Bei einer Meniskusläsion eines Kindes ist die Meniskusnaht die Behandlungsmethode der Wahl und nicht die teilweise Entfernung. Wird gleichwohl der Meniskus teilweise entfernt, stellt dies einen groben Behandlungsfehler dar, der - wegen des Risikos einer späteren Kniearthrose - ein Schmerzensgeld von EUR 2.500 rechtfertigt (Thüringisches OLG, Urteil vom 12.06.2012 - 4 U 634/10).

 Urteil:

Die Berufung der Beklagten (Klinik) gegen das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 23.06.2010 – Az.: 3 O 794/08 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen eines (streitigen) ärztlichen Behandlungsfehlers bei einer arthroskopischen Meniskusoperation auf Schadensersatz in Anspruch.

Am 05.05.2005 verletzte sich die damals 15-jährige (am 12.04.1990 geborene) Klägerin beim „In-die-Knie-Gehen“ in der Dusche. Sie verspürte einen plötzlichen starken Schmerz im linken Knie.

Am folgenden Tag, dem 06.05.2005 konsultierte die Klägerin den Facharzt für Orthopädie Dr. med. M., der eine Überweisung an die Beklagte mit der Verdachtsdiagnose „Läsion des medialen Meniskus“ ausstellte.
Am 09.05.2005 erfolgte die Aufnahme bei der Beklagten; am 23.05.2005 dann die minimal-invasive (arthroskopische) Operation.

Der OP-Bericht (Anlage B2, Anlagenheftung der Beklagten) beschreibt einen eingeschlagenen Korbhenkelriss des medialen Meniskus. Weil es dem operierenden Arzt – dem Arzt in Weiterbildung (AIW) A. – nicht gelang, „den nach interkondylär luxierten, abgerissenen Meniskusanteil mit dem Tasthaken in den Gelenkspalt zu reponieren“, wurde der luxierte Anteil durchtrennt. Hiernach gelang es dem AIW A. zwar, das dorsale Stück, das sog. Hinterhorn des luxierten Meniskus zu reponieren; nicht jedoch, es auch zu entfernen. Deswegen übernahm die zunächst nur assistierende, bzw. den AIW A. anleitende Fachärztin Dr. K. die weitere Operation und entfernte von dem abgetrennten dorsalen Anteil ein ca. 1 cm langes Stück. Anschließend erfolgte die Durchtrennung des ventralen Anteils. Der Versuch, auch das abgetrennte ventrale Stück zu entfernen, misslang jedoch, da es sich in den Hoffaschen Fettkörper eingeschlagen hatte. Deshalb wurde als dritter (und letzter) Operateur der Oberarzt Dr. Sch. hinzugerufen, welcher eine partielle Resektion des Fettkörpers durchführte. Im Anschluss dirigierte er das losgelöste Meniskusvorderhorn in den oberen Gelenkspalt und entfernte es von dort aus.

Nachdem sie zunächst nur eine nicht hinreichende Aufklärung über die Risiken und Alternativen der arthroskopischen Behandlung behauptet und (nur) ein angemessenes Schmerzensgeld gefordert hat, hat die Klägerin im weiteren Verlauf der ersten Instanz, nämlich mit noch an diesem Tag rechtshängig gewordener Klageerweiterung v. 27.04.2009 auch eine fehlerhaft durchgeführte Operation behauptet und deshalb neben dem Schmerzensgeld auch die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für zukünftige materielle wie immaterielle Schäden aus der fehlerhaften Operation begehrt.

Der Meniskus – so die Begründung der Klägerin – habe nicht teilweise (im sog. Korbhenkel) entfernt werden dürfen; vielmehr hätte er angenäht (refixiert) werden müssen. Mit einer Meniskusnaht wäre das Knie nach dem erforderlichen Ausheilungsprozess wieder vollständig beug- und belastbar gewesen. Die nun wegen der fehlerhaft unterlassenen Meniskusnaht drohende Kniearthrose wie auch mögliche Knorpelschäden der Oberschenkelrolle und des Schienbeinkopfes seien vermeidbar gewesen.

