Bei der approbationsrechtlichen Prüfung der Berufserfahrung sind auch Zeiten der selbständigen ärztlichen Tätigkeit zu berücksichtigen; dass diese Tätigkeiten - anders als bei Tätigkeiten z.B. in Kliniken - nicht üblicherweise durch Tätigkeitsnachweise belegt werden, darf dem die Approbation beantragenden Arzt nicht zum Nachteil gereichen. Für die Approbation eines Zahnarztes von grundlegender Bedeutung sind die theoretischen Kenntnisse über die Planung und die Ausführung von Behandlungsmaßnahmen und die Eingliederung von festem und herausnehmbarem Zahnersatz sowie die dazu erworbenen praktischen FertigkeitenDer Fertigkeit, herausnehmbaren und festsitzenden Zahnersatz selbst anfertigen zu können, kommt in der zahnärztlichen Praxis dagegen nur eine untergeordnete Bedeutung zu, weil Zahnersatz (Brücken, Prothesen, Kronen etc.) regelmäßig vom Zahntechniker, nicht aber vom Zahnarzt angefertigt wird (OVG NRW, Urteil vom 11.7.2016 - 13 A 897/15).

Behandlungsplan Zahnarzt KostenAuf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 24. Februar 2015 (AZ: 7 K 2901/12) geändert. Der Bescheid der Bezirksregierung Köln vom 3. September 2013 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die Approbation als Zahnärztin zu erteilen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen. 

(Anmerkung:

Das Bundesverwaltungsgericht hat die nachfolgende Beschwerde der Behörde gegen dieses Urteil des Oberverwaltungsgerichts am 6.6.2017 zurück gewiesen (BVerwG, Beschluss vom 6. 6. 2017 – 3 B 42.16). Die Entscheidung des OVG ist rechtskräftig)

Der Fall:

Die 1962 in Russland geborene Klägerin absolvierte nach abgeschlossener Schulbildung und einer Tätigkeit als Krankenpflegerin von 1982 bis 1987 ein Studium der Stomatologie (Zahnmedizin) am staatlichen Institut für Medizin Smolensk. Das Studium schloss sie mit dem Erhalt des Diploms als Ärztin für Stomatologie ab. Anschließend absolvierte sie von August 1987 bis Juni 1988 die Internatur an der Zahnärztlichen Poliklinik Nr. 1 der Stadt Brjansk. Im Anschluss erhielt sie die Qualifikation „Zahnarzt-Therapeut".

Ab August 1988 arbeitete die Klägerin als angestellte Zahnärztin in der stomatologischen Gebietspoliklinik Brjansk. Von November 1992 bis Dezember 1993 sowie von Januar 1994 bis März 1994 war sie angestellte Zahnärztin in Kleinunternehmen. Von April 1994 bis Juni 1997 war sie selbständig in einer eigenen Praxis tätig.

Nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik nahm die Klägerin an mehreren Sprachkursen teil, besuchte diverse Fortbildungsveranstaltungen und absolvierte ein Praktikum. Auf Grundlage der ihr am 18. Februar 2008 erteilten Berufserlaubnis nach § 13 ZHG war sie in der Zeit vom 1. Mai 2008 bis zum 30. April 2009 als Zahnärztin in der zahnärztlichen Praxis des Dr. T. tätig. Im Anschluss daran hospitierte sie dort weiter bis zum 31. März 2013. Bereits unter dem 13. Juli 2009 beantragte sie bei der Bezirksregierung Köln die Erteilung der Approbation als Zahnärztin. Mit Bescheid vom 26. März 2012 stellte die Bezirksregierung Köln nach Einholung eines Gutachtens des Prof. Dr. S. fest, dass bei der Klägerin Defizite in den Fächern Kieferorthopädie, Werkstoffkunde, Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten, Zahnärztliche Prothetik, Embryologie und Röntgenologie bestünden und die Klägerin in diesen Fächern eine „Kenntnisprüfung" (sog. Defizitprüfung) absolvieren müsse. Nach Vorlage weiterer Unterlagen änderte die Bezirksregierung mit Bescheid vom 3. September 2013 den Bescheid vom 26. März 2012 ab und fasste ihn hinsichtlich der bestehenden Defizite neu. Die Ausbildung der Klägerin sei nicht gleichwertig, da weiterhin Defizite in den Bereichen Werkstoffkunde, Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten, Zahnärztliche Prothetik, Embryologie und Röntgenologie bestünden. Insoweit müsse die Klägerin zum Nachweis der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten eine Prüfung ablegen, die sich auf den Inhalt der staatlichen Abschlussprüfung beziehe (sog. Kenntnisprüfung).

