Für einen durchschnittlichen Patienten, der bereits über Komplikationen wie Bauchabszess, Verletzung von Nachbarorganen oder Lungenembolie aufgeklärt wurde, muss es naheliegen, dass die Operation bei unglücklichem Verlauf auch zum Tode führen kann. Insofern muss darüber nicht gesondert aufgeklärt werden, insbesondere angesichts des extremen Übergewichts und einer hierdurch bedingten generell erhöhten Gefährlichkeit von Operationen (OLG Köln, Urteil vom 04.02.2015 - 5 U 88/14).

Der Fall:

I. Der am ... 1976 geborene Sohn der Kläger (im Folgenden auch: Patient) litt an erheblichem Übergewicht. Konservative Versuche einer Gewichtsreduzierung blieben ohne Erfolg. Im Oktober 2009 betrug sein Gewicht bei einer Größe von 185 cm 157 kg. In den folgenden Monaten nahm er in erheblichem Ausmaß zu.

Im August 2010 stellte er sich ambulant in der Adopositassprechstunde des Krankenhauses der Beklagten zu 1) vor. Hinter der in einem Bogen enthaltenen Frage nach einer Schlafapnoe trug er „Schnarchen“ ein. Am 9.9.2010 wurde er stationär im Krankenhaus der Beklagten zu 1) aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt wog er fast 240 kg. Die Ärzte nahmen insbesondere eine Spiegelung des Magens und Zwölffingerdarms, eine Blutgasanalyse, eine Laboruntersuchung und einen Lungenfunktionstest vor. Nach einem am gleichen Tag geführten chirurgischen Aufklärungsgespräch willigte der Patient in eine laparoskopische Magenschlauchresektion ein, die der Beklagte zu 2) am 13.9.2010 durchführte. Der Beklagte zu 3) ist der Chefarzt der anästhesiologischen Abteilung der Beklagten zu 1). Nach der Operation wurde der Patient extubiert und auf der Intensivstation betreut. Am 14.9.2010 gegen 4.25 Uhr trat ein Abfall der Sauerstoffsättigung ein. Der Patient wurde über eine Larynxmaske beatmet und reanimationspflichtig. Der erste Intubationsversuch scheiterte. Ein weiterer Intubationsversuch hatte Erfolg. Gegen 4.55 Uhr war ein ausreichender Kreislauf vorhanden. Die am 14.9.2010 durchgeführte Thoraxaufnahme zeigte eine Verschattung am linken Hemithorax. Neurologische Untersuchungen ergaben, dass der Patient einen hypoxischen Hirnschaden erlitten hatte.

Am 11.10.2010 wurde er in das Marien-Hospital F verlegt. Nach einer Weiterverlegung in das Krankenhaus der Augstinerinnen in L verstarb er am 16.12.2010 an den Folgen des Hirnschadens.

Die Kläger, die ihren Sohn beerbt haben, haben die Beklagten auf ein Schmerzensgeld von mindestens 60.000 €, das sie in erster Linie aus ererbtem und hilfsweise aus eigenem Recht herleiten, Erstattung von Beerdigungs- und Sachverständigenkosten von 9.235,98 €, Feststellung der Ersatzpflicht und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten von 3.765,64 € in Anspruch genommen. Gestützt auf ein Gutachten von Prof. Dr. T (Anlage K 3) nebst drei Ergänzungen (Anlage K 5, Bl. 109 ff. und Bl 217 ff. d. A.) haben sie den Beklagten vorgeworfen, die durch die präoperativen Untersuchungen belegte respiratorische Insuffizienz nicht durch eine Röntgenaufnahme des Thorax abgeklärt zu haben, die mit hohen Wahrscheinlichkeit eine Bronchopneumonie gezeigt hätte. Dies hätte - genauso wie das Erysipel am linken Unterschenkel - eine Kontraindikation für die bariatrische Operation dargestellt. Außerdem hätten die Beklagten das Vorliegen eines Schlafapnoesyndroms durch eine Polysomnografie, also eine Untersuchung im Schlaflabor, abklären müssen, was nach der Extubation zu einer temporären Nachbeatmung, etwa durch eine CPAP-Beatmungshilfe, geführt hätte. Die Beerdigungskosten haben die Kläger mit 7.624,81 € beziffert, die Sachverständigenkosten mit 2.972,62 €.