Die Beklagte hat sich in Bezug auf den – im zweiten Rechtszug allein noch streitgegenständlichen – Vorwurf des Behandlungsfehlers schon in erster Instanz im Wesentlichen mit drei Argumenten verteidigt:

Die Operation sei lege artis durchgeführt worden. Intraoperativ habe sich die Situation so dargestellt, dass eine Korbhenkelnaht des Innenmeniskus nicht habe erfolgen können. Der Meniskus sei nicht an der Basis (in der sog. rot-roten oder auch nur rot-weißen Zone), sondern im avaskulären Bereich (in der sog. weiß-weißen Zone) abgerissen gewesen; hier sei eine Meniskusnaht regelmäßig nicht Erfolg versprechend. Im Übrigen seien bei der Klägerin keine auf die Operation zurückzuführenden Beschwerden zurückgeblieben, sondern nur solche, die auf die degenerative Grunderkrankung (Chondropathia patellae) zurückzuführen seien. Schließlich hat die Beklagte auch noch Verjährung eingeredet.

Im Ergebnis des Sachverständigengutachtens des Dr. med. B. (Chefarzt der Klinik für Orthopädie … GmbH) hat das Landgericht der Klägerin ein Schmerzensgeld von 2.500 € zugesprochen und auch ihrem Feststellungsantrag entsprochen; das darüber hinausgehende Schmerzensgeldverlangen auf zumindest weitere 6.500 € hat es hingegen abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Beklagte hafte der Klägerin zwar wegen eines Behandlungsfehlers, nicht aber (auch) unter dem Aspekt eines Aufklärungsmangels.
Die streitgegenständliche Knieoperation sei fehlerhaft durchgeführt worden. Bei einem so jungen Menschen wie der Klägerin sei zumindest der Versuch einer Meniskusnaht zwingend gewesen. Dafür, dass der Korbhenkelriss in der blutgefäßfreien weiß-weißen Zone – und damit in einem für eine Naht wenig erfolgversprechenden Bereich – gelegen habe, spräche nichts; vieles aber dafür, dass er sich in der regelmäßig Erfolg versprechenden Rot-Rot-Zone befunden habe. Da nicht einmal der Versuch einer mit hoher Wahrscheinlichkeit (in der Rot-Rot- oder zumindest Rot-Weiß-Zone) erfolgreichen Meniskusnaht unternommen worden sei, sei der Behandlungsfehler als grob zu bewerten.

Weil der Klägerin jedoch über den Primärschaden, nämlich die unnötige Teilresektion des Meniskus hinaus keine Sekundärschäden zugefügt worden seien, die von ihr beklagten postoperativen Beschwerden vielmehr ausschließlich Folge der Chondropathia patellae seien, bzw. – was die dreimonatige Nachbehandlungsphase anbelange – auch bei einer behandlungsfehlerfreien Operation aufgetreten wären, stünde der Klägerin nur für den Primärschaden ein mit 2.500 € zu bemessendes Schmerzensgeld zu.

Der Schmerzensgeldanspruch wie auch der auf zukünftige Schäden gerichtete, mit Blick auf eine drohende verfrühte Verschleißkrankheit (Arthrose) begründete Feststellungsanspruch seien nicht verjährt. Dass die Klägerin schon im Jahr 2005 Kenntnis von einer (vermutlich) fehlerhaften Meniskusteilresektion gehabt habe, sei weder ersichtlich, noch von der Beklagten vorgetragen.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 25.06.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22.07.2010 Berufung eingelegt und diese – nach Fristverlängerung bis dahin – am 27.09.2010 begründet.
Ziel der Berufung ist die gänzliche Klageabweisung nun in der zweiten Instanz. Gestützt ist das Rechtsmittel im Wesentlichen auf folgende (drei) Rügen:
Zu Unrecht habe das Landgericht einen groben Behandlungsfehler angenommen. Tatsächlich habe die Klägerin nicht einmal einen einfachen Behandlungsfehler nachgewiesen. Der Sachverständige habe einen Riss in der rot-roten, oder auch nur der rot-weißen Zone ohne plausible Begründung lediglich vermutet; habe sein Gutachten also – die gegenteilige Aussage der als Zeugin vernommenen Dr. K. nicht berücksichtigend – auf der Grundlage falscher Anknüpfungstatsachen erstellt. Schon allein deshalb seien die dem Sachverständigen folgenden Feststellungen des Landgerichts falsch; im Übrigen sei das Gutachten aber auch in der Sache wegen nicht haltbarer Aussagen (Meniskusnaht müsse immer versucht werden) unbrauchbar.

