Die Kosten einer künstlichen Befruchtung mit gespendeten Eizellen (heterologe In-Vitro-Fertilisation) kann der Versicherte nicht von seiner privaten Krankenversicherung ersetzt verlangen. Denn diese Heilbehandlungsmaßnahme ist in Deutschland nicht erlaubt und für nicht erlaubte Behandlungsmethoden besteht keine Leistungspflicht der privaten Krankenversicherung - eine Erstattungspflicht verstieße gegen Treu und Glauben. Dass diese Methode im europäischen Ausland teilweise erlaubt ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die unterlegene Patientin kann aber noch den Bundesgerichtshof anrufen (OLG München, Urteil vom 13.05.2016 - 25 U 4688/15).

KinderzimmerTenor:

1. Die Berufung der Klägerin (Patientin) gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 24.11.2015, Az. 23 O 14874/14 (Klage auf Zahlung der Behandlungskosten abgewiesen), wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des je zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen, soweit die Erstattung von Kosten für die Behandlungen in Tschechien betroffen ist.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 24.167,57 € festgesetzt.

Gründe

Der Fall: 

I.

Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung von Behandlungskosten wegen künstlicher Befruchtung aus einem zwischen den Parteien geschlossenen privaten Krankenversicherungsvertrag geltend.

Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine private Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung. Zugrunde liegen die Musterbedingungen 2009 des Verbandes der privaten Krankenversicherung (MB/KK 2009, Anlage K 2). Deren § 1 (1) lautet auszugsweise: „Der Versicherer bietet Versicherungsschutz für Krankheiten, Unfälle und andere im Vertrag genannte Ereignisse“. Der Versicherungsfall wird dabei in § 1 (2) MB/KK 2009 definiert wie folgt: „Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung; er endet, wenn nach medizinischen Befund Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht“. § 1 (3) MB/KK 2009 bestimmt: „Der Umfang des Versicherungsschutzes ergibt sich aus ... sowie den gesetzlichen Vorschriften. Das Versicherungsverhältnis unterliegt deutschem Recht.“ In § 1 (4) MB/KK 2009 findet sich weiter folgende Regelung: „ Der Versicherungsschutz erstreckt sich auf Heilbehandlung in Europa. (...)“.

Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Embryonenschutzgesetz (ESchG) wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer es unternimmt, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt; gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG gilt die gleiche Strafandrohung für den, der es unternimmt, mehr Eizellen einer Frau zu befruchten, als ihr innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen.

Die am 29.12.1969 geborene Klägerin und ihr Ehemann waren kinderlos. Die Klägerin führte zunächst eine In-​Vitro-​Fertilisation (IVF) in einer Gemeinschaftspraxis in München durch, im Zeitraum von Juni bis Dezember 2011 wurden insgesamt 5 letztlich erfolglose Befruchtungsversuche vorgenommen. Daraufhin begab sich die Klägerin zu einer Behandlung in die Tschechische Republik in Prag zu einem dortigen IVF-​Zentrum. Dort wurden im Jahr 2012 insgesamt drei Versuche einer Eizellspende mit IVF-​Behandlung sowie verlängerter Embryokultivierung (Blastozystentransfer) durchgeführt. Den Spenderinnen wurden 7 bzw. 9 Eizellen entnommen, von denen durch den Partner der Klägerin 6 bzw. 5 bzw. 8 befruchtet werden konnten und es zum Transfer von je 2 Blastozysten kam. Beim letzten Versuch der Eizellspende kam es zu einer Zwillingsschwangerschaft und am 29.07.2013 zur Entbindung von zwei Jungen. Im Anschluss an die Behandlungen wurden der Klägerin die streitgegenständlichen Beträge berechnet. Die Klägerin reichte die Rechnungen für die Behandlungen in Deutschland und in Tschechien bei der Beklagten ein. Die Beklagte lehnte eine Kostenerstattung ab.

Die Klägerin hat daraufhin vor dem Landgericht München I Klage auf Erstattung der sich insgesamt auf etwas über 24.000 € belaufenden Kosten erhoben, wovon ca. 13.000 € auf die Behandlungen in Deutschland, ca. 11.000 € auf die Behandlungen in Tschechien entfielen. Die Klägerin behauptet im Wesentlichen, dass es sich um medizinisch notwendige Heilbehandlungen gehandelt habe und die Beklagte deswegen zur Erstattung verpflichtet sei. Sie ist der Ansicht, dass auch die Behandlungen in der Tschechischen Republik erstattungsfähig seien. Zwar möge es sein, dass die dortige Behandlung in Deutschland gegen das ESchG verstoße; jedoch sei die Behandlung in Tschechien erlaubt und es liege kein Verstoß gegen § 134 BGB vor. Darüber hinaus würde eine anderweitige Auslegung gegen die europäische Dienstleistungsfreiheit verstoßen.