Die Kläger haben beantragt,

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, ihnen ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 60.000,00 € nebst 8% Zinsen seit dem 27. April 2011,

2. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, ihnen weitere 9.235,98 € nebst 8% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihnen sämtliche materiellen Schäden, die ihnen aus der fehlerhaften Behandlung des Sohnes entstanden sind, derzeit entstehen und in Zukunft entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden,

4. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihnen außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.765,64 € zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie sind dem Vorwurf eines Behandlungsfehlers entgegen getreten.

Das Landgericht hat ein Gutachten von Prof. Dr. L2 eingeholt (Bl. 182 ff. d. A.), der insbesondere Facharzt für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie und Facharzt für Intensivmedizin ist. Ferner hat es den Sachverständigen angehört (Bl. 234 ff. d. A.).

Daraufhin hat es die Klage abgewiesen. Ein Behandlungsfehler sei nicht erwiesen. Der Eingriff habe die einzige Möglichkeit dargestellt, dem Patienten noch zu helfen. Er sei nicht kontraindiziert gewesen. Die Behandlung der Beinentzündung sei vor dem Eingriff angeschlossen gewesen. Hinweise für eine präoperative Bronchopneumonie hätten nicht bestanden. Diagnostische Maßnahmen wie eine Poysomnografie oder eine Thoraxaufnahme seien nicht fehlerhaft unterblieben. Der Sachverständige habe dies mit aktuellen Literaturangaben belegt. Postoperativ sei eine temporäre CPAP-Nachbeatmung nicht notwendig gewesen.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit der Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgen. Hilfsweise begehren sie die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Sie wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Wie Prof. Dr. T dargelegt habe, sei der Eingriff ohne weitere Abklärungen zu risikoreich und daher jedenfalls im Zeitpunkt seiner Vornahme nicht indiziert gewesen. Mit den Widersprüchen zwischen der Begutachtung durch Prof. Dr. T und Prof. Dr. L2 habe sich das Landgericht nicht hinreichend auseinander gesetzt. Das Landgericht habe zudem einen Sachverständigen falschen Fachrichtung ausgewählt, der nicht die notwendige Kompetenz aufgewiesen habe. Die vom Beklagten zu 2) durchgeführte Magenoperation falle in das Gebiet der Viszeralchirurgie, nicht aber in das Gebiet der Herz- und Thoraxchirurgie. Ferner habe das Landgericht den Antrag auf Einholung eines anästhesiologischen Zusatzgutachtens übergangen. Zur Frage der Narkoseführung und den nach der Operation einzuhaltenden fachanästhesiologischen Maßnahmen habe sich Prof. Dr. L2 ebenfalls nicht fachkompetent äußern können. Dies gelte insbesondere für die Frage der Nachbeatmung. Ob im Rahmen der Reanimation die zutreffenden Maßnahmen zeitgerecht durchgeführt worden seien, sei nicht erkennbar und nachvollziehbar. Dies gehe zulasten der Beklagten, da eine ordnungsgemäße Dokumentation fehle. Insbesondere enthalte das äußerst knappe Reanimationsprotokoll keine Zeitangaben. Schließlich hätten die Kläger in erster Instanz in ihrer Stellungnahme zum Gutachten von Prof. Dr. L2 eine mangelhafte Aufklärung gerügt, weil der Patient nicht über das Risiko eines Versterbens aufgeklärt worden sei. In der unterzeichneten Einverständniserklärung sei dieses Risiko nicht angeführt, was eine entsprechende Indizwirkung habe. Wäre der Verstorbene entsprechend aufgeklärt worden, hätte er sich höchstwahrscheinlich den Eingriff nochmals eingehend überlegt und sich beraten lassen.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil. Die Aufklärungsrüge sei erst in zweiter Instanz erhoben worden und schon wegen Verspätung unbeachtlich. Der Patient sei am 9.9.2010 und 10.9.2010 im Rahmen der chirurgischen und der anästhesiologischen Aufklärung vom Arzt Dr. C2 und von der Ärztin Dr. K entsprechend den schriftlichen Aufklärungsbögen jeweils über mehrere lebensgefährliche Risiken und Gefahren des Eingriffs aufgeklärt worden und habe daher um das Risiko eines Versterbens gewusst. Der Patient habe die Maßnahme unbedingt gewünscht. Der Hinweis auf den jedem Erwachsenen bekannten Umstand, dass man infolge einer Operation im schlimmsten Fall sterben könne, hätte ihn daher von diesem Wunsch nicht abbringen können.

