Ein Arztbewertungsportal muss einen Einspruch des bewerteten Arztes gegen die Bewertung überprüfen, indem es die Beanstandung des betroffenen Arztes dem Bewertenden übersendet und ihn dazu anhält, ihr den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben. Darüber hinaus muss das Portal den Bewertenden auffordern, ihr den Behandlungskontakt belegende Unterlagen, wie etwa Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien, möglichst umfassend vorzulegen (BGH, Urteil vom 1.3.2016 - VI ZR 34/15).

jameda Bewertungen

Der Bundesgerichtshof redet Klartext und schützt damit den bewerteten Arzt vor anonymisierten, nicht überprüfbaren Bewertungen. Das Gericht stellt klar, dass das Bewertungsportal selbst prüfen muss, ob der Bewertende überhaupt bei dem Arzt in Behandlung war. Für Ärzte, die bisher bei jameda.de "vor die Wand gelaufen sind" eröffnen sich mit dieser klaren höchstrichterlichen Entscheidung ganz neue Wege, gegen unberechtigte Bewertungen vorzugehen.

Nachdem der BGH bisher den Datenschutz des Bewertenden Vorrang gab (vgl. BGH, Urteil vom 1. 7. 2014 - VI ZR 345/13), räumt er nun den Rechten des Bewerteten auf Beanstandung und Überprüfung der Bewertung stärkere Bedeutung ein. Der BGH hat erkannt, welchen wirtschaftlichen Schaden negative Bewertungen anrichten können und will dem Arzt zumindest die Gelgenheit geben, substantiiert zu den Behauptungen Stellung zu nehmen. Dies scheiterte bisher daran, dass jameda.de die Anonymität des Bewertenden schützte und zugleich aber sich regelmäßig weigerte, dessen Angaben zu prüfen.   

Die Entscheidung:

Die von dem Zahnarzt beanstandete Bewertung bei jameda.de (Gesamtnote 4,8, mehrere Sechsen u.a. bei Behandlung oder Aufklärung) ist laut BGH keine eigene "Behauptung" von jameda.de, weil jameda.de sich diese inhaltlich nicht zu eigen gemacht hat. Die Beklagte jameda.de haftet für die vom Nutzer ihres Portals abgegebene Bewertung deshalb nur dann, wenn sie zumutbare Prüfungspflichten verletzt hat. Deren Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem Gewicht der beanstandeten Rechtsverletzung, den Erkenntnismöglichkeiten des Providers sowie der Funktion des vom Provider betriebenen Dienstes zu. Hierbei darf einem Diensteanbieter keine Prüfungspflicht auferlegt werden, die sein Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährdet oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschwert.

Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte ihr obliegende Prüfpflichten verletzt. Der Betrieb eines Bewertungsportals trägt im Vergleich zu anderen Portalen von vornherein ein gesteigertes Risiko von Persönlichkeitsrechtsverletzungen in sich. Diese Gefahr wird durch die Möglichkeit, Bewertungen anonym oder pseudonym abzugeben, verstärkt. Zudem erschweren es derart verdeckt abgegebene Bewertungen dem betroffenen Arzt, gegen den Bewertenden direkt vorzugehen. Vor diesem Hintergrund hätte die beklagte Portalbetreiberin die Beanstandung des betroffenen Arztes dem Bewertenden übersenden und ihn dazu anhalten müssen, ihr den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben. Darüber hinaus hätte sie den Bewertenden auffordern müssen, ihr den Behandlungskontakt belegende Unterlagen, wie etwa Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien, möglichst umfassend vorzulegen. Diejenigen Informationen und Unterlagen, zu deren Weiterleitung sie ohne Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TMG in der Lage gewesen wäre, hätte sie an den Kläger weiterleiten müssen.

Im weiteren Verfahren werden die Parteien Gelegenheit haben, zu von der Beklagten ggf. ergriffenen weiteren Prüfungsmaßnahmen ergänzend vorzutragen.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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