Die Beklagte ist den Ansprüchen vor dem Landgericht entgegengetreten und hat hierzu im Wesentlichen behauptet, dass die Erfolgsaussichten der Fertilitätsbehandlung unter 15 % gelegen hätten und damit eine Erstattungsfähigkeit nicht gegeben sei. Des Weiteren ist sie der Ansicht, dass die Kosten der in der Tschechischen Republik durchgeführten Kinderwunschbehandlungen mit Eizellspenden bereits deshalb nicht erstattungsfähig seien, weil derartige Behandlungen als Verstoß gegen das ESchG in Deutschland verboten seien und strafrechtlich verfolgt würden. Der Behandlungsvertrag sei daher gemäß § 134 BGB nichtig. Jedenfalls handele es sich nicht um berechtigte Aufwendungen der Klägerin, zu deren Erstattung die Beklagte als Passivversicherung verpflichtet wäre. Darüber hinaus liege schon keine Heilbehandlung der Klägerin bei den Behandlungen in Tschechien vor.

Das Landgericht hat die Klage nach Erholung eines Sachverständigengutachtens als unbegründet abgewiesen.

Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die IVF-​Behandlungen in Deutschland bestehe nicht, weil Aufwendungen hierfür nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes als medizinisch notwendige Heilbehandlung von der privaten Krankenversicherung nur dann zu erstatten seien, wenn die Maßnahme hinreichenden Erfolg verspreche, wobei für diese nicht vital lebensnotwendige „Behandlung“ eine Erfolgswahrscheinlichkeit von mindestens 15 % anzusetzen sei. Nach dem überzeugenden Gutachten der Sachverständigen habe die Erfolgswahrscheinlichkeit einer IVF-​ICSI-​Behandlung in der Person der Klägerin am ehesten im Bereich 5 - 10 %, sicherlich unter 15 % gelegen, was nicht ausreiche.

Auch für die Behandlungen in der Tschechischen Republik bestehe keine Erstattungsfähigkeit. Zwar würden bei dieser Behandlungsmethode nach dem Gutachten der Sachverständigen die Erfolgsaussichten deutlich höher liegen, nämlich im Bereich von 60 % - 80 %, jedoch scheide die Erstattungspflicht der Beklagten aus anderen Gesichtspunkten aus. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob überhaupt in der streitgegenständlichen Behandlung in Form der künstlichen Befruchtung mit einer gespendeten fremden Eizelle eine Heilbehandlung vorliege. Auch liege keine Nichtigkeit des Behandlungsvertrages gemäß § 134 BGB vor, da die streitgegenständliche Behandlung zwar bei Durchführung in Deutschland gegen § 1 Abs. 1 Nr. 2, 5 ESchG verstoßen würde, das tschechische Recht sie jedoch nicht unter Strafe stelle. Somit mache sich weder der tschechische Arzt noch die Klägerin nach dem ESchG strafbar. Das Landgericht hielt einen Erstattungsanspruch aber - auch bei Durchführung im Ausland - nicht für gegeben für Behandlungen, die in Deutschland unter Strafe gestellt sind. Der persönliche Strafausschließungsgrund des § 1 Abs. 3 ESchG für die Klägerin ändere nichts daran, dass eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung vorliege. Auch eine etwaige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nach Artikel 56 ff. AEUV durch die fehlende Erstattungsfähigkeit rechtfertige keine andere Bewertung, da diese Beschränkung wegen des gesetzgeberischen Schutzzwecks des ESchG - Verhinderung einer sog. gespaltenen Mutterschaft - aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sei. Wäre die Behandlung in Deutschland erfolgt, wäre sie strafbar und würde auch unter § 134 BGB fallen; eine Umgehung dieser gesetzgeberischen Entscheidung durch Verlagerung der Behandlung ins Ausland könne nicht zu einer Erstattungspflicht der Versicherung führen, dies könne zumindest nach § 242 BGB entgegengehalten werden.

Im Einzelnen wird auf das Urteil des Landgerichts (Bl. 83/93 d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Klageziel vollumfänglich weiterverfolgt. Sie rügt einen Verfahrensfehler, da das Verfahren nicht dem EuGH bzw. dem EGMR zur Entscheidung vorgelegt worden sei. Für die Behandlung in Deutschland sei entgegen den Ausführungen des Landgerichts eine Erfolgswahrscheinlichkeit von mindestens 15 % gegeben; das Sachverständigengutachten sei fehlerhaft. Die in Tschechien vorgenommene Behandlung falle nicht unter die Anwendung eines in Deutschland geltenden Verbotsgesetzes; durch die Rechtsansicht des Erstgerichts würde eine unzulässige analoge Anwendung von deutschen Strafnormen auf Handlungen im europäischen Ausland stattfinden. Ein evtl. Verbotsgesetz verstoße gegen europäisches Gemeinschaftsrecht. Die in Tschechien erlaubte Eizellenspende ziele schließlich auch darauf ab, einen regelwidrigen Gesundheitszustand zu beseitigen.

Auf die Berufungsbegründung vom 08.01.2016 (Bl. 108/114 d.A.) und den Schriftsatz vom 09.01.2016 (Bl. 115 d.A.) wird Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt im Berufungsverfahren:

I. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I - Az. 23 O 14874/14 - wie am 24.11.2015 verkündet, dass die Beklagte/Berufungsbeklagte verurteilt wird, an die Klägerin/Berufungsklägerin 24.167,57 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

II. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I - Az. 23 O 14874/14 - wie am 24.11.2015 verkündet, dass die Beklagte/Berufungsbeklagte verurteilt wird, an die Klägerin/Berufungsklägerin vorgerichtliche Kosten in Höhe von 633,32 € nebst 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Auf die Berufungserwiderung vom 29.09.2016 (Bl. 119/120 d.A.) wird Bezug genommen.

