Ein Arzt, der nach dem zwischen ihm und dem Krankenhausträger geschlossenen Vertrag in die Rufbereitschaft einer Abteilung eines Krankenhauses eingebunden ist, ist abhängig beschäftigt und damit sozialversicherungspflichtig (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.8.2015 - L 4 R 1001/15 -).

Der Fall:

Der zwischen dem Arzt und dem Krankenhausträger geschlossene Vertrag betrifft ausdrücklich die „Einbindung“ des Arztes in den Rufbereitschaftsdienst einer Abteilung des Krankenhausträgers (§ 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 des Vertrages). Die Zusammenarbeit erfolgt in „enger Abstimmung“ mit den verantwortlichen Ärzten des Krankenhausträgers (§ 2 Abs. 3 des Vertrages). Der Arzt ist verpflichtet, die bei Untersuchungen oder Behandlungen erhobenen Befunde sowie die sich daraus ergebenden Beurteilungen sowie Röntgenaufnahmen, Elektrokardiogramme und ähnliche Unterlagen und Aufzeichnungen dem zuständigen leitenden Abteilungsarzt zur Aufnahme in die Krankengeschichte zur Verfügung zu stellen (§ 3 Abs. 2 des Vertrages). Der Arzt hat seine Behandlung der Patienten so auszurichten, dass seine Tätigkeit sich sinnvoll in die Aufgaben und in den Arbeitsablauf des Krankenhausträgers „eingliedert“ und eine wirtschaftliche Betriebsführung gewährleistet ist (§ 4 Abs. 1 des Vertrages). Der Arzt ist gegenüber dem Personal des Krankenhausträgers weisungsbefugt, wobei er deren Arbeitsverträge zu beachten hat (§ 4 Abs. 2 des Vertrages). Er hat in identischer Weise Zugang zu den erforderlichen EDV-Systemen des Krankenhausträgers wie dessen unstreitig abhängig beschäftigte Mitarbeiter (§ 4 Abs. 3 des Vertrages) und hat die allgemeinen Richtlinien des Krankenhausträgers zu beachten (§ 4 Abs. 4 des Vertrages). Der Krankenhausträger stellt dem Arzt die zur Erbringung der Leistungen notwendigen Mittel (Personal, Räume, Einrichtungen, Gerätschaften und Material) zur Verfügung.

Die Klinik beantragte eine Feststellung des Status der Beschäftigung nach § 7a SGB IV (Klärung der Statusfrage). Die Behörde stellte fest, dass der Arzt abhängig beschäftigt ist. Dagegen klagte die Klinik.

Die Entscheidung:

Das LSG bestätigte, dass der Arzt abhängig beschäftigt ist und verneinte eine selbständige Tätigkeit. Das LSG nahm eine Gesamtwürdigung der vertraglichen Regelung und der tatsächlichen Umstände der Tätigkeit des Arztes vor. Nach alledem ist der Arzt als weisungsgebundener und abhängig Beschäftigter einzuordnen.

Denn die vertraglichen Regelungen führen zu einer engen Eingliederung des Arztes in den Betrieb des Krankenhausträgers in sachlicher, örtlicher und personeller Hinsicht. Dass sich die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit des Arztes von den vertraglichen Vereinbarungen in wesentlicher Hinsicht unterscheiden würde, ist weder von den Beteiligten behauptet worden noch ersichtlich. Vielmehr hat der Arzt auf Nachfrage vorgetragen, dass er am Beginn des Wochenenddienstes darüber informiert werde, welche Patienten er sich während seines Dienstes anschauen müsse, und dass er am Ende eines Wochenenddienstes die übernehmenden Ärzte über Vorfälle während des Wochenendes informieren müsse. Dass dies nicht vor Ort geschieht, sondern per E-Mail oder SMS, ist ohne Bedeutung. Es war auch nicht festzustellen, dass der Arzt ein nennenswertes unternehmerisches Risiko trug. Dass er einzelne Aufträge ablehnen konnte, fällt in der Gesamtwürdigung nicht ins Gewicht. Der Arzt durfte auch nicht, wie es für einen Selbständigen typisch ist, Dritten mit der Erbringung der von ihm gegenüber dem Krankenhausträger geschuldeten Leistungen beauftragen. Angesichts der gesamten Durchführung der Tätigkeit des Arztes für die Krankenhausträgerin kommt dem – vom Krankenhausträger betonten – Willen der Vertragspartner, keine abhängige Beschäftigung zu begründen, keine maßgebende Relevanz für die Qualifizierung der Tätigkeit zu.

Ob bei dem Arzt hinsichtlich der Tätigkeit für den Krankenhausträger die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI vorgelegen haben, kann uas Sicht des LSG dahinstehen. Denn der Arzt hat keinen Antrag auf Befreiung (§ 6 Abs. 2 SGB VI) gestellt.

Anmerkung:

Der Versuch der Klinik, den Arzt quasi als Dienstleister "auf Abruf" selbständig zu beschäftigen, ist also gescheitert. Wer als Arzt in einer Klinik Patienten der Klinik behandelt, ist in der Regel abhängig beschäftigt. Denn eine weisungsfreie, unternehmerische Tätigkeit im Gesamtsystem "Klinik" mit seinen eng aufeinander abgestimmten Arbeitsabläufen ist kaum denkbar. Lediglich wer konsiliarisch oder in sonstiger Weise "punktuell" tätig wird, kann in einer Klinik selbständig tätig sein. Denkbar ist dies auch bei Honorarärzten, die lediglich für die Ausführung einzelner Operationen in die Klinik kommen und dort mithin nur einzelne Leistungen erbringen. Der Belegarzt ist dagegen schon begrifflich kein Arzt der Klinik, weil er nicht Patienten der Klinik behandelt, sondern seine eigenen Patienten.  

Zum Thema:

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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