Eine Apotheke darf damit werben, dass Kunden sich in einem separaten Raum beraten lassen und dort Rezepte einlösen können (LG Wuppertal, Urteil vom 06.10.2015 - 1 O 51/15).

ApothekenwerbungAbstract:

Es stellt keine (verbotene) Werbung mit einer Selbstverständlichkeit im Sinne des § 3 III i.V.m. Nr. 10 des Anhangs zu § 3 III UWG dar, wenn eine Apotheke damit wirbt, dass Kunden sich in einem separaten Raum beraten lassen und dort Rezepte einlösen können. Denn die Apothekenbetriebsordnung verlangt zwar ein Mindestmaß an Diskretion, nicht aber die Einrichtung eines separaten Raumes für bestimmte Rezepteinlösungen oder Beratungen.  

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Fall:

Tatbestand:

Die Beklagte ist Inhaberin der D-​Apotheke in V. Sie warb auf einem Plakat im Schaufenster der Apotheke und einem Werbeaufsteller auf dem Gehweg mit den Worten "Rezepteinlösung und Beratung in unserem diskreten Beratungsbereich". Die Apotheke der Beklagten verfügt über einen Beratungsraum, der durch zwei Wände und zwei Türen vollständig vom sonstigen, der Öffentlichkeit zugänglichen Verkaufsbereich abgetrennt ist.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte werbe mit einer gesetzlich vorgeschriebenen Selbstverständlichkeit und vermittle den Eindruck, ihre Mitbewerber böten keine diskrete Beratungsmöglichkeit. Mit Nichtwissen bestreitet er, dass in dem Beratungsraum geführte Gespräche nicht von Dritten mitgehört werden könnten.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, geschäftlich handelnd mit der Aussage "Rezepteinlösung und Beratung in unserem diskreten Beratungsbereich!" zu werben, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 2;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 246,10 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit dem 22.04.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Entscheidung:

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

I.

Der Kläger kann von der Beklagten die Unterlassung der Aussage "Rezepteinlösung und Beratung in unserem diskreten Beratungsbereich" zu Werbezwecken nicht verlangen.

Ein Unterlassungsanspruch aus § 8 I 1 UWG liegt mangels Verstoß gegen die §§ 3, 5 UWG nicht vor. Die Beklagte wirbt nämlich nicht mit einer Selbstverständlichkeit. Der von ihr angebotene "diskrete Beratungsbereich" stellt einen Vorzug der D-​Apotheke gegenüber ihren Mitbewerbern dar. Dem steht auch nicht entgegen, dass jede Apotheke so ausgestaltet ist, dass die Vertraulichkeit der Beratung weitestgehend gewahrt wird, vgl. § 4 IIa ApoBetrO. Das Angebot der Beklagten geht über diesen Mindeststandard hinaus. Sie stellt ihren Kunden ein zusätzliches, räumlich abgeschlossenes Zimmer für Beratung und Rezepteinlösung zur Verfügung. Kunden, deren Anliegen in besonderer Weise die Privat- oder Intimsphäre berühren, können auf Wunsch vom normalen Verkaufsbereich in diesen Raum wechseln. Nicht von Belang ist dabei, ob der Raum vollkommen schalldicht ist. Denn jedenfalls bietet er gegenüber dem öffentlich zugänglichen Einzelverkaufstresen ein gesteigertes Maß an Diskretion. So sind durch Wände und Türen ein vollständiger Sichtschutz und zumindest ein erhöhter Schallschutz gewährleistet. Eine solche Besonderheit darf die Beklagte ohne weiteres bewerben.

An dieser Einordnung ändert sich auch nichts dadurch, dass der Beratungsraum unter anderem mit einem Kopiergerät und Wandregalen eingerichtet ist. Der Raum mag auch anderen Zwecken als der Beratung dienen. Dies macht ihn aber nicht als Beratungsraum ungeeignet, zumal die für ein vertrauliches Gespräch förderliche Ausstattung, insbesondere Tisch und Stühle, vorhanden ist. Es kann nicht verlangt werden, einen Beratungsraum nur dann als solchen bewerben zu dürfen, wenn er ausschließlich zu diesem Zweck genutzt wird. Im Übrigen kann die Einrichtung mit Wandregalen der Wahrung der Diskretion sogar dienlich sein, da Produkte, die Kunden sich nur ungern vor den Augen der Öffentlichkeit übergeben lassen, direkt dort gelagert werden können. So ist auf den Bildern B4, Bl. 51 ff. zu erkennen, dass in dem Regal im Beratungsraum Windeln bzw. Inkontinenzeinlagen aufbewahrt werden.

Die Beklagte erweckt mit der Werbung auch nicht den Eindruck, eine diskrete Beratung sei nur bei ihr, nicht aber in anderen Apotheken möglich. Insbesondere wird von der Beklagten nicht in Abrede gestellt, dass in allen Apotheken im normalen Verkaufsbereich das gesetzlich vorgeschriebene Maß an Vertraulichkeit eingehalten wird. Der gegenteilige Vorhalt ist schon nicht am Wortlaut der Werbung festzumachen. Das Adjektiv "diskret" bezieht sich nämlich nicht auf eine Beratung- weder auf die eigene noch auf die anderer, sondern allein auf den "Beratungsbereich" der Beklagten.

Ebenso liegt kein Verstoß gegen § 3 III i.V.m. Nr. 10 des Anhangs zu § 3 III UWG vor. Denn die Beklagte bewirbt gerade nicht das, wozu sie gesetzlich ohnehin verpflichtet ist, sondern ein darüber hinausgehendes Angebot. § 4 IIa ApoBetrO schreibt ein Mindestmaß an Vertraulichkeit für die Offizin und insbesondere die Stellen, an denen Arzneimittel an Kunden abgegeben werden, mithin den Verkaufsbereich, vor, vgl. § 4 IIa 3 ApoBetrO. Für die notwendige Diskretion am Verkaufstresen macht die Beklagte aber keine Werbung.

II.

Auch hinsichtlich des Aufwendungsersatzes für die Abmahnung bleibt die Klage ohne Erfolg. Die Beklagte handelte nicht unlauter, sodass keine berechtigte Abmahnung i.S.d. § 12 I 2 UWG vorlag.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 709 ZPO.

Streitwert bis 15.000 Euro

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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