Fehlerhaft sei aber auch schon der Zuspruch eines Schmerzensgeldes an sich. Fühlbare Beeinträchtigungen, die auf die Operation und nicht die eigenständige Grunderkrankung zurückzuführen seien, habe die Klägerin nicht. Ein Schmerzensgeld stünde ihr daher – jedenfalls derzeit – gar nicht zu. Der auf die Annahme eines groben Behandlungsfehlers gestützte Leistungs- wie auch Feststellungsanspruch sei schließlich jedenfalls verjährt, denn in nicht verjährter Zeit habe die Klägerin lediglich eine (streitige) fehlerhafte Aufklärung geltend gemacht.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt – das landgerichtliche Urteil verteidigend –

die Berufung zurückzuverweisen.

Der Senat hat den Sachverständigen Dr. B. ergänzend angehört und auch die Zeugin Dr. K. nochmals, bzw. ihre Kollegen A. und Prof. Dr. Sch. erstmals vernommen. Wegen des Ergebnisses der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme wird auf die Verhandlungsprotokolle vom 29.11.2011 (II/362ff.) und 15.05.2012 (II/386ff.) Bezug genommen.

II.
Die in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung ist zulässig. Sie hat aber nach dem Gesamtergebnis der erst- und zweitinstanzlichen Beweisaufnahme keinen Erfolg. In Würdigung des in zweiter Instanz ergänzten (vervollständigten) Beweisergebnisses erweist sich die mit der Berufung angefochtene Teil-Klagestattgabe als zutreffend. Der Klägerin steht das vom Landgericht zugesprochene Schmerzensgeld ebenso zu, wie es gegen den Feststellungsausspruch nichts zu erinnern gibt.
Wegen des einheitlichen (totalen) Krankenhausaufnahmevertrages mit der Klägerin haftet die Beklagte für die grob fehlerhafte (wird ausgeführt) Meniskusoperation sowohl aus Vertrag (§ 280 BGB), als auch daneben aus Delikt (§ 831 BGB); beide Ansprüche der Klägerin stehen in echter Anspruchskonkurrenz.

Für die Frage der Haftung des Krankenhausträgers spielt indes regelmäßig – so auch hier – der Vertragsanspruch die entscheidende Rolle, da er die Exculpationsmöglichkeit für den ärztlichen Verrichtungsgehilfen nicht kennt. Auf der Vertragsebene kommt es allein darauf an, ob die ärztliche Behandlung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§§ 276 Abs. 2, 278 BGB) entsprach, die sich nach dem medizinischen Standard des jeweiligen Fachgebiets zum Zeitpunkt der Behandlung richtet. Haftungsbegründend ist also ein Verstoß gegen die im speziellen Fall bestandene objektive ärztliche Berufspflicht; auf ein subjektives Verschulden (Vertretenmüssen) des Arztes kommt es hingegen nicht an, weil § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB im Arzthaftungsrecht nicht ohne Weiteres anwendbar ist.
Dies voraus geschickt, stellt sich die am 23.05.2005 arthroskopisch, also minimal-invasiv durchgeführte Knieoperation in Gesamtwürdigung der erst- und zweitinstanzlichen Beweisaufnahme für den Senat als behandlungsfehlerhaft dar.

Überzeugend hat der Sachverständige Dr. B. für den aktuellen, wie auch den hier geschuldeten fachärztlichen (orthopädischen) Standard des Jahres 1995 ausgeführt, das Nähen eines gerissenen Meniskus sei deshalb der Resektion (Entfernung) vorzuziehen, weil selbst dann, „wenn die Naht nur wenige Jahre hält, wenigstens für diesen Zeitraum die Arthrosegefahr hinausgeschoben wird, die bei einer Meniskusresektion mit fast 100 % in späteren Jahren droht“. Deshalb sei die Meniskusnaht, die schon in den neunziger Jahren eine hohe langfristige Erfolgsquote von 75 % gehabt habe, damals wie heute „Stand der Technik“, also der anzustrebende Goldstandard.

Mit der Lage des Risses im avaskulären, also blutgefäßfreien weiß-weißen Bereich könne sich die Beklagte – so der Sachverständige weiter – schon deshalb nicht entschuldigen, weil bei einer kindlichen Meniskusläsion wie hier „eine Versorgung mit einer Naht auch dann sinnvoll wäre, wenn der Riss im avaskulären Bereich gewesen wäre“. Zudem habe der Pathologe in seinem Bericht über die entfernten Meniskusanteile auf „Schleiminseln“ hingewiesen; solche „Schleiminseln“ befänden sich aber immer in „Kapselnähe und damit im rot-roten Bereich“.

