Wenn die vertragsärztliche Tätigkeit in einem von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Planungsbereich nicht innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung aufgenommen wird, endet die Zulassung. Führt ein Arzt eines MVZ, der auf seine Zulassung zu Gunsten eines MVZ verzichtet hat, um dort angestellt zu sein, seine Tätigkeit in den bisherigen Räumlichkeiten fort, weil das MVZ noch keine Räumlichkeiten an einem anderen Ort besitzt, so hat das MVZ seine Tätigkeit nicht nur am falschen Ort, sondern überhaupt nicht aufgenommen (BSG, Urteil v. 13.05.2015 - B 6 KA 25/14 R).

Der Fall:

Mehrere niedergelassene Ärzte verzichteten zu Gunsten eines neuen MVZ auf ihre Zulassungen, um dort angestellt zu sein. Das MVZ sollte an einem anderen Ort entstehen. Das Gebäude, in dem ein MVZ betrieben werden sollte, war nicht wie geplant fertig gestellt worden. Wegen dieser Verzögerung arbeiteten die Ärzte weiter in ihren bisherigen Praxisräumen. Die Ärzte rechneten gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung aber schon unter der Betriebsnummer des MVZ ab, obwohl für dieses noch gar kein Gebäude vorhanden war.
Erst anderthalb Jahre später wurden die Räumlichkeiten des MVZ fertiggestellt.
Der Zulassungsausschuss erklärte die Zulassung wegen Überschreiten der Dreimonatsfrist für beendet (§ 19 III Ärzte-ZV) und entzog hilfsweise dem MVZ die Zulassung unter Hinweis auf die nicht erfolgte Tätigkeitsaufnahme. Der Widerspruch der betroffenen Ärzte und auch die Klage vor dem Sozialgericht Freiburg blieben erfolglos.
Das LSG Baden-Württemberg war anderer Meinung: das MVZ habe seine Tätigkeit nur „am falschen Ort aufgenommen“ habe. Dieser Umstand wiege aber nicht so schwer, dass er die Entziehung der Zulassung rechtfertige.

Die Entscheidung des BSG:

Das BSG bestätigte das Ende der Zulassung des MVZ.

„Die Revision des beklagten Berufungsausschusses hat Erfolg. Entgegen der Auffassung des LSG endete die Zulassung der Klägerin, weil diese ihre Tätigkeit nicht innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung aufgenommen hat. Die Ärzte, die zuvor auf ihre Zulassung verzichtet hatten, um als angestellte Ärzte im MVZ tätig zu werden, haben ihre Tätigkeit am Ort ihrer bisherigen Praxis fortgeführt, weil das Gebäude, in dem das MVZ betrieben werden sollte, noch nicht errichtet war. Damit hat die Klägerin ihre Tätigkeit als MVZ nicht nur am falschen Ort, sondern in den ersten ca. eineinhalb Jahren überhaupt nicht aufgenommen. Die Existenz eines MVZ setzt jedenfalls das Vorhandensein einer räumlich und sachlich abgrenzbaren Einheit voraus. Daran fehlte es hier vollständig.

Wenn die Zulassung nicht bereits kraft Gesetzes geendet hätte, hätte die Klägerin diese im Übrigen durch die hilfsweise verfügte Entziehung verloren. Die Klägerin hat den Zulassungsausschuss durch wiederholt unwahre Angaben über die Aufnahme der Tätigkeit des MVZ getäuscht und Leistungen unter der Betriebsnummer des nicht existierenden MVZ gegenüber der zu 1) beigeladenen KÄV abgerechnet. Darin liegt eine gröbliche Verletzung von Pflichten, die die Vertrauensbasis gegenüber den Zulassungsgremien, gegenüber der Beigeladenen zu 1) und gegenüber den Krankenkassen zerstört und die deshalb zur Entziehung der Zulassung berechtigt.“

Praxishinweis:

Deutet sich schon im Zulassungsverfahren an, dass sich die Aufnahme der neuen Praxis verzögern wird, so kann der Arzt nach § 19 II Ärzte-ZV um Festlegung eines späteren Starttermins bitten. Dies kann auch nachträglich beantragt werden; ob der Zulassungsausschuss dies dann auch so macht, liegt aber in seinem freien Ermessen.

Ergeben sich nach Zulassungsentscheidung Verzögerungen bei der Aufnahme der Tätigkeit in der neuen Betriebsstätte, was in der Praxis durchaus häufiger vorkommt und ist der Zulassungsausschuss nicht bereit, nach § 19 II Ärzte-ZV die Frist zu verlängern, so kann der Arzt z.B. das Ruhen der Zulassung nach § 95 V 1 SGB V, § 26 I Ärzte-ZV beantragen, was in der Regel dann auch bewilligt wird.
Eine Verlängerung der Dreimonatsfrist ist dagegen in gesperrten Planungsbereichen nicht möglich, § 19 III Ärzte-ZV. Denn eine Zulassung beinhaltet ja nicht nur das Recht, gesetzlich versicherte Patienten zu behandeln, sondern auch die Pflicht dazu.

Ein Ruhen kann immer dann beantragt werden, wenn der Arzt die ärztliche Tätigkeit nicht ausüben kann, ihre Aufnahme aber in angemessener Zeit zu erwarten ist. Der Ruhensantrag ist nicht auf bestimmte Ruhensgründe beschränkt, so dass auch ein Ruhen wegen tatsächlicher Hindernisse (Praxis nicht bezugsfertig, Krankheit, Schwangerschaft etc.) möglich ist. Daneben kann ein verhinderter Arzt auch einen Vertreter bestellen. Wie auch immer er sich entscheidet - sein Antrag sollte gut begründet sein.    

UPDATE: Entscheidung wurde vom BVerfG aufgehoben und zurückverwiesen:

§ 19 III Ärzte-ZV (Entzug der ärztlichen Zulassung bei dreimonatiger Nichtaufnahme der ärztlichen Tätigkeit) ist verfassungswidrig und nichtig! BVerfG 26-09-2016

Zum Thema:

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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E-mail: mail@christmann-law.de


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