Die Entscheidung:

II. Die Berufung ist unbegründet.

Die Kläger können von den Beklagten gemäß §§ BGB § 280 Abs. BGB § 280 Absatz 1, BGB § 823 Abs. BGB § 823 Absatz 1, BGB § 831 Abs. BGB § 831 Absatz 1, BGB § 831 Absatz 253 Abs. BGB § 831 Absatz 2, BGB § 1922 Abs. BGB § 1922 Absatz 1 BGB weder die Zahlung eines Schmerzensgeldes noch materiellen Schadensersatz verlangen.

1. Das Landgericht hat in nicht zu beanstandender und den Senat gemäß § ZPO § 529 Abs. ZPO § 529 Absatz 1 Nr. ZPO § 529 Nummer 1 ZPO bindender Weise festgestellt, dass den für die Beklagte zu 1) handelnden Ärzten kein Behandlungsfehler zur Last fällt. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Beweiswürdigung des Landgerichts begründen, sind weder dargetan noch erkennbar.

a) Auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der fachgleichen Begutachtung durfte das Landgericht den Sachverständigen Prof. Dr. L2, der zur Beurteilung aller streitentscheidenden Fragen hinreichend kompetent war, als alleinigen Sachverständigen heranziehen. Eines zusätzlichen viszeral- oder abdominalchirurgischen Gutachtens sowie eines zusätzlichen anästhesiologischen Gutachtens bedurfte und bedarf es nicht.

Prof. Dr. L2 ist zum einen Chirurg, wenn auch auf dem Gebiet der Thorax- und Herzchirurgie. Nach den Gutachten von Prof. Dr. T und dem Vorbringen der Kläger werden indessen keine Behandlungsfehler gerügt und Fragen aufgeworfen, die speziell das Gebiet der Adipositaschirurgie betreffen. Die grundsätzliche Indikation der Magenschlauchresektion ist angesichts eines Gewichts des Patienten im Operationszeitpunkt von fast 240 kg, einer Zunahme von 70 kg binnen eines Jahres und dem Scheitern konservativer Versuche einer Gewichtsreduzierung genauso außer Streit wie die ordnungsgemäße Durchführung des Eingriffs durch den Beklagten zu 2). Die Frage, ob es Hinweise für eine Bronchopneumonie oder eine von einem Erysipel am Unterschenkel ausgehende Entzündung gab, die diagnostisch hätten abgeklärt werden müssen und die im Fall einer positiven Diagnose eine Kontraindikation für einen aufschiebbaren Eingriff dargestellt hätten, kann sich in gleichartiger Weise vor anderen Eingriffen als bariatrischen Operationen stellen, insbesondere auch vor Eingriffen am Thorax oder Herzen. Dementsprechend haben weder die Kläger noch Prof. Dr. T in erster Instanz die Kompetenz von Prof. Dr. L2 zur Beurteilung der anstehenden chirurgischen Fragen in Abrede gestellt.

Prof. Dr. L2 ist zum anderen Facharzt für Intensivmedizin. Als solcher kann er beurteilen, ob die Abklärung einer möglichen Schlafapnoe, deren Verdacht die Beklagten in ihrem Entlassungsbrief (Bl. 226R d. A.) selbst bejaht haben, im Hinblick auf eine dann nach der Operation notwendige Nachbeatmung erforderlich war und ob eine Nachbeatmung hätte durchgeführt werden müssen. Insbesondere kann sich die entsprechende Frage auch im Vorfeld eines jeden herzchirurgischen Eingriffs, an den sich eine Behandlung auf der Intensivstation anschließt, stellen, wenn auch die Häufigkeit einer Schlafapnoe bei stark übergewichtigen Patienten, die sich einer Magenoperation unterziehen, höher sein mag. Behandlungsfehler und Fragen, die die Anästhesie während der Operation selbst und die Führung der Narkose betreffen, haben weder Prof. Dr. T noch die Kläger gerügt oder aufgeworfen. Die Bewertung der Intubation und Reanimation nach dem Kreislaufstillstand des Patienten fällt ebenfalls in das Fachgebiet eines Intensivmediziners.

b) Eine Röntgenaufnahme des Thorax war vor der Magenschlauchresektion nicht erforderlich.