Letztlich kann mit den insgesamt überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen aber dahin stehen, ob bei Kindern und Jugendlichen – anders als bei Erwachsenen – auch Läsionen im avaskulären weiß-weißen Bereich mit guten Heilungschancen genäht werden können. Der entscheidende Fehler, der dem ärztlichen Personal der Beklagten vorzuwerfen ist, liegt nämlich darin, dass der nach interkondylär eingeschlagene Meniskus nicht reponiert wurde, bevor vorschnell und übereilt zur Resektion geschritten wurde. Die Reposition (Zurücklegung, Wieder-in-die-ursprüngliche-Lage-bringen) des Meniskus hat der Sachverständige als zwingende Voraussetzung für eine Bewertung des Schadens und der Wahl des (weiteren) operativen Behandlungsvorgehens bewertet; was er gut nachvollziehbar und einleuchtend in seiner zweitinstanzlichen Anhörung vom 29.11.2011 wie folgt näher begründet hat:

„Zunächst hätte der Meniskus reponiert werden müssen und dann hätte man prüfen müssen, wie der Zustand des abgerissenen Teiles zu bewerten ist. Es ist also so, dass Voraussetzung für die Einschätzung, ob sich eine Naht lohnt, ist, dass der Meniskus reponiert wird. Wenn der Meniskus, wie hier, eingeschlagen ist, dann dreht er sich und das bedeutet, es besteht gar nicht die Möglichkeit zu beurteilen, in welcher Zone sich der Riss befindet. Das kann man nicht beurteilen per Sicht. Eine Aussage über die Lage des Risses vor Reposition war also nicht möglich. Der Aussage (der in erster Instanz vernommenen Zeugin Dr. K. entnehme ich, dass hier eine Beurteilung des Rissbereiches vor der Resektion nicht erfolgt ist, sondern man ohne genaue Kenntnis der Lage des Risses zur Tat geschritten ist.“

Der Senat hat auf Grund dieser (ergänzenden) Ausführungen des Sachverständigen keine Zweifel, dass die unterlassene, hier zwingend gebotene Reposition des Meniskus einen groben Behandlungsfehler darstellt. Als grob wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Behandlungsfehler bewertet, wenn ein Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstößt und dadurch einen Fehler begeht, der einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf; es sich also im Ergebnis um einen nicht mehr vertretbaren Fehler handelt (vgl. BGHZ 159, 48, 53; seitdem ständige Rechtsprechung).

So liegt der Fall hier. Die Reposition des eingeschlagenen Meniskus war mit den einleuchtenden Ausführungen des Sachverständigen erforderlich, um die Lage des Risses beurteilen zu können und so eine auf sicherer Befundlage beruhende Entscheidung über das weitere operative Vorgehen treffen zu können. Da sich die beiden Alternativen (Meniskusnaht oder Resektion) im Risikopotential deutlich unterscheiden, steht außer Frage, dass reponiert werden musste. Lag der Riss – wofür im Nachhinein mit den auch insoweit absolut überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen der pathologische Befund spricht – in einem mit Blutgefäßen versehenen rot- roten oder rot-weißen Bereich, bestand in jedem Fall, d.h. unabhängig vom jugendlichen Alter der Klägerin eine gute Heilungschance für eine Meniskusnaht und damit nicht nur die Chance, den Meniskus weitgehend zu erhalten, sondern zugleich auch eine gute Chance, der Klägerin das im Resektionsfall fast hundertprozentige Risiko einer frühzeitigen Kniearthrose zu ersparen. Dass die Klägerin diesem erheblichen Risiko ohne Not, ja leichtfertig ausgesetzt wurde, indem das ärztliche Personal der Beklagten – mit den Worten des Sachverständigen – „ohne genaue Kenntnis der Risslage einfach zur Tat (Resektion) geschritten ist“, ist unverständlich und nicht mehr vertretbar.