Die Klägerin, die bereits zuvor am 28. April 2014 Klage gegen den Bescheid vom 26. März 2012 erhoben hatte, hat daraufhin das Klageverfahren im Umfang der Aufhebung der Defizitfeststellung für das Fach Kieferorthopädie in der Hauptsache für erledigt erklärt. Dem hat sich der Beklagte angeschlossen.

Im Übrigen hat die Klägerin weiterhin die Auffassung vertreten, ihr sei wegen der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes die Approbation als Zahnärztin zu erteilen.

Sie hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung Köln vom 3. September 2013 zu verpflichten, ihr die Approbation als Zahnärztin zu erteilen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

und dazu ausgeführt, der Ausbildungsstand sei nicht gleichwertig.

Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 24. Februar 2015 das Klageverfahren eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Weiter hat es den Bescheid der Bezirksregierung Köln vom 3. September 2013 hinsichtlich der Feststellung von Defiziten in den Fächern Embryologie, Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten, Röntgenologie und Werkstoffkunde aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Dazu hat es ausgeführt, es verbleibe nach einem Vergleich der Studiengänge (allein) bei einem Ausbildungsdefizit im Bereich der Zahnersatzkunde (einschließlich Werkstoffkunde), das auch nicht durch spätere Berufserfahrung der Klägerin ausgeglichen worden sei. Auf den Bereich Prothetik entfielen im Studiengang an der beispielhaft ausgewählten Universität in Bonn insgesamt 1.344 Stunden:

Werkstoffkunde (Vorlesung) 56 Stunden,

technische Propädeutik (praktische Übung) 280 Stunden

Phantomkurs I/Il der Zahnersatzkunde (praktische Übung) 518 Stunden,

Zahnersatzkunde I/II (Vorlesung) 56 Stunden

Kurs und Poliklinik der Zahnersatzkunde I/Il als Praktikant) 490 Stunden.

Für das Fach Prothetik in Smolensk sei eine Stundenzahl von 608 anzusetzen bestehend aus:

orthopädische Stomatologie und Materialkunde

(inkl. technische Propädeutik) 320 Stunden

orthopädische Stomatologie und Materialkunde 128 Stunden

ärztliches Praktikum orthopädische Stomatologie 160 Stunden.

Als Zeiten der Berufspraxis sei lediglich die Tätigkeit der Klägerin vom 1. Mai 2008 bis zum 30. April 2009 heranzuziehen. Auf der Grundlage der vorgelegten Arbeitszeugnisse von Dr. T. sei selbst bei einem unterstellten prothetischen Arbeitszeitanteil von 1/3, also 576 Arbeitsstunden, das Defizit, das zum Großteil dem handwerklich technischen Bereich der Vorklinik geschuldet sei, nicht vollständig ausgeglichen. Zudem verbiete sich ein rein rechnerischer Vergleich zwischen defizitären Unterrichtsstunden und geleisteten Arbeitsstunden, weil Unterrichtseinheiten an Ausbildungseinrichtungen auf eine breit angelegte Wissensvermittlung, die Arbeitsstunden hingegen auf eine Anwendung dieses Wissens angelegt seien. Die Zeiten der Berufstätigkeit in Brjansk seien zwar als Zeiten der Berufstätigkeit zu berücksichtigen, allerdings habe die Klägerin keinen Nachweis darüber erbracht, welche konkreten zahnärztlichen Tätigkeiten sie ausgeübt habe.

Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung trägt die Klägerin vor: Sie absolviere derzeit eine weitere berufspraktische Tätigkeit auf der Grundlage einer Berufserlaubnis nach § 13 ZHG. Sie sei seit dem 22. Februar 2016 bis zum 22. Februar 2017 in der Zahnarztpraxis des Herrn Dr. X. in Köln als Zahnärztin tätig. Über das Jahr gesehen werde sie dort auf einen Anteil von mindestens 15 Arbeitsstunden pro Woche im Bereich Prothetik kommen. Dies liege daran, dass die Zahnarztpraxis einen Tätigkeitsschwerpunkt in diesem Bereich habe und u.a. über ein eigenes Labor zur Herstellung von festsitzendem und herausnehmbarem Zahnersatz mit zwei Mitarbeitern verfüge.

