Das gegen einen bayrischen Gynäkologen gerichtete Strafverfahren wegen Abrechnungsbetruges im Zusammenhang mit Wahlleistungsvereinbarungen sorgt für erhebliche Verunsicherung unter Chefärzten. Das Verfahren vor dem Landgericht Aschaffenburg endete zwar im Jahr 2013 mit einer Einstellung des Verfahrens gegen eine Zahlung von 150.000 € - es kam also nicht zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Frage, ob ein Abrechnungsbetrug vorlag.
Gleichwohl bleiben für Chefärzte, die mit ihren Patienten Wahlleistungsvereinbarungen schließen und den Patienten dann aber nicht selbst behandeln, folgende Risiken:
- Verlust des Honoraranspruches wegen Verstoßes gegen GOÄ
- strafrechtliche Verfolgung wegen Abrechnungsbetruges, § 263 StGB
- außerordentliche Kündigung durch die Klinik wegen Abrechnungsbetruges
Nun ist diese Praxis an deutschen Kliniken seit langem weit verbreitet. So stellt sich für Chefärzte nun die Frage, warum diese Praxis illegal sein soll.
Die zivilrechtliche Seite
Der Wahlarzt ist ein besonderer Arzt. Er verfügt über besondere Qualifikationen. Deshalb wird er von dem Patienten ausgewählt. Der Wahlarzt soll ihn behandeln, damit der Patient dessen besondere Qualifikation in der Hoffnung auf einen guten Behandlungserfolg nutzen kann. Im Gegenzug ist der Wahlarzt ausnahmsweise berechtigt, außerhalb und neben den gesetzlichen Entgelten (vergütet nach dem Krankenhausentgeltgesetz) individuell nach der Gebührenordnung für Ärzte abzurechnen und dabei auch höhere Steigerungssätze in Anspruch zu nehmen. Voraussetzung dafür ist eine gesonderte schriftliche Vereinbarung zwischen Wahlarzt und Patient, die sogenannte Wahlleistungsvereinbarung. Dabei gilt dann natürlich der strenge Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung: Nur der der vom Patienten auserwählte Spezialist soll die Leistung erbringen dürfen. Diesen Grundsatz darf der Wahlarzt nur in begrenzten Ausnahmefällen durchbrechen:
- Er kann einen anderen Arzt operieren lassen, den er dabei beaufsichtigt (Aufsichtsmodell).
- Er darf nur in unvorhergesehenen Fällen persönlicher Verhinderung einen anderen Arzt, den sogenannten Vertreter, einsetzen. Dabei darf er aber nicht jeden Arzt als Vertreter einsetzen. Nur der Arzt, der eine dem Wahlarzt (Chefarzt) vergleichbare Qualifikation aufweist, darf als Vertreter tätig werden.
Niederschlag findet dies in der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ).
Nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) kann er Leistungen abrechnen, die er selbst oder die von einem anderen Arzt unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (sog. persönliche Leistung).
Es ist auch eine Vertretung möglich. § 4 Absatz 2 Satz 3 Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) spricht aber nur von "dem" einem Vertreter, nicht von mehreren. Dies hat das Landgericht Konstanz klar gestellt (Urteil vom 9.10.2002, AZ.: 2 O 58/02 in VersR 2003, 867). Es wies auch darauf hin, dass § 22 Absatz 3 der Bundespflegeverordnung (BPflV, nunmehr: Krankenhausentgeltgesetz - § 13 KHEntgG) nur eine solche Vereinbarung erlaubt, die sich auf liquidationsberechtigte Ärzte bezieht. Nun gab es aber auch ein anderslautendes Urteil, das eine flexiblere Vertreterregelung erlaubte (Landgericht München, Urteil vom 20.2.2002 - 9 S 15647/01 in ArztR 2002/150).