Der Senat hat mit Verfügung vom 05.02.2016 (Bl. 117/118 d.A.) und in der mündlichen Verhandlung vom 05.04.2016 (Bl. 121/124 d.A.) rechtliche Hinweise erteilt, worauf ebenfalls Bezug genommen wird.

Die Entscheidung:

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klageabweisung durch das Landgericht beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

1. Wie schon im Hinweis vom 05.02.2016 dargelegt, liegt kein Verfahrensfehler darin, dass das Landgericht das Verfahren nicht ausgesetzt und dem EuGH bzw. dem EGMR zur Vorabentscheidung vorgelegt hat. Denn im Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV sind nur letztinstanzliche Gerichte ggf. zu einer Vorlage an den EuGH verpflichtet; eine Rechtsgrundlage für eine Vorlagepflicht an den EGMR wird von der Klägerin weder benannt noch ist eine solche ersichtlich.

2. In Bezug auf die abgelehnte Kostenerstattung für die in Deutschland vorgenommenen IVF-​Behandlungen - ein eigenständiger Teil des angefochtenen Urteils - fehlt es bereits an einem wirksamen Berufungsangriff. Die Berufungsbegründung rügt in diesem Bereich lediglich pauschal die Feststellungen des Landgerichts auf der Grundlage des erholten Sachverständigengutachtens; sie bezeichnet jedoch entgegen § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, § 529 Abs. 2 ZPO keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Tatsachenfeststellungen begründen könnten. Im Übrigen hält der Senat wie das Landgericht die Ausführungen im (schriftlich ergänzten) Gutachten der Sachverständigen zur unter 15 % gelegenen Erfolgswahrscheinlichkeit einer IVF-​ICSI-​Behandlung in der Person der Klägerin für nachvollziehbar und plausibel; es besteht auch daher - unabhängig von einer zulässigen Berufungsrüge - kein Anlass zu etwaigen Zweifeln im Sinne des § 529 Abs. 1 ZPO an diesen Feststellungen des Landgerichts.

3. Das Landgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten für die Behandlungen in Tschechien abgelehnt, die in Form der künstlichen Befruchtung mit gespendeten fremden Eizellen durchgeführt wurden. Der Senat teilt im Ergebnis die Auffassung des Landgerichts, dass eine Erstattungspflicht der Beklagten hierfür deswegen nicht besteht, weil diese Behandlungen, wenn sie in Deutschland erfolgt wären, gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 5 ESchG strafbar wären.

a) An den im Hinweis vom 05.02.2016 geäußerten Bedenken daran, ob bei dieser Form der künstlichen Befruchtung überhaupt eine Heilbehandlung im Sinne der Versicherungsbedingungen vorliegt (ablehnend insbesondere LG Köln in VersR 2007, 1359), hält der Senat nach abschließender Beratung allerdings nicht fest.

Heterologe In-Vitro-Fertilisation ist Heilbehandlung gemäß Versicherungsvertrag

Heilbehandlung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jegliche ärztliche Tätigkeit, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt und auf Heilung, Besserung oder auch Linderung der Krankheit abzielt. Dem ist eine ärztliche Tätigkeit gleich zu achten, die auf eine Verhinderung der Verschlimmerung einer Krankheit gerichtet ist. Dabei sind die Begriffe "ärztliche Leistung" und "medizinische Krankenpflege" in einem weiten Sinne zu verstehen. Unter den Begriff der Krankheit fällt nach dieser Rechtsprechung auch eine auf körperlichen Ursachen beruhende Unfähigkeit, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen bzw. zu empfangen.

Dass eine homologe In-​vitro-​Fertilisation als Heilbehandlung in diesem Sinne anzusehen ist, wenn sie dazu eingesetzt wird, um die Fortpflanzungsunfähigkeit einer Frau zu überwinden, hat der Bundesgerichtshof bereits in einem Urteil aus dem Jahr 1986 (BGHZ 99, 228, 231 ff.) anerkannt. Er hat dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass die Maßnahme auf die Linderung der Krankheit "Sterilität" ziele, auch wenn nicht bezweckt sei, deren Ursachen zu beseitigen oder Schmerzen und Beschwerden zu lindern. Entscheidend sei, dass von einer Linderung einer Krankheit schon dann gesprochen werden könne, wenn die ärztliche Tätigkeit auf die Abschwächung, eine partielle oder völlige Unterbindung oder Beseitigung von Krankheitsfolgen gerichtet sei oder eine Ersatzfunktion für ein ausgefallenes Organ bezweckt werde. Die In-​vitro-​Fertilisation ersetze bei der Frau die gestörte Transportfunktion der Eileiter durch einen ärztlichen Eingriff, um dadurch das Nichtzustandekommen einer natürlichen Empfängnis zu überwinden und eine Schwangerschaft zu ermöglichen. Da die naturgegebene Funktion des erkrankten Organs sich in der Hauptsache darauf beschränke, eine Schwangerschaft zu ermöglichen, könne es für die Frage der Heilbehandlung nicht darauf ankommen, dass mit der In-​vitro-​Fertilisation die Durchgängigkeit des Eileiters selbst nicht wiederhergestellt werde.