An dieser Bewertung ändert auch das Ergebnis der vom Senat am 15.05.2012 durchgeführten ergänzenden Zeugenvernehmung nichts. Dass es dem Zeugen A. nicht gelungen ist, den nach interkonylär eingeschlagenen gerissenen Korbhenkel mit dem Tasthaken zu reponieren, ist haftungsrechtlich (noch) nicht zu beanstanden. Im Vorfeld sprach nicht zuletzt wegen des jugendlichen Alters der Klägerin nichts für eine besonders schwierige Operation. Mit degenerativen Veränderungen des Meniskus oder anderen Schwierigkeiten war nicht zu rechnen. Deshalb stellt es noch keinen haftungsrechtlich relevanten Fehler dar, dass der Zeuge A. die Operation begonnen hat. Der gegenüber der Klägerin geschuldete Facharzt war in Person der Zeugin Dr. K. von Anfang an dabei, wenn auch zunächst nur zur Anleitung und Kontrolle des Zeugen A.. Mit Blick auf den erwarteten (einfachen) Routineeingriff gibt es hiergegen nichts zu erinnern; ein Organisationsverschulden der Beklagten liegt hierin nicht.

Unverständlich bleibt jedoch auch in Würdigung ihrer zweitinstanzlichen Aussagen, warum die Zeugen A. und Dr. K. dann ohne weitergehende Repositionsversuche sogleich zur Resektion des Meniskus geschritten sind. Wie der über eigene jahrzehntelange praktische Erfahrungswerte verfügende Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, sollte es „einem erfahrenen Arthroskopeur mit dem stumpfen Trokar und entsprechenden Repositionsmanövern immer möglich sein, den Meniskus zu reponieren“. Mit anderen Worten: Objektiv unmöglich war die Reposition auch in dem hier vorliegenden Fall nicht; sie war eben nur nicht ganz einfach. Der sich erst intraoperativ als schwierig herausstellenden Aufgabe waren der Zeuge A. und auch die den geschuldeten Facharztstandard verkörpernde Zeugin Dr. K. offensichtlich nicht gewachsen. Dass sie neben dem vergeblich eingesetzten Tasthaken auch den (erfolgversprechenderen) Trokar zum Einsatz gebracht haben, kann nach dem eindeutigen Wortlaut des OP-Berichts ausgeschlossen werden. Eine dem zuwiderlaufende verlässliche Erinnerung an einen tatsächlich stattgefundenen Trokareinsatz hatten beide hiernach befragten Zeugen nicht, sodass sich die Beklagte an dem vom Zeugen A. gefertigten OP-Bericht festhalten lassen muss.

Noch schwerer als der somit feststehende Fehler des ungenügenden Einsatzes geeigneter arthroskopischer Instrumente wiegt aber der insbesondere an die Zeugin Dr. K. als (zunächst) verantwortliche Fachärztin gerichtete Vorwurf, den erfahrenen Oberarzt – den Zeugen Prof. Dr. Sch. – erst dann hinzugezogen zu haben, als sich – so dessen Formulierung – „die Frage der Reposition gar nicht mehr stellte“. Dass die Zeugin Dr. K.den ihr im Erfahrungshorizont deutlich überlegenen Zeugen Prof. Dr. Sch. erst herbeigerufen hat, als der Meniskus schon durchtrennt und in Teilen sogar bereits entfernt war, erachtet der Senat als unverständliche, ja unvertretbare Fehlentscheidung.

Die von der Zeugin ins Feld geführte Entschuldigung, der Korbhenkelriss müsse schon mehrere Wochen alt gewesen sein, er sei teilweise wieder verwachsen und deshalb objektiv nicht zu reponieren gewesen, verfängt nicht. Einen solchen Verwachsungs-, bzw. Einwachsungsprozess hat der Sachverständige mit der Folge eindeutig ausgeschlossen, dass es bei dem Vorwurf bleibt, dass die zwingend gebotene Reposition nicht mehr vertretbar unterblieben ist.

Damit stellt sich die Frage der Kausalität zum Primärschaden nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eigentlich nicht mehr. Denn steht – wie hier – ein grober Behandlungsfehler fest, hat sich zu Gunsten der Patientenseite eine auf die Ursächlichkeit des eingetretenen Primärschadens bezogene Beweiserleichterung etabliert, die nach heutiger (gefestigter) Rechtsprechung Beweislastumkehr bedeutet (s. hierzu nur die Grundsatzentscheidung des BGH v. 27.04.2004, MedR 04, 561).

