Setzt ein Pflegedienst für die Pflege entgegen der vertraglichen Vereinbarung (ohne negative Auswirkungen auf den Pflegezustand des Patienten) durchweg geringer qualifiziertes Personal ein, so stellt dies eine Betrugshandlung dar, weil die Leistung dann für den Patienten wertlos ist (BGH, Beschluss vom 16.06.2014 - 4 StR 21/14 -).
Weil die eingesetzten Pflegedienstmitarbeiter aufgrund ihrer geringeren Qualifikation eine hinreichende Versorgung des Patienten etwa in Notfallsituationen nicht sicherstellen konnten, sei in den erbrachten Leistungen keine gleichwertige Gegenleistung für die Zahlungen der Krankenkasse zu sehen. In Anlehnung an die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Abrechnungsbetrug bei kassen- und privatärztlichen Leistungen ist daher der Kranken- und Pflegekasse ein Betrugsschaden in voller Höhe der an die angeklagte Pflegedienstbetreiberin gezahlten Beträge entstanden.
Die Angeklagte hatte sich gegenüber einer Kranken- und Pflegekasse vertraglich verpflichtet, die langfristige Pflege eines schwerkranken Wachkomapatienten zu übernehmen. Der Vertrag sah vor, dass eine bestimmte Anzahl täglicher Pflegestunden erbracht und für die Pflege nur Pflegepersonal mit einer besonderen Qualifikation für Intensivpflege eingesetzt werden sollte. Sie setzte für die Pflege des Wachkomapatienten entgegen der vertraglichen Vereinbarung (ohne negative Auswirkungen auf den Pflegezustand des Patienten) durchweg geringer qualifiziertes Personal ein.
Dazu der BGH wörtlich:
Darüber hinaus stellte die Arbeitsleistung als solche keine Gegenleistung für die Zahlungen der Kranken- und Pflegekasse dar. Aufgrund der verletzten vertraglichen Vorgabe war unter den hier gegebenen besonderen Umständen die Qualität der Leistung so gemindert, dass ihr wirtschaftlicher Wert gegen Null ging (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Juli 2014 - 5 StR 182/14, Rn. 13; Singelnstein, wistra 2012, 417, 422; Schönke-Schröder/Perron, StGB, 29. Aufl., § 263 Rn. 112b; Luig, Vertragsärztlicher Abrechnungsbetrug und Schadensbestimmung, 2009, S. 147; Volk, NJW 2000, 3385, 3387 f.; Dannecker/Bülte, NZWiSt 2012, 81, 84; Dann, NJW 2012, 2001, 2003; Wischnewski/Jahn, GuP 2011, 212, 215; zum Abrechnungsbetrug bei Kassenärzten vgl. auch Lindemann, NZWiSt 2012, 334, 39; Grunst, NStZ 2004, 533, 536 f.; Idler, JuS 2004, 1037, 1041; Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, 4. Aufl., § 14, Rn. 14/33; Stein, MedR 2001, 124, 127, 130). Denn eine hinreichende Versorgung konnte bei dem tracheostomierten Patienten O. unter Berücksichtigung möglicher Notfallsituationen, die eine Beatmung notwendig machen konnten, entsprechend der Auffassung der B. nur erfolgen, wenn die eingesetzten Mitarbeiter über eine Zusatzausbildung zum Fachgesundheitspfleger oder Krankenpfleger bzw. Kinderkrankenpfleger für pädiatrische Intensivpflege verfügten. Dies sollte durch die vertraglichen Vereinbarungen mit der Angeklagten über die Zusatzqualifikation sichergestellt werden, was dieser auch bekannt war. Die eingesetzten Mitarbeiter der Angeklagten erhielten jedoch nicht einmal nähere Instruktionen darüber, welche Komplikationen bei Herrn O. eintreten könnten und welche Maßnahmen bei einem Notfall, z.B. während der Wartezeit auf den Notarzt zu ergreifen wären. Sie wurden lediglich darauf verwiesen, sich an die vor Ort tätigen, nicht ausgebildeten polnischen Hilfskräfte, die allerdings kaum Deutsch sprachen, zu wenden oder gegebenenfalls den Notarzt zu rufen. Vor diesem Hintergrund stellten die tatsächlich erbrachten Leistungen der Pflegedienste der Angeklagten nicht nur eine Schlechtleistung dar, sondern stehen einer Nichterbringung der vertraglich geschuldeten Leistung gleich. Die von der Angeklagten erbrachten Leistungen waren daher auch unabhängig von dem Entfallen eines sozialversicherungsrechtlichen Vergütungsanspruchs bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise für die B. wertlos.
Hinweis:
Wäre also ein medizinischer Zwischenfall aufgetreten, so hätten die eingesetzten Kräfte mangels hinreichender Qualifikation nicht adäquat reagieren können. Dadurch war die Gesundheit des Patienten gefährdet.
Der BGH führt damit seine Rechtsprechung zum besonderen Schadensbegriff in der medizinischen Behandlung fort. Wer medizinische Leistungen erbringt und dies auch vertraglich gesondert zusagt, muss dafür hinreichend qualifiziert sein, sonst betrügt er den Patienten um die vereinbarte Leistung. Ob diese Rechtsprechung sich auch auf Ärzte übertragen lässt, die eine besondere Behandlung zusichern (z.B. durch den Chefarzt), diese dann aber nicht erbringen, ist aber zweifelhaft. Denn auch ein Arzt, der nicht Chefarzt ist, verfügt über medizinische Kenntnisse. Im vorliegenden Fall verfügten die von der Pflege eingesetzten Kräfte noch nicht einmal über rudimentäre medizinische Kenntnisse und sprachen auch nicht oder kaum Deutsch. Sie waren daher erkennbar völlig ungeeignet, auf Notfälle zu reagieren und die versprochene Leistung zu erbringen.