Prof. Dr. L2 hat unter Darlegung von Nachweisen aus der chirurgischen und anästhesiologischen Literatur ausgeführt, dass eine Thoraxaufnahme vor bariatrischen Eingriffen im Allgemeinen nicht erforderlich ist und allenfalls bei einer Risikoanamnese notwendig sein kann (Bl. 187 d. A.), was Prof. Dr. T im Ausgangspunkt nicht in Frage gestellt hat.

Soweit Prof. Dr. T Hinweise auf ein Risiko in Gestalt einer Bronchopneumonie gesehen und deshalb eine präoperative Thoraxaufnahme für nötig gehalten hat, Prof. Dr. L2 solche Hinweise aber verneint, gebührt der schlüssigen Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen der Vorrang. Zwar waren unstreitig der Befund der Blutgasanalyse, insbesondere der pO²-Wert von 58 mmHg, und das Ergebnis der Lungenfunktionsuntersuchung auffällig und die Entzündungsparameter präoperativ am 9.9.2010 erhöht (Leukozyten 13,01 G/L bei einem Referenzbereich von 4,23 bis 9,07 G/L sowie CRP 3,21 mg/dl bei einem Referenzbereich von 0 bis 0,50 mg/dl). Dass der spirometrische Befund - wie die Beklagten vortragen - eine allenfalls leichtgradige restrektive und obstruktive Ventilationsstörung ergeben hatte, hat allerdings auch Prof. Dr. T nicht in Abrede gestellt. Prof. Dr. L2 hat ferner nachvollziehbar darauf verwiesen, dass eine Bronchopneumonie mit ausgeprägten systemischen Entzündungszeichen in Form einer Temperaturerhöhung und einer signifikanten Erhöhung der Laborparameter einhergegangen wäre. Fieber hatte der Patient bei Aufnahme in die Klinik der Beklagten zu 1), wie in der Aufnahmeuntersuchung vermerkt worden ist, nicht. Dass die obengenannten Entzündungsparameter am 9.9.2010 nur gering erhöht waren und bei einer Pneumonie wesentlich höhere Werte zu erwarten gewesen wären, ist für den ständig mit Arzthaftungssachen befassten Senat aufgrund anderer Fälle gut nachvollziehbar. Prof. Dr. L2 hat darüber hinaus - im Einklang mit dem Vorbehandler Dr. G in seinem Bericht vom 5.7.2010 (Bl. 79 d. A.) - erläutert, dass sich die Erhöhung des CRP-Werts durch das massive Übergewicht und den deshalb mit Belastungen verbundenen Stoffwechsel erklären lässt (Bl. 234R d. A.). Schließlich hat die Aufnahmeuntersuchung bei der Auskultation der Lunge beidseits ein unauffälliges Atemgeräusch ergeben, während der Patient nicht über aktuelle Beschwerden klagte. Aufgrund der genannten Befunde und sachverständigen Erläuterungen leuchtet es ein, dass kein abklärungsbedürftiger Hinweis für ein Entzündungsgeschehen vorlag.

Das Unterlassen einer Thoraxaufnahme ist zudem nicht kausal für den Tod des Patienten. Wäre präoperativ eine Röntgenaufnahme des Thoraxes durchgeführt worden, hätte diese nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Befund einer Bronchopneumonie gezeigt, der eine Aufschiebung der Magenschlauchresektion erfordert hätte. Wie vorstehend aufgezeigt worden ist, fehlte es präoperativ an beachtlichen Hinweisen für ein Entzündungsgeschehen. Das Ergebnis der postoperativen Thoraxaufnahme vom 14.9.2010, das heißt die Verschattung am linken Hemithorax, lässt sich nach den Erörterungen von Prof. Dr. L2 in der Anhörung durch die maschinelle Beatmung während der Operation, die zu einer Reizung der Lungenschleimhaut und einer sich reaktiv anschließenden Entzündung geführt hat, erklären (Bl. 235 d. A.).

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass die Magenschlauchresektion nicht wegen einer im Operationszeitpunkt bestehenden Bronchopneumonie kontraindiziert war.

c) Es ist auch nachvollziehbar, dass der Eingriff nicht wegen eines Erysipels am linken Unterschenkel, wie Prof. Dr. L2 im Gegensatz zu Prof. Dr. T angenommen hat, kontraindiziert war.