Im hier vorliegenden Fall bedarf es aber gar keiner Beweislastumkehr für die Patientenseite. Der Ursachenzusammenhang zwischen der grob fehlerhaft unterlassenen Reposition und dem (unnötigen) Verlust der entfernten Meniskusanteile liegt auf der Hand. Hätte das ärztliche Personal der Beklagten die zwingend gebotene Reposition durchgeführt, hätte es die nachträglich durch die „Schleiminseln“ im pathologischen Befund belegte Risslage im rot-roten oder rot-weißen Bereich festgestellt und dann auch eine Meniskusnaht durchgeführt; d. h. die Resektion unterlassen. Dass bei einer Risslage im durchbluteten Bereich (wegen der guten Heilungschancen) genäht werden muss und der angerissene Meniskusanteil nicht einfach entfernt (reseziert) werden darf, hat die Beklagte als medizinischen Standard nie in Frage gestellt.
Nach alledem steht fest, dass die Beklagte der Klägerin wegen des groben Behandlungsfehlers der unterlassenen Reposition bei der streitgegenständlichen Meniskusoperation dem Grunde nach schadensersatzpflichtig ist.

In Bezug auf den Leistungsantrag, also den Schmerzensgeldanspruch ist der Beklagten zwar dahin beizupflichten, dass ein auf den Behandlungsfehler zurückzuführender Sekundärschaden derzeit noch nicht vorliegt. Mit den Ausführungen des Sachverständigen, denen der Senat auch in diesem Punkt uneingeschränkt folgt, steht fest, dass die postoperative Nachbehandlung auch bei einem wieder (an)genähten Meniskus nicht kürzer und weniger beschwerlich gewesen wäre. Die von der Klägerin darüber hinaus beklagten aktuellen Beschwerden haben mit der streitgegenständlichen Meniskusoperation nichts zu tun; sie sind nur der Grunderkrankung (Chondropathia patellae) geschuldet. Die Beklagte verkennt aber, dass – da ein Behandlungsfehler und ein hierauf zurückzuführender Primärschaden vorliegen – eine Haftung dem Grunde nach gegeben ist und mit dem Schmerzensgeld auch zukunftsgerichtete Einbußen des Geschädigten, wie z.B. die Unsicherheit über den weiteren Heilungsverlauf und eine endgültige Heilung, abgegolten werden sollen. Dass der hier in Betracht kommende Sekundärschaden – die frühzeitige Kniearthrose – derzeit nur droht, aber noch nicht vorliegt, ändert mithin nichts daran, dass der Klägerin schon jetzt ein Schmerzensgeld zusteht.

Gegen die Höhe des vom Landgericht zugesprochenen Schmerzensgeldes gibt es nichts zu erinnern. Im Gegenteil. Die ausgeurteilten 2.500 € sind mit Blick auf das nahezu hundertprozentige Risiko der Klägerin, ungeachtet der Grunderkrankung allein wegen der grob fehlerhaften Meniskusoperation vor der Zeit an einer Kniearthrose zu erkranken, im untersten Bereich angesiedelt; für eine Korrektur nach unten hin ist kein Raum.

Nach alledem bleibt es bei dem vom Landgericht ausgeurteilten Schmerzensgeld, denn auch die Verjährungseinrede der Beklagten greift nicht. Der dem Grunde und der Höhe nach – wie vorstehend dargelegt – bestehende Schmerzensgeldanspruch (§§ 280, 831, 253 BGB) ist nicht verjährt; d.h. er ist auch durchsetzbar.

Zur Verjährungsproblematik hat die sekundär darlegungsbelastete Klägerin mit der Berufungserwiderung (II/317ff.) umfangreich vorgetragen. Dieser Vortrag ist mit Blick auf §§ 529, 531 ZPO auch zuzulassen; denn an die Klägerin gerichtete Hinweise / Aufforderungen zur Vortragssubstantiierung sind im ersten Rechtszug nicht erfolgt.

Dies zur Berücksichtigung des erst im zweiten Rechtszug gehaltenen Vortrags der Klägerin vorausgeschickt, greift die Verjährungseinrede der Beklagten aus folgenden Gründen nicht:

