Eine vertragliche Verpflichtung des ausscheidenden langjährigen ÜBAG-Partners zum Verzicht auf die ärztliche Zulassung ist sittenwidrig und unwirksam (Landgericht Weiden/Oberpfalz, Urteil vom 11.02.2015 – 11 O 127/14).

Abstract:

Prägte der ausscheidende Arzt eine überörtliche BAG durch seine mehrjährige Arbeit und das Einbringen eines halben Kassenarztsitzes mit, so ist der gesellschaftsvertragliche Verzicht auf die Zulassung bei Ausscheidenden sittenwidrig wegen Verstoßes gegen die Berufsausübungsfreiheit des Ausscheidenden. Der Gesellschaftsvertrag muss das Verbleiben der Zulassung in einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft bei Ausscheiden eines Gesellschafters für alle relevanten Praxisstandorte ausdrücklich regeln. Regelungslücken gehen zu Lasten der verbleibenden Gesellschafter. Was bei Vertragsschluss gemeint war, ist ggf. durch Zeugenbeweis der beteiligten Berater zu ermitteln.

Der Fall:

Der beklagte Arzt besaß eine halbe Vertragsarztzulassung. Im Jahr 2009 gründeten er und die Klägerin eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft. Der Beklagte brachte seine halbe Zulassung in die ÜBAG ein. Im Jahr 2011 schlossen die Parteien einen Gesellschaftsvertrag, der u.a. vorsieht, dass sich der ausscheidende Gesellschafter verpflichtet, gegenüber den Zulassungsgremien auf die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung zu verzichten.

Im Jahr 2013 kündigte der Beklagte seine Mitgliedschaft in der ÜBAG und verließ diese unter Mitnahme seiner Zulassung. Die Klägerin verlangte vom Beklagten, auf die Zulassung zu verzichten. Dem kam der Beklagte nicht nach. Die Klägerin klagte daher auf Abgabe der Zulassungsverzichtserklärung durch den Beklagten. 

Die Entscheidung:

Das LG Weiden wies die Klage ab

Dazu führt das Gericht aus:

Hinzu kommt, dass die Regelung des § 28 Ziffer 4 des Gesellschaftsvertrages vom 13.01.2011, so wie sie tatsächlich schriftlich niedergelegt ist, sittenwidrig gem. § 138 Abs. 1 BGB ist, da sie den Beklagten als ausscheidenden Gesellschafter in seiner Berufsausübungsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG beeinträchtigt.

Der Beklagte hat die tatsächlich seit dem 01.07.2009 überörtlich agierende Berufsausübungsgemeinschaft entscheidend mitgeprägt. Er war nicht nur von Anfang an dabei, sondern hat einen halben Vertragsarztsitz aus dem Planungsbereich T. mit in die Gesellschaft eingebracht.

Er war 4,5 Jahre in dieser überörtlich Berufsausübungsgemeinschaft tätig. Ein überwiegendes Interesse der Gemeinschaftspraxis am Verbleib der vom Beklagten eingebrachten Vertragsarztstelle, dem Vorrang vor der Berufsausübungsfreiheit des Beklagten einzuräumen wäre, kann daher nicht festgestellt werden.

Auch der Umstand, dass das Betreiben beider Praxen auch dem Vertragsarztsitz des Beklagten in X. - durch Nutzung von Synergieeffekten - zugute kam, rechtfertigt keinen Vorrang der Klägerin am Behalten des vom Beklagten eingebrachten Vertragsarztsitzes in die Gesellschaft. Synergieeffekte wirken für beide Praxisstandpunkte.

Bei der Bewertung der beiderseitigen Interessen kommt es nicht darauf an, in welcher Höhe der Beklagte an der überörtlichen Gemeinschaft und Gesellschaft beteiligt ist, sondern, ob er sie mit geprägt hat, was, wie ausgeführt, der Fall war.

Praxishinweis:

Diese Entscheidung liegt auf der Linie der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2002 - II ZR 90/01 -). Gesellschaftsvertragliche Verzichtsklauseln sind häufig anzutreffen. Sie sind aber - wie der vorliegende Fall zeigt - problematisch. Nur wenn ein junger Arzt ohne Zulassung in die BAG kam, eine Probezeit erhielt und dann vor seinem Ausscheiden nur relativ kurz in der BAG tätig war (und sie so nicht mitprägen konnte), ist eine solche Verzichtsklausel wirksam.

Wer Verzichtklauseln verwenden will, sollte einige Besonderheiten beachten und den Gesellschaftsvertrag rechtssicher gestalten lassen. Wer als junger Arzt mit einer solchen Klausel konfrontiert wird, sollte mindestens über eine angemessene Abfindung verhandeln oder aber auf Streichung der Klausel pochen.

Zum Thema:

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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