Auch ein ausschließlich psychotherapeutisch tätiger Vertragsarzt muss am Bereitschaftsdienst teilnehmen. Er hat allerdings ein Jahr Zeit, seine fehlende allgemeinärztliche Kompetenz zu erwerben (BSG Urteil v. 19.08.2015 – B 6 KA 41/14 R).

Der Fall:

Der klagende niedergelassene Arzt hatte sich nach der damalig geltenden Notfalldienstordnung 1994 von der Teilnahme am Notfalldienst befreien lassen, weil er weniger als 20 % seiner Patienten allgemein behandelt.

Dann wurde die Bereitschaftsdienstordnung Mitte 2007 geändert. Der ausschließlich psychotherapeutisch tätige Kläger wurde zum Bereitschaftsdienst herangezogen. Man gab ihm ein Jahr Zeit, sein ärztliches Wissen wieder aufzufrischen.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Aufgrund seiner ausschließlichen psychotherapeutischen Tätigkeit verfüge er nicht mehr über die fachliche Kompetenz für den Bereitschaftsdienst. Er könne diese auch nicht binnen eines Jahres wiedererlangen. Laut einer Stellungnahme der Ärztekammer Hannover hatte diese dafür einen wesentlich längeren Zeitraum für erforderlich erachtet. Ein weiteres, vom Kläger vorgelegtes Privatgutachten eines Universitätsklinikums sah sogar eine zweijährige nahezu vollzeitige Tätigkeit im ambulanten und stationären Bereich vor, um diese Kompetenz erneut zu erwerben.

Die Entscheidung:

Auch das BSG wies die Klage des Arztes ab. Das BSG bestätigte die Pflicht des Klägers, am Bereitschaftsdienst teilzunehmen. Das BSG gibt ihm aber ein weiteres Jahr (ab Urteilszustellung) Zeit für die entsprechenden Fortbildungen.

Das BSG erkannte dabei an, dass der Kläger die erforderliche allgemeine ärztliche Kompetenz zur Notfallversorgung von Patienten aufgrund seiner Spezialisierung nicht mehr besitze. Gleichzeitig sei er aber, wie alle Vertragsärzte, zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst verpflichtet. Er solle sich entsprechend fortbilden. Dies sei ihm auch zuzumuten. 

Das BSG wies darauf hin, dass die Nichtbeachtung der Teilnahmepflicht zu disziplinarischen Maßnahmen gegen den Kläger führen könne.

Praxistipp:

Die Entscheidung zeigt erneut, dass die Pflicht zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst umfassend ist. Sie gilt grundsätzlich auch für Privatärzte. Entgehen kann man dieser Pflicht nur in absoluten Ausnahmefällen bspw. wenn der Arzt tatsächlich körperlich so eingeschränkt ist, dass seine Teilnahme am Bereitschaftsdienst unzumutbar ist und dessen Praxis so wenig Gewinn abwirft, dass eine finanzielle Beteiligung außer Verhältnis zu seinen Einnahmen stünde. Der Arzt kann aber einen jungen Kollegen als Vertreter bestellen gegen Entgelt, um sich voll und ganz seiner Praxis zu widmen. Für dessen Fehler haftet dann grundsätzlich dieser Vertreter selbst als Erfüllungsgehilfe des Arztes.

Zum Thema:

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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