Der die Kenntnis oder die grob fahrlässige Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen voraussetzende (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB) Verjährungslauf beginnt im Arzthaftungsrecht erst dann, wenn dem Patienten aus seiner Laiensicht der Stellenwert des ärztlichen Vorgehens für den Behandlungserfolg bewusst ist. Die Frist beginnt also nicht zu laufen, bevor nicht der Patient als medizinischer Laie Kenntnis von Tatsachen erlangt, aus denen sich ergibt, dass der Arzt von dem üblichen ärztlichen Vorgehen abgewichen ist oder Maßnahmen nicht getroffen hat, die nach ärztlichem Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich gewesen wären (BGH NJW 88, 1516; VersR 01, 108). Denn das Ausbleiben des Erfolgs ärztlicher Maßnahmen kann entweder in der spezifischen, ärztlich nicht beherrschbaren Gefährlichkeit des Eingriffs oder aber in der Unzulänglichkeit ärztlicher Bemühungen seinen Grund haben. Deshalb gehört zur Kenntnis der den Anspruch begründenden Tatsachen das Wissen, dass sich in dem Misslingen der ärztlichen Tätigkeit das Behandlungs- und nicht das Krankheitsrisiko verwirklicht hat (BGH VersR 83, 1158; 85, 740; 95, 659; 98, 634).
Eine mithin für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis / grob fahrlässige Unkenntnis von Tatsachen, die den Schluss auf einen Fehler bei der im Jahr 2005 durchgeführten Meniskusoperation ermöglichten, kann der Klägerin – wie aus der als Anlage BB6 (II/345ff.) vorgelegten, von ihrer Krankenkasse in Auftrag gegebenen fachärztlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes v. 14.11.2007 folgt – frühestens für das Frühjahr 2006 unterstellt werden, als sie sich (in Nachfolge der OP und wegen immer noch vorhandener Schmerzen) in die Behandlung des Facharztes für Chirurgie Dr. R. begeben hat. Dieser soll – so heißt es in der Stellungnahme des Medizinischen Dienstes – zur Mutter der Klägerin gesagt haben: “Schade um das Mädchen. Das Mädchen ist versaut. Da kann man nichts machen. Wären Sie zu mir gekommen; ich hätte versucht, sie zusammen zu nähen.“ (II/347).

Kann die Klägerin also einen Behandlungsfehler frühestens im Frühjahr 2006 auch nur vermutet haben – mehr als eine Vermutung kann es auch nach den Äußerungen des Dr. R. nicht gewesen sein, da die Klägerin in der Folge dann den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Thüringen eingeschaltet hat, der einen Behandlungsfehler im Ergebnis verneint hat –, hat in der Folge der Verjährungslauf frühestens am 31.12.2006 begonnen (§ 199 Abs. 1 Nr. 1, 2 BGB). Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB war mithin im September 2009, als die einen Behandlungsfehler geltend machende Klageerweiterung rechtshängig wurde, noch nicht abgelaufen.
Da schließlich auch (weitere) Sekundärschäden materieller oder immaterieller Art jedenfalls nicht auszuschließen sind, gibt es im Ergebnis auch gegen den Feststellungsausspruch des Landgerichts nichts zu erinnern; an die Wahrscheinlichkeitsprognose für einen solchen Ausspruch sind regelmäßig nur ganz geringe Anforderungen zu stellen.

Damit bleibt die Berufung insgesamt ohne Erfolg.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Vollstreckbarkeitsentscheidung aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.
Die Zulassung der Revision war schon mangels Antrags, im Übrigen aber auch wegen des Fehlens von Zulassungsgründen (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht veranlasst.

Anmerkung:

Das Urteil beleuchtet das richtige operative Vorgehen bei einer Meniskusläsion und ist bereits daher lesenswert. Es zeigt anschaulich, wie der Patient auf dem Tisch nach der Reihe von drei Ärzten operiert wurde. Keiner hat es hinbekommen. Gleichwohl sieht das OLG den Einsatz eines jungen Arztes als ersten Operateur nicht als an sich fehlerhaft an, weil es sich auf den ersten Blick um einen einfachen Routineeingriff handelte.

Durch die eindeutigen Worte des Sachverständigen kam das Gericht hier aber dennoch zu einer Haftung der Klinik. Der Sachverständige stellte klar, dass man diese Meniskusläsion fixieren muss und bei der Patientin auch konnte. Alles andere verstieß gegen den Behandlungsstandard. Das ausgeurteilte Schmerzensgeld ist niedrig. Allerdings muss die Klinik auch für künftige Schäden (also zB die zu erwartende Kniearthrose) haften.   

Den Einwand der Verjährung ließ das Gericht nicht gelten. Denn der Medizinische Dienst der Krankenkassen verneinte einen Behandlungsfehler zwischenzeitlich, so dass es an einer Kenntnis oder Kennenmüssen der Klägerin von dem Behandlungsfehler fehlte.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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