Das SG München hat im Rahmen eines Disziplinarverfahrens gegen eine Ärztin klar gestellt, dass die Ordinationsgebühr nur bei einem persönlichen Kontakt der Ärztin zu ihren Patienten abrechenbar ist (SG München, Urteil vom 18.9.2015 - S 38 KA 801/13).

Leitsätze:

1. Die Ziffer GOP 1 EBM 96 erfordert einen unmittelbaren Arzt-Patienten-Kontakt.

2. Dass ein Strafverfahren wegen Abrechnungsbetruges eingestellt wurde, steht einem Disziplinarverfahren gegen den Arzt nicht entgegen.

3. Für einen disziplarischen Verstoß ist fahrlässiges Verhalten ausreichend.

Nach Auffassung des Gerichts hat die Klägerin gegen vertragsärztliche Pflichten, insbesondere gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen. Sie rechnete, wie sie selbst mehrfach eingeräumt hat, die GOP 1 EBM ´96 in zahlreichen Fällen, so im Referenzquartal 1/2004 in 74 von 77 Fällen, ab, obwohl sie die Patienten nie gesehen hatte. Bei der GOP 1 EBM ´96 handelt es sich um die Ordinationsgebühr, die nach ihrem Wortlaut einen unmittelbaren persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt voraussetzt und nur einmal im Behandlungsfall berechnungsfähig ist. Wenn die Tätigkeit der Klägerin nur darin bestand, die Diagnose nach Telefongespräch mit Frau Dr. D. aufzunehmen und einen Überweisungsschein auszustellen, liegt kein unmittelbarer persönlicher Arzt-Patienten Kontakt vor, so dass die Leistungslegende der GOP 1 EBM ´96 nicht erfüllt ist.

Unerheblich ist der Ausgang des strafrechtlichen Verfahrens mit Einstellung desselben nach § 153 StPO; dies aus mehreren Gründen. Im strafrechtlichen Verfahren wurde wegen Betrugs ermittelt, für dessen Tatbestand die in § 263 StGB vorgesehenen Voraussetzungen vorliegen müssen. Untersucht wurde der Zeitraum März 2002 bis Februar 2006. Im Rahmen des Disziplinarverfahrens wurde dagegen als maßgeblicher Zeitraum die Quartale 3/2002 bis einschließlich 1/2005 angegeben. Die Voraussetzungen für die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme ergeben sich aus § 81 Abs. 5 SGB V in Verbindung mit § 18 Abs. 1 der Satzung der KVB. Nachdem der strafrechtlichen Verfolgung und der disziplinarrechtlichen Verfolgung unterschiedliche Zielsetzungen zugrunde liegen (ratio der Disziplinarmaßnahme: Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in Gegenwart und Zukunft) und sie an unterschiedlichen Voraussetzungen anknüpfen, stehen diese nebeneinander. Dies hat zur Folge, dass das disziplinarrechtliche Verfahren nicht zwingend den gleichen Ausgang nehmen muss wie das strafrechtliche Verfahren.

Anders als im strafrechtlichen Verfahren, bei dem der Betrugstatbestand nach § 263 StGB im Vordergrund stand, sind für die Bejahung des Verschuldens ein Vorsatz und/oder eine Bereicherungsabsicht nicht erforderlich. Vielmehr genügt ein fahrlässiges Verhalten.

Im Ergebnis hat das Sozialgericht damit die gegen die Ärztin verhängte Disziplinarmaßnahme (Geldbuße in Höhe von 3.000.- EUR) als rechtmäßig bestätigt.

Zum Thema:

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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