Ist ein von einem Zahnarzt eingelieferter Zahnersatz mangelhaft und nachbesserungsbedürftig (hier: bei fünf Zähnen abstehende Kronenränder), so handelt der Zahnarzt grob fehlerhaft, wenn er den Patienten vor Abschluss der Behandlung entlässt, ohne ihn ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die von ihm eingegliederte Brücke nachbesserungsbedürftig ist (OLG Hamm, Urteil vom 12.09.2014 - 26 U 65/13).

Der Fall:

Im Dezember 2007 ließ sich ein 57jähriger Patient von dem beklagten Zahnarzt eine Brücke im Oberkiefer einfügen. Diese wies an den Kronenrändern eine Stufe zu den natürlichen Zähnen auf, so dass die Kronenränder abstanden. Der Zahnarzt beseitigte diesen Mangel
bei der letzten Behandlung des Klägers Anfang 2008 nicht. Der Kläger suchte den Beklagten erneut Ende 2008 auf und klagte Beschwerden wegen der Brücke. Das Zahnfleisch stoße gegen die Kante des Zahnersatzes, was Reizungen, Blutungen, Rötungen und Schwellungen hervorrufe. Anfang 2009 brach der Kläger die Behandlung ab. Mit seiner Klage verlangte der Kläger Schmerzensgeld.

Die Entscheidung:

Das OLG Hamm sah hier einen groben Behandlungsfehler und hat dem Kläger 1.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen.

Die Arbeit entspreche nicht dem zahnärztlichen Standard, weil die Kronenränder abstünden. Dies habe der Beklagte vor und bei der Eingliederung der Brücke erkennen können. Der Beklagte war verpflichtet, den Kläger nach der Eingliederung der mangelbehafteten Brücke von sich aus wieder einzubestellen und den Mangel zu beheben. Das Gericht ist der Auffassung, dass der Beklagte den Kläger ausdrücklich darauf hätte hinweisen müssen, dass die Arbeiten zur prothetischen Versorgung noch nicht abgeschlossen waren. Das Gericht sah dies sogar als groben Behandlungsfehler an.
Der Beklagte habe sich auch nicht darauf verlassen dürfen, dass der Kläger ihn selbständig wieder aufsuchen würde.

Das OLG sprach dem Kläger allerdings nur ein geringes Schmerzensgeld von EUR 1.000 zu zum Ausgleich der Beschwerden des Klägers beim Essen und Trinken und der erlittenen Schmerzen. Dabei spreche gegen das Vorhandensein besonders starker Schmerzen, auf die sich der Kläger im Prozess berufen habe, dass sich der Kläger erst ca. ein Jahr nach der Versorgung erneut beim Beklagten wieder vorgestellt habe. Bei sehr heftigen oder gar unerträglichen Schmerzen hätte der Kläger den Beklagten sicherlich früher wieder aufgesucht.

Das Gericht ließ die Revision nicht zu. Das Urteil ist rechtskräftig.

Praxishinweis:

Das OLG kommt zu einem neuen Fall des groben Behandlungsfehlers: der unterlassenen Nachbesserung erkennbarer fehlerhafter zahnärztlicher Arbeiten. Dies mag seinen Grund in einer Besonderheit des Rechts der zahnärztlichen Versorgung haben: Ein gesetzlich versicherter Patient ist sozialrechtlich für die Dauer von zwei Jahren gezwungen, sich wegen Fehlern des Zahnersatzes an den Zahnarzt zu halten, der ihn behandelt hat. Er kann nur in Ausnahmefällen den Zahnarzt wechseln. Insofern ist es folgerichtig, dem Zahnarzt auch Pflichten zur eigenständigen Beseitigung des Mangels aufzubürden. Von einem groben Fehler kann dann aber nur gesprochen werden, wenn der Mangel der Arbeit offensichtlich auf der Hand liegt und die Behandlung noch nicht abgeschlossen ist.

Zum Thema:

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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