In weiteren Entscheidungen (vgl. insbesondere BGH VersR 2004, 588 und VersR 2010, 1485) hat der Bundesgerichtshof diese Rechtsprechung weiterentwickelt und eine Heilbehandlung auch in Fällen bejaht, in denen es um die Überwindung einer organisch bedingten Unfruchtbarkeit eines Mannes ging bzw. um ein etwaiges Zusammentreffen körperlich bedingter Fertilitätseinschränkungen von Mann und Frau. Dabei hat er maßgeblich darauf abgestellt, inwieweit die ärztlichen Maßnahmen in ihrer Gesamtheit dem Zweck dienten, die durch Krankheit behinderte Körperfunktion zu ersetzen. Es könne insoweit keine Rolle spielen, dass sich eine Maßnahme nicht dazu eigne, die Ursachen der Unfruchtbarkeit zu beheben. Denn dem Begriff der Linderung einer Krankheit wohne gerade nicht inne, dass damit auch eine Behebung ihrer Ursachen verbunden sei. Die Behandlung ziele darauf ab, einen Zustand zu erreichen, der ohne die Fertilitätsstörung mit Hilfe der natürlichen Körperfunktionen hätte herbeigeführt werden können, was in bestimmten Fällen nur durch eine Gesamtheit von Maßnahmen erreicht werden könne.

Nach Auffassung des Senats rechtfertigt der Umstand, dass bei der hier streitgegenständlichen sog. heterologen In-​vitro-​Fertilisation die Kinder nicht die genetischen Nachkommen der Mutter sind, keine abweichende Beurteilung. Auch bei dieser Behandlung wird ein Zustand erreicht, der ohne die Fertilitätsstörung mit Hilfe der natürlichen Körperfunktionen hätte herbeigeführt werden können - es wird eine Schwangerschaft ermöglicht -, wenn auch weitere ärztliche Behandlungsschritte unter Einbeziehung einer dritten Person (der Eizellspenderin) erforderlich sind und die Patientin eine befruchtete Eizelle austrägt, die nicht von ihr, sondern von einer anderen Frau stammt. Eine solche Behandlung führt jedenfalls rechtlich zu einer Mutterschaft, da gemäß § 1591 BGB Mutter eines Kindes die Frau ist, die es geboren hat. Da sowohl eine eigene Schwangerschaft der Patientin herbeigeführt wird als auch eine ärztliche Tätigkeit vorliegt, durch die eine durch Krankheit behinderte Körperfunktion ersetzt wird, unterscheidet sich eine solche Behandlung auch maßgeblich von Fällen, in denen bei Fertilitätsstörungen der Wunsch nach „eigenen“ Kindern durch Adoption, allein oder in Verbindung mit einer Leihmutterschaft, erfüllt wird.

Kein Verstoß gegen § 134 BGB, weil Behandlung im Ausland

b) Der Senat folgt nicht der Auffassung der Beklagten, dass eine Erstattungspflicht für sie schon deshalb ausscheide, weil aufgrund des Verbotsgesetzcharakters des § 1 ESchG der Vertrag über die ärztlichen Behandlungen in Tschechien gemäß § 134 BGB nichtig wäre.

Zwar stellen die betroffenen Strafvorschriften nach wohl herrschender Auffassung (vgl. Prölss/Martin - Voit, VVG, 29. Aufl., § 192, Rn. 37; Armbrüster in MünchKomm BGB, 7. Aufl., § 134, Rn. 101; Staudinger - Sack/Seibl, BGB, 2011, § 134, Rn. 226), der der Senat folgt, grundsätzlich Verbotsgesetze im Sinne des § 134 BGB dar. Die in § 1 Abs. 1 ESchG vorgesehenen Straftatbestände tragen der Würde des menschlichen Lebens Rechnung und dienen insbesondere der Wahrung des Kindeswohls. Das Verbot der Eizellspende - wobei der Schutz durch die Fassung der einzelnen Tatbestandsvarianten (wie des vorliegend einschlägigen § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG) schon im Vorfeld einsetzt - soll die Entstehung einer sogenannten gespaltenen Mutterschaft verhindern, bei der die austragende Mutter mit der genetischen Mutter nicht identisch ist. Der Gesetzgeber hat befürchtet, dass für einen jungen Menschen, der sein Leben sowohl seiner genetischen Mutter als auch der austragenden Mutter verdankt, die eigene Identitätsfindung wesentlich erschwert und dadurch seine seelische Entwicklung beeinträchtigt wird (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des Embryonenschutzgesetzes, BT-​Drucks. 11/5460, S. 6 bis 8). Dieser Schutzzweck erfordert die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften - Behandlungsverträgen -, die gerade auf Durchführung der betroffenen, strafrechtlich verbotenen Methoden künstlicher Befruchtung gerichtet sind. Die gesetzlichen Verbote des § 1 Abs. 1 ESchG richten sich auch nicht nur gegen einen der Vertragspartner. Zwar kommen als Täter aufgrund der Formulierung der einzelnen Tatbestände primär ärztlich Handelnde in Betracht, vom strafrechtlichen Verbot werden aber auch Teilnahmehandlungen erfasst; der persönliche Strafausschließungsgrund gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 ESchG für Empfängerinnen von Eizell- bzw. Embryospenden ändert nichts am grundsätzlichen Verbot und daran, dass eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung der Eizellempfängerin vorliegt (vgl. § 28 Abs. 2 StGB).