Abgesehen davon, dass es keine beachtlichen Hinweise auf ein Entzündungsgeschehen gab, ist im Bogen der Aufnahmeuntersuchung lediglich dokumentiert, dass am linken Unterschenkel eine Rötung bei einem Zustand nach Erysipel vorgelegen hat. Dies deckt sich mit den Angaben der Klägerin im Termin vor dem Landgericht, dass die vom Hausarzt vorgenommene Behandlung des offenen Beines des Patienten abgeschlossen gewesen und eine Rötung verblieben sei.

d) Trotz des bestehenden Verdachts auf ein Schlafapnoesyndrom war es präoperativ nicht notwendig, durch eine Polysomnografie im Schlaflabor abzuklären, ob es vorlag oder nicht.

Der entsprechenden Beurteilung von Prof. Dr. L2 ist der Vorzug vor der gegenteiligen Bewertung durch Prof. Dr. T zu geben. Prof. Dr. T hat die Erforderlichkeit der Abklärung daraus hergeleitet, dass bei Vorliegen eines Schlafapnoesyndroms eine temporäre Nachbeatmung, etwa durch eine sog. CPAP-Beatmungshilfe, indiziert gewesen sei. Prof. Dr. L2 hat demgegenüber unter Anführung aktueller medizinischer Literatur belegt, dass die Diagnose einer Schlafapnoe keine entsprechende therapeutische und präventive Konsequenz gehabt hätte, was die genaue diagnostische Abklärung erübrigte. Zum einen hat Prof. Dr. L2 (Bl. 186 d. A.) in seinem schriftlichen Gutachten auf die Analyse von Shearer et al. zu der Frage verwiesen, ob eine postoperative Versorgung von Patienten mit einem obstruktiven Schlafapnoesyndrom auf einer Intensivstation mit Beatmungsmöglichkeit erforderlich ist. Diese kam zu dem Ergebnis, dass keiner der einbezogenen Patienten von einer Überwachungsstation auf eine Beatmungsstation transferiert werden musste. Zum Anderen hat er auf eine weitere Arbeit verweisen, die Patienten mit und ohne Schlafapnoesyndrom verglichen hat, und in der festgestellt worden ist, dass das Vorliegen eines Schlafpnoesyndrom die Ausgeprägtheit hypoxämischer Episoden nicht verstärkt und daher keinen unabhängigen Risikofaktor für eine postoperative Hypoxämie darstellt (Bl. 187 d. A.). In seinem darauf erstatten Ergänzungsgutachten hat Prof. Dr. T lediglich angeführt, dass es „eine Vielzahl anderer Publikationen mit gegenteiligem Ergebnis“ gebe (Bl. 221R d. A.), was die durch medizinische Literatur belegten Ausführungen von Prof. Dr. L2 mangels Konkretisierung und Nennung der Arbeiten nicht in Frage stellt, zumal insoweit in erster Linie dessen Gebiet als Facharzt für Intensivmedizin betroffen ist.

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass eine Nachbeatmung des Patienten nach der Operation nach medizinischem Standard bei bestehendem Verdacht auf ein Schlafapnoesyndrom nicht erfolgen musste. Zusätzlich ist darauf hinzuweisen, dass die regelmäßig bestimmten und dokumentierten Sauerstoffsättigungswerte mit 94 bis 96% zunächst durchgehend gut waren (vgl. die Ausführungen von Prof. Dr. L2 Bl. 185, 236 d. A.).

