Erbringt der Arzt medizinisch nicht erforderliche Leistungen, so muss er den Patienten darüber aufklären, dass sowohl seine Kosten als auch die eines Laborarztes möglicherweise von der Krankenversicherung des Patienten nicht beglichen werden (OLG Köln, Urteil vom 18. September 2013 - 5 U 40/13).

Der Fall:

Ein Allgemeinmediziner erbrachte umfangreiche medizinische Leistungen an einem privat versicherten Patienten T. Dabei wurden von einem Laborarzt auch Laboruntersuchungen durchgeführt.  
Nachdem die private Krankenversicherung des Patienten Rückzahlung der Honorare und Laborkosten verlangte, kam es zum Klageverfahren.

Die Entscheidung:

Das OLG verpflichtet den Arzt zur Rückzahlung von Arzthonorar und Laborkosten an die Versicherung.
Das OLG Köln führt dazu nach sachverständiger Beurteilung des Falles aus:

So hat der beklagte Arzt zur Behandlung eines bei dem Patienten seit Jahren bestehenden chronischen Lendenwirbelsäulensyndroms und eines Hüftverschleißes Infusionstherapien mit naturheilkundlichen Mitteln, Vitaminen und Schmerzmitteln durchgeführt, die teils in Bezug auf die zugeführten Mittel (Vitamine, homöopathische und antihomotoxische Substanzen) und teils in der Art der Verabreichung (Infusion statt oraler Gabe) medizinisch nicht indiziert waren. Es habe an einem Nachweis eines klinisch relevanten Vitamin- und Elektrolytemangels gefehlt. Ebenso wenig sei die Notwendigkeit einer Substitution von Zink, Calcium, Magnesium und Selen erkennbar gewesen. Durchgeführte intraartikuläre Injektionen, Injektionen in den Periduralraum, Infiltrationsanästhesien, Infiltrationsbehandlungen, Injektionstherapie intramuskulär mit Diclofenac sowie ein chirotherapeutischer Eingriff an der Wirbelsäule seien nicht bzw. nicht in der Häufigkeit indiziert gewesen, so dass nach Ausführungen des Sachverständigen nur eine Teilübernahme der Kosten gerechtfertigt war. Die Akkupunkturbehandlungen (teilweise täglich, insgesamt 63 Akkupunkturbehandlungen) waren - so der Sachverständige - in der hier durchgeführten Weise einer ununterbrochenen Dauerbehandlung unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse ebenfalls nicht gerechtfertigt. Ein durchgeführter Allergo-Screen Plus Test zur Untersuchung von Allergien bzw. Unverträglichkeiten gegen 276 Grundnahrungsmittel sei medizinisch nicht indiziert gewesen, da die Testverfahren wissenschaftlich nicht abgesichert gewesen seien.

Für die über das Maß einer medizinisch notwendigen ärztlichen Versorgung hinausgehende Behandlung durfte der Beklagte mangels eines Verlangen des Patienten T keine Vergütung verlangen, vgl. § 1 Abs. 2 GOÄ. Die Klägerin kann daher aus abgetretenem Recht die auf die Rechnungen des Beklagten geleisteten Zahlungsbeträge aus ungerechtfertigter Bereicherung oder aus Schadensersatzgesichtspunkten zurückverlangen, §§ 812 Abs. 1 S. 1, 280 Abs. 1, 398 BGB.

Zu der Frage, ob der Arzt auch die Kosten zurückzuzahlen hat, die für die Dienste des Laborarztes entstanden sind, kommt das OLG ebenfalls zu einer Haftung des Arztes:

Ob der Patient T durch Zahlung an den Laborarzt Dr. L bzw. an dessen Abrechnungsstelle Q eine Schuld des Beklagten gegenüber Herrn Dr. L getilgt hat und damit eine Leistung des Patienten T an den Beklagten vorliegt, die einen Kondiktionsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB begründen könnte (vgl. zum Kondiktionsanspruch bei Tilgung fremder Schulden: Palandt-Sprau, 71. Auflage 2012, § 812 BGB, Rz. 63), kann im Ergebnis dahin stehen. Für ein zwischen dem Beklagten und dem Laborarzt Dr. L bestehendes Vertragsverhältnis sprach einerseits die in den Rechnungen vom 11.03.2010 und 21.04.2010 enthaltene Formulierung "Laborauftrag erteilt durch Privatpraxis Dr. med. G2 Allgemeinmedizin". Dagegen sprach andererseits, dass die Rechnung nicht an den Beklagten, sondern an den Patienten T gerichtet war. In der Regel entspricht es auch dem Willen und Interesse der Beteiligten sowie den Bedürfnissen der Praxis, dass bei Übersendung von Untersuchungsmaterial an den Laborarzt durch den behandelnden Arzt ein Vertragsverhältnis zwischen Laborarzt und Patient begründet wird (vgl. BGH, Urteil vom 14.01.2010, Az. II ZR 188/09, Tz. 10, juris).