Der Bundesgerichtshof hat im Jahr 2007 entschieden, dass nur ein einziger ärztlicher Vertreter in der Wahlleistungsvereinbarung benannt sein darf (Urteil vom 20.12.2007 - AZ.: III ZR 144/07 in NJW 2008, 987). Dies muss aus Sicht der Bundesrichter zudem der sog. ständige ärztliche Vertreter des Chefarztes sein (also ein Arzt, der den Chefarzt immer wieder und dauerhaft vertritt). Denn man mag dieselbe Qualifikation noch bei dem ständigen ärztlichen Vertreter für gegeben erachten - bei irgendwelchen anderen Klinikärzten als Vertreter ist dies jedenfalls nicht mehr gegeben. Es kann also nicht jeder Arzt als Vertreter benannt werden. Der Vertreter muss auch in der Wahlleistungsvereinbarung namentlich benannt sein. Es darf auch nur für den Fall unvorhergesehener Verhinderung des Wahlarztes (Chefarzt) eine Vertretung durch eben diesen Arzt vorgesehen sein. Und der Patient muss vor Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung auf Folgendes gesondert hingewiesen werden:
- Der Patient muss so früh wie möglich über eine vorhersehbare Verhinderung des Wahlarztes unterrichtet werden.
- Hierbei muss ihm das Angebot unterbreitet werden, dass an dessen Stelle ein bestimmter Vertreter zu den vereinbarten Bedingungen die wahlärztlichen Leistungen erbringt.
- Der Patient ist über die alternative Option zu unterrichten, auf die Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen zu verzichten und sich ohne Zuzahlung von dem jeweils diensthabenden Arzt behandeln zu lassen.
- Ist die jeweilige Maßnahme bis zum Ende der Verhinderung des Wahlarztes verschiebbar, so ist dem Patienten auch dies zur Wahl zu stellen.
Ansonsten ist die Wahlleistungsvereinbarung aus Sicht der Bundesrichter wegen Verstoßes gegen Schutzregeln der §§ 307 ff. BGB (Schutzvorschriften für Verbraucher gegen vorformulierte Vertragsbedingungen - sog. Allgemeine Geschäftsbedingungen) unwirksam. Dann entfällt der Honoraranspruch.
Besonders strenge Maßstäbe gelten in dem Fall, in dem dem Chefarzt bereits bei Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung bekannt ist, dass er die Operation nicht selbst ausführen kann. Nach dem Amtsgericht Hamburg (Urteil vom 31. Juli 2013, Az. 8a C 342/12) fehlt es an einer wirksamen Stellvertretervereinbarung, wenn die Wahlleistungs- und die Stellvertretervereinbarung auf vorgefertigten, standardisierten Formularen beide am gleichen Tag geschlossen werden und von vornherein absehbar war, dass die Operation nur durch den Stellvertreter erfolgen kann. Denn eine Stellvertretervereinbarung kann im Fall einer vorhersehbaren Verhinderung nur wirksam durch eine Individualabrede getroffen werden.
Nun sind aber die Wahlleistungsvereinbarungen den privaten Krankenversicherungen ein Dorn im Auge - schließlich müssen diese dem Patienten die gesonderten Kosten ersetzen. Sie verweigerten vermehrt die Bezahlung dieser Kosten, weshalb es zu Klageverfahren und den oben zitierten zivilgerichtlichen Entscheidungen kam.
Der Grundsatz der Höchstpersönlichkeit der Wahlarztleistung wurde in der klinischen Praxis über Jahre aufgeweicht und mißachtet. Üblicherweise war der Chefarzt nur am Rande mit der Behandlung befasst, die in der Wahlleistungsvereinbarung benannt war. Die Kernleistungen - also insbesondere die Operationen - erbrachten Oberärzte oder andere Ärzte. In den bisher üblichen Wahlleistungsvereinbarungen finden sich Vertreterregelungen, die dem Chefarzt erlauben, sich von mehreren Ärzten vertreten zu lassen. Teilweise war vereinbart, dass sich der Chefarzt auch im Fall verhersehbarer Verhinderung vertreten lassen durfte. Die oben vom BGH benannten genannten Hinweis fehlten regelmäßig. Im Ergebnis wurde der Patient häufig von einem anderen Arzt operiert, merkte dies in der Regel aber gar nicht und beglich die Rechnung des Chefarztes.
Die strafrechtliche Seite
Eben dies wurde einem gynäkologisch tätigen Chefarzt zum Verhängnis.
Dem millionenschweren Gynäkologen und Chefarzt an drei Krankenhäusern wurde gewerbsmäßiger Betrug vorgeworfen. Konkret soll er in den Jahren 2003 bis 2007 ärztliche Leistungen in Rechnung gestellt haben, die er nicht selbst erbrachte, sondern die durch seine Vertreter ausgeführt wurden. In mehreren Fällen habe allerdings keine wirksame Vertretungsregelung existiert, die ein solches Vorgehen legitimiert hätte. In den Wahlarztvereinbarungen, die das Krankenhaus mit Patientinnen abschloss, behielt es sich der Chefarzt vor, sich durch sechs Oberärzte als ständige ärztliche Vertreter vertreten zu lassen.