Im Übrigen ließe sich nicht feststellen, dass das Unterlassen einer diagnostischen Abklärung eines Schlafapnoesyndroms und das Unterlassen einer Nachbeatmung nach der Operation vom 13.9.2010 den Tod des Patienten verursacht haben. Selbst wenn eine Nachbeatmung den Tod des Patienten - wie Prof. Dr. T angenommen hat (vgl. S. 5, 7 des Ergänzungsgutachtens vom 18.10.2011, Anlage K 5) - mit hoher Wahrscheinlichkeit vermieden hätte, würde das nicht eine Feststellung des Kausalzusammenhangs mit der nach § ZPO § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit ermöglichen. Dass keine sicheren Aussage zum Kausalzusammenhang möglich sind, leuchtet schon deshalb ein, weil auch im Nachhinein nicht festgestellt worden ist, was am 14.9.2010 gegen 04.25 Uhr zum Abfall der Sauerstoffsättigung und zum anschließenden Eintritt der Reanimationspflicht geführt hat. Für eine Beweislastumkehr ist kein Raum. Von einem groben Behandlungsfehler kann angesichts der durch medizinische Literatur und Analysen gestützten Ausführungen von Prof. Dr. L2 keine Rede sein. Läge in dem Unterlassen der Abklärung eines Schlafapnoesyndrom durch Polysomnografie ein einfacher Befunderhebungsfehler, lägen die weiteren Voraussetzungen für eine Beweislastumkehr unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt nicht vor. Denn hätte die Untersuchung im Schlaflabor eine Schlafapnoe bestätigt, wäre es jedenfalls nicht grob fehlerhaft gewesen, hierauf nicht durch Nachbeatmung zu reagieren. Zur Begründung kann wiederum auf die von Prof. Dr. L2 angeführte medizinische Literatur verwiesen werden.

f) Im Rahmen der Beatmung, Intubation und Reanimation, die am 14.9.2010 ab 04.25 Uhr nach dem Abfall der Sauerstoffsättigung erfolgt sind, lässt sich ein Behandlungsfehler nicht feststellen.

Nach Durchsicht und Auswertung der Behandlungsunterlagen, insbesondere des hierin befindlichen, um 07.30 Uhr unterzeichneten ärztlichen Vermerks über das Geschehen (s. die Behandlungsunterlagen der Beklagten), haben weder Prof. Dr. L2 (Bl. 235R d. A.) noch Prof. Dr. T (S. 28 f. des Gutachtens vom 25.5.2011, Anlage K 3) Anhaltspunkte für ein fehlerhaftes Vorgehen gefunden. In dem Vermerk sind die vorgenommenen Maßnahmen, was die Kläger in der Berufungsbegründung übersehen, im Kern bezeichnet, nämlich die (initiale) Beatmung über eine Larynxmaske bei schwierigen Intubationsbedingungen, ein frustaner Versuch der Intubation und eine dann erfolgreiche Intubation. Dass eine Fehlintubation auch bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt vorkommen kann, hat Prof. Dr. T ausgeführt und entspricht dem sich aus anderen Verfahren ergebenden Kenntnisstand des Senats.

Unter dem Gesichtspunkt eines Dokumentationsversäumnisses ergeben sich für die Kläger keine Beweiserleichterungen. Dies gilt auch, soweit es darum geht, ob die jeweiligen Maßnahmen unverzüglich und zeitgerecht erfolgt sind. Zwar hat Prof. Dr. L2 darauf hingewiesen, dass nicht dokumentiert sei, wann die Intubation gelungen sei (Bl. 185 d. A.). Dieser Kritik hat sich Prof. Dr. T in seinem Ergänzungsgutachten vom 7.1.2014 angeschlossen (Bl. 218R d. A.). Eine Pflicht zur Dokumentation dieses oder anderer für den Ablauf von Beatmung, Intubation und Reanimation wesentlicher Zeitpunkte haben aber weder Prof. Dr. L2 noch Prof. Dr. T angenommen. Dies überzeugt schon deshalb, weil während des eigentlichen Vorgangs der Reanimation keine Dokumentation erfolgen kann und Zeitpunkte anschließend nur noch näherungsweise geschätzt werden können. Im Übrigen dient die ärztliche Dokumentation allein medizinischen Zwecken und damit der (späteren) Information des tätigen Arztes oder eines mit- oder nachbehandelnden Arztes über solche Umstände, die für die weitere Behandlung wesentlich sind. Für die weitere Behandlung des Klägers war es aber ohne jede Bedeutung, wann genau die einzelnen Behandlungsschritte während des Vorgangs der Intubation und Reanimation vorgenommen worden sind.

2. Die Beklagten haften jedenfalls deshalb nicht wegen mangelhafter Eingriffs- und Risikoaufklärung, weil der in der Berufungserwiderung konkludent erhobene Einwand einer hypothetischen Einwilligung durchgreift.