Wäre der Behandlungsvertrag also darauf gerichtet gewesen, die hier streitgegenständliche Form der künstlichen Befruchtung durch Eizellspende im Inland vorzunehmen, wäre er wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 5 ESchG gemäß § 134 BGB nichtig gewesen; es bestünde keine Grundlage für eine Erstattungspflicht.

Dies lässt sich aber nicht auf eine Behandlung in einem ausländischen Staat, in dem ein entsprechendes Verbot nicht besteht, übertragen. Denn die Strafvorschriften des § 1 ESchG beanspruchen gemäß §§ 3 - 7 StGB per se keine Auslandsgeltung. Handlungen des tschechischen Arztes oder der Klägerin in Tschechien waren nicht strafbar. Lediglich für etwaige Teilnahmehandlungen in Deutschland wäre in begrenztem Umfang gemäß § 9 Abs. 2 StGB - als Ausnahme vom Grundsatz der Akzessorietät der Teilnahme - eine Strafbarkeit in Betracht gekommen (vgl. näher unten unter Ziffer 3.c)bb)). Darüber hinaus dürfte nach internationalem Privatrecht auf die hier betroffenen Behandlungsverträge deutsches Recht ohnehin keine Anwendung finden. Denn die in Tschechien durchgeführten (und wohl auch geschlossenen) Behandlungsverträge haben jedenfalls dort ihren Schwerpunkt; in Tschechien ist diese Form der künstlichen Befruchtung erlaubt.

c) Der Senat ist jedoch der Ansicht, dass bereits die Auslegung der in das Versicherungsverhältnis einbezogenen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (MB/KK 2009) zur fehlenden Erstattungspflicht der Beklagten führt; im Übrigen teilt er jedenfalls die Auffassung des Landgerichts, dass die Beklagte dem Erstattungsverlangen für eine solche in Deutschland strafrechtlich untersagte Behandlung gemäß § 242 BGB den Einwand von Treu und Glauben entgegenhalten kann.

aa) Gegenstand, Umfang und Geltungsbereich des Krankenversicherungsschutzes sind in § 1 MB/KK 2009 geregelt. Gemäß § 1 (2) MB/KK 2009 stellt die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit einen Versicherungsfall dar. Der Umfang des Versicherungsschutzes ergibt sich gemäß § 1 (3) MB/KK 2009 aus dem Versicherungsschein, späteren schriftlichen Vereinbarungen, den Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie den gesetzlichen Vorschriften, wobei das Versicherungsverhältnis deutschem Recht unterliegt. Nach § 1 (4) MB/KK 2009 erstreckt sich der Versicherungsschutz auf Heilbehandlung in Europa und kann durch Vereinbarung auf außereuropäische Länder ausgedehnt werden.

Diese Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind nach h.M. so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und auf seine Interessen an. Da die Rechtsprechung auf das Verständnis eines „durchschnittlichen Versicherungsnehmers“ abstellt, ist nicht das subjektive Verständnis eines am konkreten Vertrag beteiligten Versicherungsnehmers maßgebend. Vielmehr ist - wie ganz allgemein bei AGB - ein objektiv-​generalisierender Maßstab anzulegen, der am Willen und Interesse der beteiligten Verkehrskreise auszurichten ist. Es kommt auf das Verständnis der Versicherungsnehmer in ihrer Gesamtheit an. Zu erwarten ist, dass diese bei ihrer Würdigung nicht nur die einzelne Regelung in den Blick nehmen, sondern alle Klauseln erfassen, die für die jeweilige Auslegungsfrage in Betracht kommen können, soweit sie sich nicht an versteckter Stelle befinden. Der verständige, um den erkennbaren Sinnzusammenhang bemühte Versicherungsnehmer wird so zu einer Gesamtschau der in Rede stehenden Regelungen kommen (vgl. zum Ganzen Römer in Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl., Vor § 1, Rn. 20 ff.).

Bei einer solchen verständigen Würdigung der oben zitierten Versicherungsbedingungen in ihrem Zusammenhang erschließt sich dem Versicherungsnehmer, dass die Erstreckung des Versicherungsschutzes - über Deutschland hinaus - auf Europa nicht dazu führt, dass dafür dann insofern ein weitergehender Schutz als im Inland zugesagt würde, als auch Heilbehandlungen erstattet werden müssten, die lediglich in einigen Ländern des Europäischen Auslands erlaubt, in Deutschland aber (unter Strafandrohung) verboten sind.

Die Regelung in § 1 (4) MB/KK 2009, auch Behandlungen im europäischen Ausland in den Versicherungsschutz einzubeziehen, ist bei einer Gesamtschau nach ihrem Sinnzusammenhang erkennbar nicht darauf gerichtet, dem Versicherungsnehmer zu ermöglichen, im Inland bestehende Heilbehandlungsverbote - mit der Folge fehlender Erstattungsfähigkeit gemäß § 134 BGB - dadurch zu umgehen, dass er eine vergleichbare Behandlung im europäischen Ausland vornimmt. Sie will ersichtlich nicht ermöglichen, allein durch die Wahl eines geeigneten Behandlungsortes an sich nicht gegebene Ansprüche generieren zu können. Diese Auslegung geht für den verständigen Versicherungsnehmer schon und insbesondere daraus hervor, dass die Klauseln für den Umfang des Versicherungsschutzes explizit auf die gesetzlichen Vorschriften und im Zusammenhang damit auf das deutsche Recht verweisen. „Basis“ des Vertrages ist die in Deutschland geltende Rechts- und Gesetzeslage. Die „Erstreckung“ des Versicherungsschutzes auf Heilbehandlung in Europa beinhaltet also bei verständiger Würdigung eine Ausdehnung des Kostenschutzes nur für nach der hiesigen Rechtslage grundsätzlich unter die Erstattungspflicht fallende, zumindest nicht verbotene Heilbehandlungen.

