Es besteht kein Bereicherungsanspruch des Patienten für Wahlleistungsentgelte gegen einen Chefarzt ohne Liquidationsrecht bei gleichzeitigem Haftungsausschluss der Klinik für die wahlärztlichen Leistungen (BGH, Urteil v. 14.01.2016 - III ZR 107/15).

Wahlleistungsvereinbarung KlinikDer Fall:

Eine private Krankenversicherung verlangte von einem Chefarzt Wahlleistungsentgelte für eine stationäre Operation (Pankreaskopfresektion) als Privatbehandlung zurück, weil diese überhöht seien. In der Wahlleistungsvereinbarung, die die Patienten mit der Klinik schloss, schloss die Klinik jede Haftung für die wahlärztlichen Leistungen aus. Der Wahlarzt (Chefarzt) besaß im übrigen kein Liquidationsrecht gegenüber den Patientin sondern war vielmehr nur anteilig am Gesamtumsatz der Klinik beteiligt. Die Klinik erteilte der Patienten nach der Operation eine Rechnung unter Angabe ihrer Kontoverbindung. Die Patientin zahlte das Entgelt auf das Konto der Klinik. 

Das OLG hatte die Klage der Versicherung abgewiesen.

Die Entscheidung:

Der BGH bestätigt das klageabweisende Urteil des OLG. Weder gab es ein Vertragsverhältnis zwischen dem Chefarzt und der Patientin (I.), noch habe der Chefarzt bereicherungsrechtlich etwas erlangt aus der Behandlung, weil ihm das Entgelt nicht zugeflossen sei (II.). 

I. Ein Vertragsverhältnis zwischen Chefarzt und der Patientin verneint der BGH.

Das Gericht führt dazu aus, dass man bei Wahlleistungsvereinbarungen unterscheiden muss, welche Art von Vertragsverhältnissen zwischen den Beteiligten (Patient - Krankenhaus - Chefarzt) bestehen:

Der Regelfall bei Wahlleistungen in einer Klinik ist der sog. totale Krankenhausvertrag mit Arztzusatzvertrag, d.h. die Klinik ist verpflichtet, dem Patienten alle Leistungen zu erbringen. Der Wahlarzt (Chefarzt) ist zusätzlich verpflichtet, die Wahlleistung (bestimmte OP durch Chefarzt) zu erbringen. Es kommt mithin zu einer doppelten Verpflichtung hinsichtlich der Wahlleistung. Der Patient hat dann zwei Vertragspartner - Chefarzt und Klinik, wobei die Klinik auch für die Wahlleistungen des Chefarztes haftet. 

Nur ausnahmsweise liegt bei Wahlleistungen in einer Klinik ein gespaltener Arzt-Krankenhausvertrag vor. Bei diesem tritt der Krankenhausträger, nicht der einzelne Arzt, dem Patienten bei dessen Aufnahme als Vertragspartner entgegen und bietet ihm die "freie Arztwahl" als (gesonderte, vom Klinik-Patienten-Vertrag getrennte) Wahlleistung an, die der Patient mit dem Wahlarzt gesondert vereinbart. Dabei kann der Patient diesen Wahlarztvertrag auch gleich "in einem Rutsch" mitabschließen (wozu man davon ausgeht, dass der Klinikmitarbeiter dann auch den Wahlarzt grundsätzlich vertreten kann und auch vertritt).

Hier stellt der BGH fest, dass die Klinik keinen totalen Krankenhausvertrag (bei dem sie für die Leistungen des Wahlarztes gerade stehen muss) wollte, denn die Klinik hat ja ausdrücklich in der Wahlleistungsvereinbarung geschreiben: Die Klinik haftet danach nicht für die wahlärztliche Leistung (diese ist vielmehr "nicht Gegenstand des Vertrages") und sie "haftet nicht für Leistungsstörungen oder Schäden, die im Zusammenhang mit dem Wahlarztvertrag entstehen". Der Haftungsdausschluss macht das Ganze zu einem Ausnahmefall. Wegen der wahlärztlichen Leistungen besteht kein Vertragsverhältnis mit der Klinik - ein solches muss mit dem Wahlarzt begründet werden. Hier wurde es aber nicht begründet. Weder hat der Wahlarzt mit der Patientin eine (eigene) Wahlleistungsvereinbarung geschlossen, noch wurde er dabei von der Klink vertreten. Eine dafür erforderliche Vertretungsmacht hat der BGH verneint. Denn es bestand für den beklagten Chefarzt - der ja kein Liquidationsrecht besaß - keine Veranlassung, durch Abschluss eines gesonderten Behandlungsvertrags ein zusätzliches Haftungsrisiko gegenüber der Versicherungsnehmerin zu übernehmen, ohne im Gegenzug einen eigenen Honoraranspruch gegen sie zu erwerben. Deshalb war davon auszugehen, dass er die Klinik nicht konkludent bevollmächtigt hatte, ihn mit einer Wahlleistungsvereinbarung zu verpflichten, ohne dafür etwas zu bekommen.

II. Auch ein Anspruch aus ungerechtfertigeter Bereicherung ist zu verneinen. Da in diesem Fall der Chefarzt kein eigenes Liquidationsrecht von der Klink eingeräumt bekommen hatte, die Rechnung von der Klinik kam und die Überweisung der Patientin auf ein Konto der Klinik erfolgte, ging der BGH davon aus, dass der Chefarzt hier gar nichts "erlangt" hatte.   

Anmerkung:

Die Versicherung ist also mit dem Anspruch gegen den Chefarzt vor die Wand gelaufen. Ob eine Klage gegen die Klinik Erfolg verspräche, ist die eigentlich interessante Frage. Dieser floss das Wahlleistungsentgelt ja zu. Sie hat aber andererseits keine Haftung für den Wahlarztvertrag übernommen und rechtstechnisch (so der BGH) keinen eigenen Wahlarztvertrag mit der Patientin geschlossen oder dafür eine Haftung übernommen. Dann hätte die Klinik das Wahlleistungsentgelt aber ohne Rechtsgrund erlangt.

Zum Thema:

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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