Allerdings ist die Behauptung der Kläger, der Patient sei nicht über das Risiko eines durch die Magenschlauchresektion oder die Anästhesie bedingten Versterbens aufgeklärt worden, im Berufungsverfahren nicht neu und unterliegt daher entgegen der Ansicht der Beklagten keiner Zurückweisung gemäß § ZPO § 531 Abs. ZPO § 531 Absatz 2 Satz 1 Nr. ZPO § 531 Nummer 1 bis ZPO § 531 Nummer 3 ZPO. Der entsprechende Vortrag befindet sich bereits, wenn auch äußerst knapp und etwas versteckt, am Ende des Schriftsatzes vom 23.12.2013, mit dem die Kläger um Verlängerung der Frist zur Stellungnahme zum Gutachten von Prof. Dr. L2 nachgesucht haben (Bl. 198 d. A.).

Das Vorbringen der Beklagten in der Berufungserwiderung, durch das sie eine ordnungsgemäße Aufklärung des Klägers darstellen und sich konkludent auf eine hypothetische Einwilligung berufen, ist nicht seinerseits gemäß § ZPO § 531 Abs. ZPO § 531 Absatz 2 Satz 1 Nr. ZPO § 531 Nummer 1 bis ZPO § 531 Nummer 3 ZPO als neu und verspätet zurückzuweisen. Dass es in erster Instanz nicht geltend gemacht wurde, beruht auch auf einem Verfahrensmangel. Hätte das Landgericht die Aufklärungsrüge, mit der es sich im angefochtenen Urteil nicht befasst hat, zur Kenntnis genommen, hätte es diesen Punkt mit den Parteien erörtern und den Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen. Denn es lag nach dem gesamten Prozessverlauf nahe, dass eine Äußerung der Beklagten in erster Instanz lediglich versehentlich unterblieben ist.

Es kann im Streitfall unterstellt werden, dass die aufklärenden Ärzte das Risiko eines Versterbens nicht ausdrücklich angesprochen und im Aufklärungsgespräch nicht erwähnt haben. Das Letalitätsrisiko bei einer Schlauchmagenresektion haben Prof. Dr. T und Prof. Dr. L2 mit Werten zwischen 0,3% (S. 18 des Gutachtens vom 25.5.2011, Anlage K 3) und 1% beziffert. Prof. Dr. L2 hat es gemessen an der Art des Eingriffs als insgesamt niedrig bewertet (Bl. 235R f. d. A.). Die handschriftlichen Anmerkungen von Dr. C2 zum chirurgischen Aufklärungsgespräch führen das Risiko „Tod“ nicht an (Bl. 89 d. A.).

Beruft sich der Arzt - wie hier - auf die hypothetische Einwilligung des Patienten, so kann dieser den ärztlichen Einwand dadurch entkräften, dass er nachvollziehbar geltend macht, er hätte sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einem echten Entscheidungskonflikt befunden. Er muss dazu einsichtig machen, dass ihn die Frage nach dem Für und Wider des ärztlichen Eingriffs ernsthaft vor die Entscheidung gestellt hätte, ob er zustimmen soll oder nicht. Kann ein Patient zu der Frage, ob er bei zutreffender ärztlicher Aufklärung in einen Entscheidungskonflikt geraten wäre, nicht persönlich angehört werden, so hat das Gericht aufgrund einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob der Patient aus nachvollziehbaren Gründen in einen ernsthaften Entscheidungskonflikt geraten sein könnte (BGH, Urteil vom 17.4.2007 - BGH Aktenzeichen VIZR10806 VI ZR 108/06, iuris Rdn. 18 ff., abgedruckt in VersR 20007, 999 ff.). So liegt es hier nicht.