Darin sahen die bayrischen Staatsanwälte einen (wegen des erheblichen Umfanges gewerbsmäßigen) Betrug. Das Landgericht Aschaffenburg sah ebenfalls Anhaltspunkte für einen solchen Abrechnungsbetrug, öffnete dem Gynäkologen aber den Weg über die silberne Brücke der Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung von 150.000 € (wobei dem Vernehmen nach sich die Klinik bereit erklärte, die Hälfte des Betrages zu zahlen).
Im Fall des strafrechtlich verfolgten Gynäkologen kam die Sache erst durch die Strafanzeigen eines Arztes in Rollen, der mit dem Gynäkologern in Streit geraten war. Von Seiten der Klinik bestand gar kein Interesse an einer strafrechtlichen Verfolgung, da sie selbst von der gelebten Praxis profitiert hatte.
Die arbeitsrechtliche Seite
Kurioserweise kann aber auch die Klinik - obgleich sie von der gelebten Praxis profitiert - einem Chefarzt fristlos kündigen, der fehlerhafte Wahlleistungsvereinbarungen verwendet.
Dies zeigt ein vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf verhandelter Fall. Der Chefarzt, ein Chirurg, rechnete mehrere Herzschrittmacherimplantationen als Wahlleistungen gegenüber dem Patienten ab, obgleich die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 S. 1 GOÄ (eigenhändige Leistung oder Leistung durch Dritten unter Aufsicht des Chefarztes nach fachlicher Weisung) nicht vorgelegen haben. Es operierte nicht der Chefarzt sondern der Arzt Dr. P. Dies sah die Klinik als Abrechnungsbetrug an und kündigte das langjährige Arbeitsverhältnis des Chefarztes aus wichtigem Grund ohne vorherige Abmahnung. Dagegen klagte der Chefarzt ohne Erfolg.
Das Verhalten des Chefarztes berechtigt die Klinik zur außerordentlichen Kündigung des Chefarztes (Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 17. April 2013 - 2 Sa 179/12). Das Landesarbeitsgericht führte dazu aus: Der Chefarzt muss vielmehr an der Leistungserbringung im Einzelfall mitwirken und die nach der jeweiligen Art der Leistung gebotene Aufsicht führen. Der Chefarzt muss der Verantwortlichkeit für die Durchführung der delegierten Leistungen im Einzelfall tatsächlich und fachlich gerecht werden. Eine derartige Aufsicht setzt aber – wenn schon nicht Anwesenheit – dann jedenfalls die Möglichkeit, unverzüglich persönlich einwirken zu können, voraus. Dagegen reicht es nicht aus, dass der Chefarzt die Behandlung nur supervisiert und fachlich begleitet. Dadurch werden die eigenverantwortlich durch Dritte durchgeführten Behandlungsmaßnahmen noch nicht zu eigenen Leistungen des Chefarztes, zumal die Oberaufsicht, unabhängig von einer Wahlleistungsvereinbarung, ohnehin dem Chefarzt obliegt. Es reicht nicht aus, dass er lediglich im Sinne einer Oberaufsicht die grundlegende Entscheidung einer Behandlung von Wahlleistungspatienten selbst trifft, deren Vollzug überwacht und entsprechende Weisungen erteilen kann. Es kann nicht angenommen werden, dass ein Patient den Behandlungsvertrag mit einem Chefarzt abschließt, um die ohnehin im Rahmen der allgemeinen Krankenhausleistungen geschuldete ärztliche Leistung nochmals zu vereinbaren und zu bezahlen.