Aber: Erstattungspflicht verstieße jedenfalls gegen Grundsatz von Treu und Glauben

bb) Im Übrigen kann die Beklagte die Erstattung jedenfalls gemäß § 242 BGB verweigern.

Der Grundsatz von Treu und Glauben ist bei Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in besonderem Maße zu berücksichtigen, wie der Bundesgerichtshof schon in seiner grundlegenden Entscheidung zur (homologen) IVF vom 17.12.1986, Az. IVa ZR 78/85, VersR 1987, 278, hervorgehoben hat. Der Versicherungsnehmer muss bei der Inanspruchnahme dieser besonders kostenträchtigen und nicht vital lebensnotwendigen Behandlung in angemessener Weise Rücksicht auf den Versicherer und die Versichertengemeinschaft nehmen. Nicht nur, dass danach Voraussetzung einer Erstattung ist, dass die (homologe) In-​vitro-​Fertilisation das einzige Mittel zur Herbeiführung einer Schwangerschaft ist und bei der versicherten Frau eine deutliche Erfolgsaussicht besteht, sind auch einer Kostenerstattung für wiederholte Fertilisationsversuche Grenzen gesetzt. Der Versuch kann insbesondere nicht auf Kosten der Versichertengemeinschaft beliebig oft wiederholt werden. (BGH, aaO, Rn. 25 bei juris; vgl. auch Bach/Moser - Kalis, PKV, 5. Aufl., § 1 MB/KK, Rn. 104).

Die danach in diesem Bereich besonders gebotene Rücksichtnahme auf den Versicherer und die Versichertengemeinschaft führt dazu, dass es der Beklagten nicht zuzumuten ist, die Kosten für eine nach deutschem Recht verbotene und für die Tatbegehung in Deutschland unter Strafandrohung gestellte Behandlung bei Verlagerung derselben ins Ausland übernehmen zu müssen.

Bei dieser Beurteilung ist neben dem Umgehungsaspekt insbesondere die strafrechtliche Besonderheit zu berücksichtigen, dass auch bei Durchführung einer Eizellspende im Ausland eine Strafbarkeit für Beiträge dazu im Inland nicht generell ausscheidet. Zwar gelten die Strafvorschriften des § 1 ESchG gemäß §§ 3 - 7 StGB nicht allgemein bei Auslandstaten. Für Teilnahmehandlungen im Inland ist aber gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB - als Ausnahme vom Grundsatz der Akzessorietät - eine eigenständige Strafbarkeit vorgesehen. Danach wird für den Teilnehmer an seinem Ort der Teilnahme - nur für ihn, nicht auch für den Haupttäter - ein Tatort begründet, und zwar ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit der Haupttat an deren ausländischem Tatort (vgl. allgemein Schönke/Schröder - Eser, StGB, 29. Aufl., § 9, Rn. 11; von Heintschel-​Heinegg in BeckOK StGB, Stand 01.12.2015, § 9, Rn. 13, 13.1.; BGH NJW 2000, 1732, Rn. 33 bei juris; ausführlich Magnus, NStZ 2015, 57 ff., Kinderwunschbehandlungen im Ausland: Strafbarkeit beteiligter deutscher Ärzte nach internationalem Strafrecht (§ 9 StGB); eingehend zur Kinderwunschbehandlung im Wege der Eizellspende in Tschechien: KG Berlin, Urteil vom 08.11.2013, Az. 5 U 143/11, MedR 2014, 498, Orientierungssatz 1 und Rn. 57 - 60 sowie Rn. 61 ff. bei juris, wobei die Strafbarkeitsaspekte in der nachfolgenden Entscheidung des BGH vom 08.10.2015, Az. I ZR 225/13, MDR 2016, 407, Rn. 20, ausdrücklich offen gelassen wurden). Zwar steht im konkreten Fall, in dem es um die nachträgliche Erstattung der Kosten für eine bereits durchgeführte Behandlung geht, eine etwaige Strafbarkeit von Mitarbeitern der Beklagten wegen Teilnahmehandlungen ersichtlich nicht im Raum. Bei Bejahung einer grundsätzlichen Erstattungspflicht der Beklagten für derartige Behandlungen sähe das aber je nach konkreter Fallgestaltung anders aus. Dann könnten Mitarbeiter des Versicherers durchaus in die Gefahr kommen, sich selbst strafbar zu machen. So wäre beispielsweise an psychische Beihilfe durch Bestärkung des Tatentschlusses (des im Ausland handelnden Arztes oder auch der Frau mit Kinderwunsch als etwaiger Anstifterin) zu denken, wenn auf eine konkrete Anfrage (§ 192 Abs. 8 VVG) über die Erstattungsfähigkeit einer derartigen ins Auge gefassten Eizellspende im Ausland die Auskunft erteilt werden müsste, dass dies vom Versicherungsschutz umfasst sei - und damit die Finanzierung der Behandlung gesichert wäre. Ob eine Erstattungspflicht für derartige Behandlungen besteht oder nicht, muss auch einheitlich entschieden werden. Die Erstattung darf wegen der grundsätzlich gebotenen Gleichbehandlung der Versicherungsnehmer nicht davon abhängen, ob ein Versicherungsnehmer Erstattung erst im Anschluss an die Behandlung verlangt oder vorsorglich schon zuvor von seinem ihm ausdrücklich in § 192 Abs. 8 VVG gesetzlich eingeräumten Auskunftsrecht Gebrauch macht.

