um diese Situation zu vermeiden. Das LSG Baden-Württemberg hat nun klar gemacht, dass diese Norm auch dann eingreift, wenn der Arzt in der Vergangenheit bereits mehrfach sein Richtgrößenvolumen überschritten hat.

Der Vertragsarzt wehrte sich mit einer Klage gegen einen Regress, den die Prüfstelle aufgrund einer Überschreitung seines Richtgrößenvolumens für Heilmittel des Jahres 2008 festgesetzt hatte. Für 2006 und 2007 waren bereits zwei Regresse gegen den Arzt festgesetzt worden. Eine Beratung wegen der Richtgrößenüberschreitung hatte aber in der Vergangenheit nicht stattgefunden.
Dagegen klagte der Arzt. Damit der Regressbetrag nicht eingezogen werden kann, hat der Arzt zugleich vor dem SG Stuttgart beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Dieser Antrag wurde vom SG Stuttgart abgelehnt. Das SG Stuttgart begründete dies wie folgt: Der Grundsatz „Beratung vor Regress“ gelte nur bei einer erstmaligen Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 %. Dies sei bei dem Arzt nicht der Fall, weil er bereits zwei Regresse erhalten hatte.

Der Arzt legte gegen die Ablehnung des Antrags auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung Beschwerde ein und gewann vor dem LSG. Aus Sicht des LSG sei unerheblich, ob die Richtgrößen in der Vergangenheit mehrfach überschritten wurden. Nach der eindeutigen Fassung des § 106 Abs. 5e SGB V dürfe ein Regress erst festgesetzt werden, wenn im Prüfzeitraum zuvor eine Beratung des Vertragsarztes erfolgt sei. Als erstmalige Überschreitung des Richtgrößenvolumens könne nach der neuen Rechtslage nur diejenige Überschreitung angesehen werden, die erstmals mit einer Beratung geahndet werde. Da gegen den Kläger bisher nur Regresse ausgesprochen wurden, jedoch 2006 und 2007 keine Beratung erfolgte, sei der Regress für das Jahr 2008 rechtswidrig gewesen. Das LSG ergänzte, dass die schriftliche Begründung eines Regressbescheides in keiner Weise als "Beratung" im Sinne von § 106 Abs. 5e SGB V anzusehen sei.

Auch das Hauptsacheverfahren vor dem SG Stuttgart wurde am 21.11.2013 zugunsten des Arztes entschieden.

Anmerkung:
Die Entscheidung klärt den Inhalt dieser für den Arzt wichtigen Norm. Die Position des Arztes wird gestärkt. Der Arzt hat dadurch die Möglichkeit, nach einer Beratung sein Verordnungsverhalten anzupassen und so einen für ihn belastenden Regress bereits von Anfang an zu vermeiden.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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