Für einen durchschnittlichen Patienten in der Lage des Sohns der Kläger musste es schon nahe liegen, dass die unwidersprochen aufgeklärten, im Aufklärungsbogen handschriftlich vermerkten Komplikationen wie Bauchabszess, Verletzung von Nachbarorganen oder Lungenembolie, insbesondere angesichts des extremen Übergewichts und einer hierdurch bedingten generell erhöhten Gefährlichkeit von Operationen, bei unglücklichem Verlauf auch zum Tode führen konnten. Es ist daher schon im Ausgangspunkt nicht erkennbar, dass ein ausdrücklicher Hinweis auf das Risiko des Versterbens für den Patienten eine Information gewesen wäre, die den Eingriff in einem anderen Licht hätte erscheinen lassen und die die Entscheidung für oder gegen ihn entscheidend hätte beeinflussen können. Hinzu kommt, dass es aus der Sicht des Patienten, auch wenn bariatrische Eingriffe im Allgemeinen nur relativ indiziert sein mögen, keine Alternative zu einem operativen Vorgehen geben konnte. Dies gilt auch dann, wenn der Eingriff mit einem niedrigen Letalitätsriko verbunden war. Der Patient wog vor der Operation bei einer Körpergröße von 185 cm fast 240 kg. Binnen eines Jahres hatte er mindestens 70 kg zugenommen. Wie Prof. Dr. L2 erläutert hat und ohne weiteres einleuchtet, war das Übergewicht gesundheitlich stark belastend, führte nahezu zur Bewegungsunfähigkeit und war bei einer weiteren Zunahme seinerseits lebensbedrohlich. Konservative Abnahmeversuche hatten nicht zum Erfolg geführt. Dass beim Patienten ferner ein ganz erheblicher Leidensdruck bestand, wird durch den Bericht des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G3 vom 9.8.2010 belegt (Bl. 81 f. d. A.). Gegenüber Dr. G3 hat der Patient eine bedrückte Stimmung, Verzweifelung bezüglich seiner Situation, Schamgefühl, Versagensgefühle und sozialen Rückzug beschrieben.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ ZPO § 97 Abs. ZPO § 97 Absatz 1, ZPO § 708 Nr. ZPO § 708 Nummer 10, ZPO § 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ ZPO § 543 Abs. ZPO § 543 Absatz 2 ZPO). Die entscheidungserheblichen Fragen sind ausschließlich solche des Einzelfalls.

Berufungsstreitwert 80.000 € (wie in 1. Instanz)

Anmerkung:

Dass dem Patienten Todesrisiken "schon nahe liegen mussten ... insbesondere angesichts seines extremen Übergewichts" und daher das OLG einen Aufklärungsfehler verneinte, muss sehr kritisch betrachtet werden. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass über allgemein bekannte Risiken nicht aufzuklären ist (vgl. BGH NJW 1980, 633). Auch ist anerkannt, dass bei gebildeteren Patienten dem Patienten zugemutet werden kann, selbst Fragen zu stellen im Rahmen des Aufklärungsgesprächs (vgl. BGH VersR 1986, 342). Auch kann eine Aufklärung unnötig sein, wenn der Patient bereits informiert ist über die Risiken (vgl. BGH VersR 1980, 847), z.B. weil er diese Risiken aus der Aufklärung einer zurückliegenden Operation bereits kennt. Hier liegt aber kein solcher Fall der Kenntnis vor. Und ein Kennenmüssen kann nicht der Kenntnis (Aufgeklärtsein) gleichgestellt werden. Überdies behauptet das Gericht hier gar keine Kenntnis, sondern mutmaßt nur ein Kennenmüssen. Dabei setzt sich das OLG an keiner Stelle mit dem individuellen Bildungsstand oder Erkenntnisstand des Patienten auseinander. Manche Patienten halten eine Lungenembolie für eine Katatstrophe, andere halten dies für medizinisch beherrschbar. Allerdings stellt das Gericht der vorgenannten Argumentation noch weitere Argumente zur Seite, die ihrerseits und für sich einem Aufklärungsfehler entgegenstehen: Eine hypothetische Einwilligung lag (auch) deshalb vor, weil der Patient erheblichen Leidensdruck hatte und es keine Alternative zu der Behandlung gab.      

In diesem Fall standen sich zwei Gutachter gegenüber. Der Gerichtsgutachter und ein Privatgutachter. Diese kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Nach der Rechtsprechung des BGH muss das Gericht sich auch mit den Ausführungen eines Privatgutachters auseinandersetzen. Dies hat das OLG hier mustergültig getan. Jede einzelne gegensätzliche Position der beiden Gutachter wird beleuchtet und die Standpunkte und Argumente gegeneinander abgewogen. So wird z.B. der Privatgutachter "überstimmt", indem der Gerichtsgutachter sich auf medizinische Fachliteratur bezieht, die seine Auffassung stützt. Diese Entscheidung des OLG kann daher als Blaupause für die korrekte juristische Bearbeitung von Gutachterstreitigkeiten gesehen werden.

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Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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