Wie die vertraglichen Beziehungen zwischen den Beteiligten im vorliegenden Fall ausgestaltet waren, bedarf jedoch keiner weiteren Entscheidung. Denn jedenfalls stand dem Patienten T gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB zu, soweit bei den Leistungen von Dr. L (Laborarzt) über das Maß einer medizinisch notwendigen Versorgung hinausgegangen wurde. Der Beklagte hat die sich aus dem Behandlungsvertrag mit dem Patienten T ergebende Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung verletzt, indem er Laboraufträge an Herrn Dr. L erteilte, ohne den Patienten T zuvor darüber aufgeklärt zu haben, dass es sich bei den labormedizinischen Leistungen um solche handeln würden, die die Krankenversicherung aufgrund fehlender medizinischer Indikation nicht erstatten würde. Geht eine Behandlung über das Maß des medizinisch Notwendigen hinaus, darf der Arzt die auf Verlangen des Patienten erbrachten Leistungen nur dann abrechnen, wenn er ihn zuvor darüber aufgeklärt hat, dass die beabsichtigte Behandlung über das Maß des medizinisch Notwendigen hinausgeht (vgl. OLG München, Beschluss vom 08.02.2012, Az. 1 U 4547/11, Tz. 4, juris). Es gehört zu den Pflichten des behandelnden Arztes, den Patienten vor unnötigen Kosten und unverhältnismäßigen finanziellen Belastungen zu bewahren, soweit er über bessere Kenntnisse und ein besseres Wissen verfügt (BGH NJW 2000, 3429, Tz. 33, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 08.01.2012, Az. 1 U 87/12, Tz. 5, juris). Dies ist dann der Fall, wenn der behandelnde Arzt positive Kenntnis von der Unsicherheit der Kostenübernahme durch den Krankenversicherer hat, oder wenn sich aus den Umständen zumindest hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten nicht gesichert ist (vgl. OLG Stuttgart, aaO). Diese Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung trifft den Arzt nicht nur bei eigenen Leistungen. Er muss den Patienten auch dann aufklären, wenn er Laborleistungen eines Laborarztes durch Übersendung von Labormaterial veranlasst, deren Erstattung nicht gesichert ist. Aus den im Gutachten des Sachverständigen Dr. N überzeugend ausgeführten Gründen gingen die Laboruntersuchungen über das medizinisch Notwendige hinaus, so dass deren Erstattungsfähigkeit nicht gesichert war. Der Senat geht mangels gegenteiliger Hinweise auch davon aus, dass die dem Beklagten als Allgemeinmediziner bekannt war.

Das OLG ließ eine Revision nicht zu.

Praxishinweis:

Der Arzt muss den Patienten bei Zweifeln bezüglich der medizinischen Notwendigkeit einer Behandlung (also im Bereich von IGE-Leistungen oder sog. Wunschleistungen/Verlangensleistungen) darüber aufklären, dass diese höchstwahrscheinlich nicht von der Krankenversicherung des Patienten übernommen werden. Und er sollte diese Aufklärung dokumentieren, indem er dem Patienten ein Formblatt mit dem Hinweis und der gewünschten Behandlung sowie dem Namen des Patienten übergibt, dass dieser unterzeichnet - eine Kopie dieses unterschriebenen Formblattes nimmt der Arzt zur Akte, das Original bekommt der Patient.
Hilfreich ist es, einen Behandlungsplan zu erstellen, der die Leistungen grob skizziert, so dass der Patient diesen vorab bei seiner Versicherung einreichen kann mit der Bitte um Kostenübernahmezusage. Wer diesen Aufwand vermeidet, kann am Ende leer ausgehen.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
Witzlebenstraße 3 - 14057 Berlin - Tel: (030) 536 47 749
E-mail: mail@christmann-law.de