Die aktuelle Flüchtlingswelle weckt auch die Hilfsbereitschaft vieler Ärzte und Ärztinnen. Sie wollen sich ehrenamtlich engagieren. Haften sie dann aber auch? Und was ist, wenn sie sich zum Beispiel bei einem Flüchtling anstecken? Andere fragen sich, ob und wie sie die Flüchtlinge in ihren Praxen behandeln können und ob es möglich ist, zumindest die Sachkosten ersetzt zu erhalten. Hilfsorganisationen und Bürgerinitiativen fragen sich, ob sie für Schäden des ehrenamtlich tätigen Arztes haften (4.9.2015).
Ehrenamtliche ärztliche Arbeit
Kurzerhand machen sich Ärzte landauf landab zu den Flüchtlingsunterkünften auf den Weg und behandeln dort kranke Flüchtlinge. Der Hilfebedarf ist groß. So manchem Arzt wird dann doch aber etwas mulmig, wenn er sich fragt, wie die rechtliche Situation ist. Weiss er doch, dass er grundsätzlich für Fehler haftet. Manche fürchten, sich anzustecken und dann nicht mehr arbeiten zu können. Sind sie dann über ihre Berufsunfähigkeitsversicherung geschützt?
Arzthaftung bei Flüchtlingen?
Auch für Behandlungsfehler bei Flüchtlingen haftet ein Arzt. Allerdings gibt es starke rechtliche und tatsächliche Einschränkungen dieser Haftung. In der Regel handelt es sich um Notfallbehandlungen. Bei Notfallbehandlungen ist Eile geboten. Passieren in der Eile Fehler, so sind die Gerichte nachsichtig mit den Ärzten. Sprachbarrieren behindern die Behandlung. Die Ärzte können die Patienten oft nicht richtig aufklären oder ihnen entgehen medizinische Details in der Anamnese, weil sie den Patienten schlicht nicht richtig verstehen. Auch Aufklärungsfehler werden in solchen Notsituationen von der Rechtsprechung mit viel Nachsicht behandelt. Überdies werden sich nur wenige Flüchtlinge finden, die die helfenden ärztlichen Hände im Nachhinein mit einer Arzthaftungsklage vor einem deutschen Gericht behelligen wollen. Das Risiko einer Arzthaftung ist also sehr gering.
Und sollte es unerwarteterweise doch zu einer Arzthaftung kommen, so greift immer noch der Schutz des Arztes über dessen Berufshaftpflichtversicherung ein. Versorgt der Arzt einen Flüchtling, so ist dies eine Notfallversorgung. Und Notfallversorgungen sind mitversichert.
Auch strafrechtlich hat der Arzt wenig zu fürchten. Kommt es trotz der Hilfeleistung zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder gar zum Tod des Verletzten, so macht sich ein Ersthelfer grundsätzlich nicht strafbar, wenn er die Hilfeleistung mit der gebotenen Sorgfalt, d.h. seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten und den Umständen entsprechend, durchführt. Das Gleiche gilt, wenn der Ersthelfer im Zuge der Erste-Hilfe-Leistung zusätzliche Körperschäden beim Verletzten verursacht.
Haften Bürgerinitiativen für Schäden der Ärzte?
Angenommen, der Arzt infiziert sich bei der ehrenamtlichen Behandlung bei einem Flüchtling und erleidet zum Beispiel Verdienstausfälle. Muss die Bürgerinitiative dafür haften? Grundsätzlich nein. Da der Arzt mangels Vergütung kein Arbeitnehmer ist, scheidet eine Haftung als Arbeitgeber aus. Auch eine Haftung der Initiative als Auftraggeber scheidet aus, weil die ehrenamtliche Tätigkeit mangels Rechtsbindungswillen kein Auftragsverhältnis ist.
Wer kommt für Schäden des Arztes auf?
Die Berufsunfähigkeitversicherung des Arztes deckt standardmäßig nicht nur dessen reguläre Tätigkeit in einer Klinik oder in eigener Praxis ab. Mitversichert sind auch Schäden des Arztes, die bei einer Notfallversorgung zum Beispiel bei einem Verkehrsunfall entstehen. Und behandelt ein Arzt einen Flüchtling, der während monatelanger Flucht nicht medizinisch versorgt war und krank ist, so liegt ein Notfall vor.
Wer bei einer professionellen Hilfsorganisation hilft (Caritas, Johanniter, ASB etc.) sollte versuchen, in den Schutz der dort bestehenden Gruppenversicherungen zu gelangen. Dazu dürfte es ausreichen, wenn der Arzt nachweislich "für die Hilfsorganisation" tätig geworden ist. Um das rechtlich sattelfest zu machen, sollten emails des Arztes an die Hilfsorganisation ausreichen ("wie besprochen werde ich morgen ab 15 Uhr in der ... Straße Flüchtlinge behandeln...").
Kann der Arzt seine Sachkosten erstattet erhalten?
Hat der Flüchtling bereits eine Aufenthaltsgestattung, eine Duldung oder eine Aufenthaltserlaubnis, so hat er auch Anspruch auf medizinische Grundversorgung, sprich Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände, §§ 1, 4 Asylbewerberleistungsgesetz. Soweit die Leistungen durch niedergelassene Ärzte oder Zahnärzte erfolgen, richtet sich die Vergütung nach den am Ort der Niederlassung des Arztes oder Zahnarztes geltenden Verträgen nach § 72 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch.
Fazit:
Die Rechtsordnung privilegiert den Arzt, der in der Not hilft. Nach meiner Einschätzung werden sich weder Ankläger noch Richter finden, die einen in der Not helfenden Arzt "in die Pfanne hauen wollen".