Auch unabhängig davon erscheint es der Versicherung und der Versichertengemeinschaft nicht zumutbar, durch finanzielle Unterstützung für im Ausland durchgeführte Behandlungen indirekt in Deutschland verbotene Maßnahmen der künstlichen Befruchtung fördern zu müssen (vgl. zur fehlenden Erstattungsfähigkeit derartiger Kinderwunschbehandlungen wegen des ESchG in der gesetzlichen Krankenversicherung schon BSG NJW 2002, 1517, Rn. 12 bei juris).

Daran ändert auch EU-Recht nichts

d) Das europäische Gemeinschaftsrecht rechtfertigt keine andere Bewertung.

aa) Der Senat teilt den Ansatz des Landgerichts, dass bei fehlender Erstattungspflicht die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 ff. AEUV grundsätzlich betroffen ist, da die streitgegenständlichen Behandlungen eine Dienstleistung im Sinne des Art. 57 AEUV darstellen und die Vorschrift nach der Rechtsprechung des EuGH auch die passive Dienstleistungsfreiheit umfasst (vgl. Randelzhofer/Forsthoff in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 57. EL, Art. 57 AEUV, Rn. 53).

Nach Auffassung des Senats fehlt es aber bereits an einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, so dass es nicht mehr darauf ankommt, ob diese aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit (Art. 52 Abs. 1/Art. 36 AEUV) gerechtfertigt wäre. Der EuGH hatte sich mit derartigen Fragen bereits in Zusammenhang mit Erstattungsregeln von sozialen Sicherheitssystemen in den Mitgliedstaaten zu befassen. Dabei hat er in der Rechtssache K. (Urteil vom 28.04.1998 - C-​158/96 -, NJW 1998, 1771), in der es um die Pflicht zur Einholung einer vorherigen Genehmigung einer Zahnbehandlung im Ausland durch eine ärztliche Kontrollstelle ging, ausgeführt, dass jede nationale Regelung gegen Art. 59 EG-​Vertrag verstoße, die die Leistung von Diensten zwischen Mitgliedstaaten im Ergebnis gegenüber der Leistung von Diensten im Inneren eines Mitgliedstaats erschwere (aaO, Rn. 33). In der Rechtssache Decker (Urteil vom 28.04.1998 - C-​120/95 -, NJW 1998, 1769) bei der die Verweigerung der Kostenerstattung für eine im Ausland erworbene Brille inmitten stand, hat der EuGH ein Hindernis für den freien Warenverkehr deswegen angenommen, weil die streitige Regelung die Erstattung von Kosten, die in einem anderen Mitgliedstaat angefallen waren, von einer vorherigen Genehmigung abhängig machte und die Erstattung Versicherten ohne eine solche Genehmigung versagte, während im Versicherungsstaat angefallene Kosten keiner solchen Regelung unterlagen (aaO, Rn. 35, 36).

Diese Ausführungen zeigen, dass die Annahme einer Beschränkung der Dienstleistungs- oder Warenverkehrsfreiheit eine Benachteiligung von Dienstleistungserbringern ausländischer Mitgliedstaaten gegenüber solchen im Inneren des Mitgliedstaats voraussetzt. Eine derartige Benachteiligung ist vorliegend nicht ansatzweise erkennbar. Denn für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung im Wege der Eizellspende im Inland besteht wie ausgeführt gemäß § 134 BGB von vornherein keine Erstattungspflicht. Die Verneinung einer Erstattungspflicht für entsprechende im Ausland durchgeführte Maßnahmen führt damit zu keiner Schlechterbehandlung, sondern lediglich zu einer Gleichbehandlung; sie weist keinen diskriminierenden Charakter auf.

Davon unabhängig teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, dass eine etwaige Beschränkung gemäß Art. 62 i.V.m. Art. 52 Abs. 1 AEUV in Hinblick auf den bereits geschilderten gesetzgeberischen Schutzzweck des § 1 ESchG aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt wäre.

Der Senat sieht angesichts der genannten, bereits vorliegenden EuGH-​Entscheidungen keinen Anlass für eine Vorlage im Vorabentscheidungsverfahren. Verpflichtet dazu ist er ohnehin nicht, da er nicht letztinstanzlich entscheidet - für die Erstattung der Behandlungen in der Tschechischen Republik ist die Revision zugelassen.

bb) Das Landgericht hat schließlich auch zutreffend entschieden, dass entsprechend dem Urteil der Großen Kammer des EGMR vom 03.11.2011 - 57813/00, NJW 2012, 207, zum Verbot der Eizellspende nach österreichischem Recht keine Verletzung des Konventionsrechts, insbesondere des Art. 8 EMRK, vorliegt. Diese Auffassung steht in Einklang mit der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der erst vor kurzem im Urteil vom 08.10.2015, Az. I ZR 225/13, MDR 2016, 407, unter Verweis auf die genannte Entscheidung des EGMR ausdrücklich ausgeführt hat, dass die Verbote des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ESchG in Einklang mit dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 8 EMRK und dem Diskriminierungsverbot in Art. 14 EMRK stehen (Rn. 19).