Aus Sicht des Gerichts führte auch die in diesem Fall von dem Chirurg verwendete Vertreterregelung in der Wahlleistungsvereinbarung zu keinem anderen Ergebnis: Diese Regelung sei schon gar nicht einschlägig. Denn sie greife nur für Fälle unvorhergesehener Verhinderung des Chefarztes. Dazu das Gericht: In den streitbefangenen Fällen hat es sich aber nicht um eine unvorhersehbare Verhinderung des klagenden Chefarztes gehandelt. Dagegen spricht schon die langjährige Praxis, dass nämlich Herzschrittmacherimplantationen immer durch Dr. P. durchgeführt worden sind. Die beklagte Klinik hat unwidersprochen durch den Kläger vorgetragen, Dr. P. habe in seiner Befragung ausgeführt, dass er bis November 2010 Herzschrittmacher meistens allein, gegebenenfalls mit Unterstützung von zwei Assistenzärzten, implantiert habe. Die Leistungen des Klägers seien bei Privatpatienten in diesen Fällen auf schlichte Erkundigungen nach dem Befinden im Anschluss auf der Station reduziert gewesen.
Zwar muss man diese Entscheidung kritisch betrachten, weil die Klinik dem Arzt ein Verhalten vorwirft, das sie wahrscheinlich über Jahre gekannt und - zu ihren eigenen Vorteil - akzeptiert hat. Möglicherweise wurde das Verhalten des Chefarztes hier nur zum willkommenen Anlaß genommen, den - aus anderen Gründen nicht mehr genehmen - Chefarzt loszuwerden. Die Entscheidung ist aber rechtskräftig und damit von den Chefärzten zu beachten.
Zwischenfazit:
Der Chefarzt kann andere Ärzte unter folgenden Voraussetzungen behandeln lassen:
1. eigene Leistung durch Chefarzt als Mann hinter dem behandelnden Arzt (Aufsichtsmodell)
Der Chefarzt macht das Vorgespräch, er diagnostiziert und trifft die Entscheidung über die konkrete Behandlung. Er macht die Visiten und hat "die Fäden in der Hand". Er erteilt dem behandelnden Arzt Weisungen. Der behandelnde Arzt wird von dem Chefarzt beaufsichtigt, indem der Chefarzt bei der Operation im Saal oder zumindestens greifbar ist. So muss er die Möglichkeit haben, unverzüglich persönlich auf die Operation und die sonstige Behandlung einwirken zu können.
2. Behandlung durch ordnungsgemäß eingeführten Vertreter in unvorhergesehenen Fällen
Der Chefarzt schließt mit dem Patienten eine Wahlleistungsvereinbarung mit einer Vertreterklausel für unvorhergesehene Fälle. Als Vertreter wird ein Arzt namentlich benannt, bei dem es sich um den ständigen ärztlichen Vertreter des Chefarztes in diesem medizinischen Fachgebiet handelt.
Ergibt sich nach Abschluß der Wahlleistungsvereinbarung aber noch deutlich vor Beginn der Operation eine Verhinderung, so dass ausreichend Zeit verbleibt, die Operation anders zu planen, so muss der Chefarzt den Patienten so früh wie möglich darüber informieren und ihn schriftlich darüber aufklären, dass die Operation durch den Wahlarzt - falls medizinisch möglich - aufgeschoben werden kann, ansonsten aber auch der ständige ärztliche Vertreter operieren kann, der Patient sich aber auch ganz regulär von einem anderen Arzt außerhalb der Wahlleistungsvereinbarung operieren lassen kann.
3. Behandlung durch ordnungsgemäß eingeführten Vertreter in vorhersehbaren Fällen
Ist für den Chefarzt bereits bei Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung erkennbar, dass er nicht selbst den Patienten behandeln können wird (etwa wegen Fortbildung, Urlaub oder aus anderen Gründen), so kann er sich ausnahmsweise von seinem ständigen ärztlichen Vertreter vertreten lassen. Erlaubt ist eine solche Vertretung aber nur bei zeitweiliger vorhersehbarer Verhinderung. Dann muss der Chefarzt den Patienten aber über seine Verhinderung belehren. Zugleich muss er den ständigen Vertreter namentlich benennen und dem Patienten alternative Konzepte aufzeigen (also insbesondere die spätere Behandlung durch den Chefarzt als Wahlarzt und die reguläre Behandlung durch einen sonstigen Klinikarzt ohne Wahlleistungsvereinbarung).
Entscheidet sich der Patient dann, ordnungsgemäß belehrt, für die wahlärztliche Behandlung durch den (nach Möglichkeit dem Chefarzt vergleichbar qualifizierten) ständigen ärztlichen Vertreter unter der Fachaufsicht des Chefarztes, so ist dies rechtmäßig. Erforderlich ist aber eine individuelle Vereinbarung dieser vorhersehbaren Vertretung (OLG Celle, Urteil vom 22.3.1982 - 1 U 42/81 in NJW 1982, 2129), d.h. es bedarf eines handschriftlichen Zusatzes in der Wahlleistungsvereinbarung mit dem Inhalt, dass der (wegen Urlaubs/ Fortbildung etc. abwesende) Chefarzt am OP-Termin durch den Arzt ... vertreten wird.
