Die Zulassungsgremien sind bei der Auswahlentscheidung bei der Nachbesetzung einer Zulassung in einer BAG verpflichtet, die in § 103 Abs 6 Satz 2 SGB V angesprochenen “Interessen” der in der Praxis verbleibenden Ärzte zu gewichten und zu berücksichtigen. Diese müssen den Eintritt einer Ärztin, die mit einem Konkurrenten verbunden ist, nicht akzeptieren (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2013 -B 6 KA 49/12 R).

Der Fall:

Zwei Radiologen gründeten 2010 eine vertragsarztrechtliche BAG. Im selben Gebäude befindet sich eine weitere, konkurrierende radiologische Praxis, ein MVZ. Später beendete einer der Radiologen seine Tätigkeiten und verzichtete auf die Zulassung, die in das Nachbesetzungsverfahren gelangte. Auf die Nachfolge bewarb sich die 1939 geborene Klägerin, die seit 2003 Altersrente bezieht, sowie eine Radiologin, die eine Angestellte des MVZ ist, dessen Leiter ihr Ehemann ist. Dies wollte der verbleibende Radiologe der BAG nicht akzeptieren.

Der Zulassungsausschuss ließ die Klägerin zu, der Berufungsausschuss dagegen die im konkurrierenden MVZ angestellte Radiologin. Die Radiologin warf der Klägerin vor, sie sei zu alt, um noch in erforderlichem Maße an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen.

Die Entscheidung:

Nach Ansicht des BSG sind die Zulassungsgremien bei der Auswahlentscheidung verpflichtet, die “Interessen” der in der Praxis verbleibenden Ärzte zu gewichten. „Je deutlicher sich der Eindruck aufdrängt, die BAG sei vorrangig gegründet worden, um über die erwähnte Vorschrift auf die Nachbesetzung Einfluss nehmen zu können, je kürzer die BAG tatsächlich bestanden hat, und je weniger – zum Beispiel bei einer überörtlichen BAG ‑ die Praxen der beteiligten Ärzte tatsächlich über einen längeren Zeitraum verflochten waren, desto geringer sind die Interessen des verbleibenden Arztes zu gewichten. Das geht jedoch nicht so weit, dass die Interessen der verbleibenden Ärzte unter Hinweis auf die Missbräuchlichkeit der Gründung der BAG vollständig unberücksichtigt bleiben könnten. Ein Arzt, mit dem die anderen Mitglieder der BAG aus objektiv nachvollziehbaren Gründen definitiv nicht zusammenarbeiten können, kann nicht als Nachfolger zugelassen werden.“

Das BSG geht im zu entscheidenden Fall von diesen Voraussetzungen in Bezug auf die Radiologin aus. „Diese ist beruflich – durch ihre Anstellung im MVZ – und persönlich – durch ihre Ehe mit dem Leiter dieses MVZ – aufs Engste mit einem Konkurrenten (…) verbunden“ und wird nach den erkennbaren Umständen Interesse daran haben, die Zulassung der BAG zu diesem MVZ zu ziehen. Das schließt eine Zulassung der Radiologin aus. „Danach kommt für die Nachfolgezulassung allein die Klägerin in Betracht.

Das BSG geht aber auch auf die Bedenken wegen des hohen Alters der Klägerin ein. Hier fordert es vor einer endgültigen Entscheidung des Rechtsstreits weitere Ermittlungen durch das LSG:

Die Klägerin komme nur dann als Nachfolgerin in Betracht unter der Voraussetzung, dass sie die Praxis fortführen will und kann. Der Wille und die Fähigkeit zur Fortführung der Praxis sind Voraussetzungen für die Zulassung im Wege der Praxisnachfolge, deren Vorliegen das LSG zu prüfen haben wird. Soweit es aus der Sicht des LSG unter dem Gesichtspunkt einer gewissen Versorgungskontinuität als Element der Eignung für die Nachfolge darauf ankommt, wie lange die Nachfolgerin die Praxis fortführen will oder kann, ist es nicht zu beanstanden, wenn ein Zeitraum von fünf Jahren für jedenfalls ausreichend gehalten wird.“

Fazit:
Alter schützt vor Arbeit nicht - grundsätzlich steht ein hohes Alter einer Zulassung nicht entgegen, solange der betreffende Arzt noch für weitere fünf Jahre gut ist. Und einen Kuckuck muss sich eine BAG auch nicht ins Nest setzen lassen.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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