Die Berufungsbegründung zitiert für ihre gegenteilige Auffassung nicht aus der eben genannten Entscheidung der Großen Kammer des EGMR, sondern aus der vorangegangenen Entscheidung der zunächst zuständigen Kammer des EGMR vom 11.03.2010 - 57813/00 -, FamRZ 2010, 793, die durch die Entscheidung der nachfolgend angerufenen Großen Kammer überholt ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO.

OLG erlaubt Klägerin, die Entscheidung durch BGH überprüfen zu lassen

Der Senat hat die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zugelassen, soweit die Kostenerstattung für die in der Tschechischen Republik durchgeführten Behandlungen in Form der künstlichen Befruchtung mit gespendeten fremden Eizellen betroffen ist. Ob eine Erstattungspflicht der privaten Krankenversicherung für derartige Auslandsbehandlungen besteht, stellt eine unter mehreren rechtlichen Aspekten klärungsbedürftige Frage dar, deren Bedeutung sich angesichts der Entwicklung der Reproduktionsmedizin und der zunehmenden Zahl von Kinderwunschbehandlungen im Ausland nicht auf den Einzelfall beschränkt, sondern das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt.

Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 3 ZPO, 47, 48 GKG.

 

Anmerkung:

Der Fall beleuchtet eines der komplexesten Probleme des Medizinrechts: Darf gemacht werden, was gemacht werden kann? Und wer soll das bezahlen? Wie weit dürfen Paare gehen, um ihren Kinderwunsch zu befriedigen? 

Familienpolitisch kann man um jedes Kind froh sein. Stammt es dann noch aus Kreisen des Bildungsbürgertums so gilt dies um so mehr - bekommt das Bildungsbürgertum doch statistisch gesehen zu spät und zu wenige Kinder. Wer seinen Kinderwunsch durch eine (in Deutschland verbotene) Fremdeizellenspende erfüllen will, überlistet sich genetisch aber selbst, weil das Kind ja gar nicht genetisch von der Mutter abstammt. Sind solche Kinder stärker als andere gefährdet, von der Famile der Mutter abgelehnt zu werden? Suchen diese Kinder später nach Ihrer Spendermutter?

Fortpflanzungsmedizinisch ist das Themenfeld für Ärzte goldener Boden, allerdings ist den deutschen Ärzten die Befruchtung mit Spendereizellen verboten.

Meiner Meinung nach müsste man, da es hier um Fragen der Behandlung von Krankheiten geht, fragen, woran die Fortpflanzung scheitert. Dies kann viele Gründe haben. Der Mann kann dauerhaft oder krankheitsbedingt temporär unfruchtbar sein. Die Frau kann dauerhaft oder krankheitsbedingt temporär unfruchtbar sein (wobei im vorliegenden Fall die Vermutung angestellt werden kann, dass hier die Frau unfruchtbar war). Es kann aber auch sein, dass die Kombination nicht passt, was auf ein genetisches "Er/Sie passt einfach nicht zu Dir" hinausliefe. Nur wenn die Fortpflanzung an einer Erkrankung scheitert, sollten die Kosten der Behandlung wie die der Befruchtung erstattet werden. Es ist dann Sache des Patienten nachzuweisen, dass er erkrankt ist und dass daran die Fortpflanzung scheitert. Der Nachweis könnte durch ärztliche Atteste und Befunde erbracht werden. Dann kann z.B. eine homologe In-Vitro-Fertilisation versucht werden.      

Die Fremdeizellenspende (heterologe In-Vitro-Fertilisation) sollte gleichwohl verboten bleiben. Insofern ist das Urteil des OLG München richtig und zu begrüßen. Denn die Folge der Erlaubnis von Fremdeizellenspenden wäre die genetische Selektion werten (und unwerten) Lebens durch Ärzte und Patienten. Erlaubte man diese, öffnete man die Schleusen für vielfältige andere Anwendungsformen genetischer Selektion, z.B. bei der Aufnahme in Krankenversicherungen, Dienstverhältnisse bis hin zu der Eingehung von Liebesbeziehungen. Im übrigen führen allgemeine Gerechtigkeitserwägungen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Klägerin die Kosten selbst tragen soll: Die Klägerin hat erstmals mit über vierzig Jahren eine Schwangerschaft angestrebt. Dies ist bekanntermaßen spät und mit dem Risiko der Kinderlosigkeit verbunden. Die Klägerin hat Ausbildung und Arbeit ohne Schwangerschaftsunterbrechungen etc. "durchziehen" können und dadurch berufliche und wirtschaftliche Vorteile genossen, die früher gebärende Frauen nicht geniessen können. Insofern ist es gerecht, wenn die Klägerin die Kosten der Ermöglichung der späten Schwangerschaft aus eigener Tasche bezahlt.  

Zum Thema:

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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