Das SG Aachen sträubt sich, Fettschürzen am Bauch, die zwar Ekzeme verursachen, die aber behandelbar sind, als Krankheit anzusehen und verweigert es der betroffenen Frau, diese Hautlappen auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung wegoperieren zu lassen (SG Aachen, Urteil vom 10.5.2016 - S 13 KR 307/15).  

Fettschurzen am OberschenkelDer Fall:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf eine operative Fettschürzenresektion im Bauchbereich (Bauchdeckenplastik) zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

Die Klägerin wog früher 99 kg bei einer Größe von 172 cm (= BMI von 38,3). Dann nahm sie 50 kg ab und litt danach an überlappender Haut (cutis lax, Hautüberschuss oder auch „Fettschürze“ genannt). Dadurch bedingt traten in den Falten Ekzeme auf laut Arztbrief eines plastischen Chirurgen. Weiter wird in dem Brief beschrieben eine "eindeutige medizinische Indikation zu einer Fettschürzenresektion mit angleichender Liposuktion zur Wiederherstellung des Körperbildes"

In der Folge beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für eine operative Entfernung der Fettschürze.

Die Klägerin trug ergänzend vor, sie könne keine normalen Konfektionsgrößen mehr tragen, traue sich nicht mehr in Badesachen in die Öffentlichkeit und fühle sich dadurch stark eingeschränkt. Sie legte eine Fotodokumentation vor, die ihren Bauchbereich zeigt. Sie verwies auch auf erhebliche psychische Belastungen. Sie sei entstellt. Die Ekzeme habe die Klägerin mit rezeptfreien Selbstbehandlungen kontrolliert - nur durch intensive Pflege- und Schutzmaßnahmen sei die Haut aktuell in einem reizfreien Zustand.

Die Entscheidung:

Das Gericht wies die Klage der Frau ab. Die Krankenversicherung habe nur die Kosten für die Behandlung von Krankheiten zu tragen.

Fettschürzen seien aber keine Krankheit, wie die Landesozialgerichte bereits mehrfach entschieden hätten. Denn mit einer Fettschürze seien keine körperliche Fehlfunktionen verbunden.

Die Ekzeme habe die Klägerin mit eigener Behandlung im Griff. Dann sei aber keine Operation erforderlich.

Auch die von der Klägerin angeführten psychischen Belastungen rechtfertigten eine Operation nicht. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts seien derartigen Belastungen nicht mit chirurgischen Eingriffen in eine an sich gesunde Körpersubstanz, sondern mit Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu begegnen.

Das Gericht verneinte auch eine Entstellung der Klägerin. Der Zustand der Klägerin ziehe nicht ständig viele Blicke auf sich und bedrohe die Betroffene mit sozialer Ausgrenzung. Zwar hänge die Haut vielfach schlaff herunter und bilde Schürzen. Allerdings könne dies durch weite Kleidung bedeckt werden.

Anmerkung:

Da die Klägerin nicht krank ist, benötigt sie einen Operation nicht. Insofern ist dem Urteil zuzustimmen. Sie wünscht vielmehr eine Schönheitsoperation. Diese hat sie dann aber aus eigener Tasche zu bezahlen.

Mit anderen Worten: Der Zustand ist wahrlich nicht schön, aber selbst verschuldet und ohne Krankheitswert. Der richtige Weg ist es, die Belastungen mit psychologischer Hilfe zu behandeln und im Schwimmbad schlicht ein T-Shirt zu tragen.

Dass ein Schönheitschirurg der Klägerin bereitwillig eine angebliche medizinische Erforderlichkeit bescheinigte, kann durchaus den monetären Interessen des Chirurgen geschuldet sein, der weiss, dass seine Patientin die Operation nicht selbst bezahlen kann.

In Anbetracht der vielen möglichen Komplikationen, die solche Fettschürzenentfernungsoperationen nach meiner Erfahrung mit sich bringen, könnte die Klägerin dem Gericht noch einmal dankbar sein.

Zum Thema:

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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