CAVE: Nicht möglich ist es, dauerhaft die Vertreterkarte zu spielen, d.h. ständig durch Vertreter operieren zu lassen. Verboten sind damit die Fälle, in denen der Chefarzt in Kenntnis der Tatsache, dass er selbst nicht operieren wird, die Wahlleistungsvereinbarung mit Vertreterklausel abschließt, ohne seine Verhinderung dem Patienten zu offenbaren. Denn dies läuft auf eine planmäßige unerlaubte faktische Aufweitung der Liquidationsberechtigung vom Chefarzt zu den Oberärzten und auf eine planmäßige Umgehung des Grundsatzes der höchstpersönlichen Leistungserbringung hinaus.
Wer die vorgenannten Regeln mißachtet, riskiert Strafverfolgung, Honorarverlust und arbeitsrechtliche Konsequenzen.
Was ist nun zu tun?
Es ist ratsam, die bestehenden Wahlleistungsvereinbarungen den gesetzlichen Vorgaben anzupassen. Dies ist schon deshalb angeraten, weil bei den aktuell verwendeten Wahlleistungsvereinbarungen häufig bereits die sonstigen formellen Anforderungen (Leistungsbeschreibung, Kostenhinweis, Hinweis auf § 22 Absatz 3 BPflV und § 17 Absatz 3 Satz 1 KHEntgG, Hinweis auf finanzielle Mehrbelastung, Erstreckungsklausel, Zustimmung zu Abrechnung durch private Verrechnungsstelle) fehlerhaft oder unvollständig sind, was in der Regel im Streitfall zum Honorarverlust führt.
Das Modell der ständigen Vertretung bei vorhersehbarer Verhinderung sollte wegen der vorgenannten Risiken nicht mehr praktiziert werden.
Der Chefarzt, der das Aufsichtsmodell praktizieren will, soll sicherstellen, dass er im Verlauf der Operation greifbar, d.h. in der Nähe ist und bei Bedarf unverzüglich eingreifen kann. Zugleich muss er sich zu Beginn, während und bei Abschluss der Behandlung mit dem Patienten befassen und dadurch der Behandlung sein persönliches Gepräge geben.
Soweit ein Chefarzt in verschiedenen medizinischen Fachbereichen operativ tätig ist und sich mittels einer Vertreterregelung für unvorhergesehene Verhinderungen eine Vertretung durch den ständigen ärztlichen Vertreter offen halten will, sollte er für jeden medizinischen Fachbereich einen eigenen ständigen ärztlichen Vertreter auswählen. Nicht erlaubt ist es, dann ein Bündel von Vertretern zu benennen. Für jeden dieser Bereiche ist eine eigene Wahlleistungsvereinbarung zu entwerfen, die ausdrücklich für den Fachbereich einen bestimmten, namentlich benannten Oberarzt als ständigen ärztlichen Vertreter benennt.
Der Chefarzt sollte sein Vorgehen mit dem Arbeitgeber besprechen und dies dokumentieren. Dann kann der Arbeitgeber ihn nicht später wegen eben diesem Verhalten kritisieren oder ihm gar kündigen.
- Wahlleistungsvereinbarung: Chefarzt muss selbst operieren: BGH 19-07-2016
- Liquidiert der Chefarzt Wahlleistung nicht selbst, muss er auch nichts zurückzahlen: BGH 14-01-2016
- Urteil zur Wirksamkeit von Wahlleistungsvereinbarungen
- LAG: Chefarzt, der trotz Wahlleistungsvereinbarung nicht selbst operiert oder die OP zumindest beaufsichtigt, muss gehen: 14-04-13
- Honorararzt muss auf Veranlassung des liquidationsberechtigten Chefarztes arbeiten: AG Singen 31-01-12
- Honorararzt muss niedergelassen sein: LSG Stuttgart 14-04-13
- Wahlarzt kann nur Leistungen abrechnen, die er durch eigenes Tun persoenlich gepraegt hat: OLG Oldbg 14-12-11