Bei Kernfächern der Ausbildung könne im Hinblick auf die Berufsanerkennungsrichtlinie eine zeitliche Differenz von 20 % und mehr ein Anhaltspunkt für einen deutlichen Unterschied in der Stoffvermittlung sein. Ziehe man 20 % von 1.344 Stunden ab, so verbleibe lediglich eine abzuleistende Stundenzahl von 1.075. Bei der vergleichsweisen Berechnung sei zudem zu berücksichtigen, dass die nach Auffassung des Verwaltungsgerichts auf die Prothetik entfallenden Arbeitsstunden bei Dr. T. in Unterrichtsstunden (45 Min.) umzurechnen seien. Von ihr als nunmehr deutscher Staatsangehörigen dürfe keine höhere Stundenanzahl in einem einzelnen Fach verlangt werden als von Antragstellern, die nach § 2 Abs. 1 S. 2 oder § 20a ZHG einen Anspruch auf Erteilung einer Approbation hätten. In einer Vielzahl von medizinischen Fakultäten in den EU-Mitgliedstaaten werde das Fach Zahnersatzkunde mit deutlich geringerer Stundenzahl gelehrt als in Deutschland. Als Beispiel seien die Studienpläne von Varna, Breslau und Riga genannt.

Ungeachtet dessen greife nunmehr zu ihren Gunsten die Änderung des § 2 Abs. 2 Satz 5 ZHG mit Wirkung zum 23. April 2016. Zu berücksichtigen seien deshalb nunmehr auch die Hospitation in der Zeit vom 1. Mai 2009 bis zum 31. März 2013 und die von ihr besuchten Fortbildungsveranstaltungen. Dass es an einer Stelle fehle, die die durch lebenslanges Lernen erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten als formell gültig anerkenne, könne auch mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu ihren Lasten gehen.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern, den Bescheid der Bezirksregierung Köln vom 3. September 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr die Approbation als Zahnärztin zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Bezirksregierung Köln ist der Auffassung, der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch wegen eines fortbestehenden Defizits im Fach Zahnersatzkunde weiterhin nicht zu. Zwar werde in die Prüfung der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes die nachgewiesene Berufserfahrung mit einbezogen. Nachgewiesen sei sie, wenn sie von anderen sachverständigen Personen glaubhaft bestätigt und inhaltlich konkret dargestellt werde. Von Antragstellern bzw. Antragstellerinnen, die in einer Klinik, Praxis oder einem Krankenhaus in angestellter Stellung tätig gewesen seien, könne die ausgeübte (zahn)ärztliche Tätigkeit durch die Vorlage qualifizierter Arbeitszeugnisse belegt werden. Von Antragstellern bzw. Antragstellerinnen selbst erstellte Erklärungen über erworbene Berufserfahrung in einer eigenen Praxis seien mangels Beweiskraft nicht geeignet, den Ausgleich wesentlicher Unterschiede zu belegen, da die Richtigkeit der Angaben insbesondere hinsichtlich Art und Umfang der Tätigkeit nicht hinreichend nachprüfbar sei.

Auch nach der Änderung des § 2 ZHG könne zwecks Feststellung der Gleichwertigkeit auf die Dauer der Ausbildung abgestellt werden. Da es an einer Stelle fehle, die die durch lebenslanges Lernen erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten als formell gültig anerkenne, müssten derartige Kenntnisse und Fähigkeiten unberücksichtigt bleiben. Das Ausbildungsniveau habe durch die Neufassung des § 2 ZHG nicht geändert werden sollen.

Die Berichterstatterin hat am 21. Juni 2016 einen Erörterungstermin durchgeführt, in welcher sie die Klägerin u.a. zu den Inhalten ihrer Ausbildung und ihrer beruflichen Tätigkeit befragt hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

Über die Berufung der Klägerin entscheidet der Senat mit Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO). Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten verzichtet (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung ist begründet. Die auf die Erteilung einer Approbation als Zahnärztin gerichtete Verpflichtungsklage ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Bezirksregierung Köln vom 3. September 2013 ist, soweit mit ihm (nur noch) ein Defizit für das Fach Zahnersatzkunde feststellt wird, rechtswidrig. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Approbation als Zahnärztin zu (§ 113 Abs. 5 VwGO).

1. Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 ZHG in der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden Fassung des Art. 9 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2013/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 zur Änderung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems ("IMI-Verordnung") für bundesrechtlich geregelte Heilberufe und andere Berufe vom 18. April 2016 (BGBl. I 886).

Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 ZHG ist Antragstellern, die über einen Ausbildungsnachweis für die Ausübung des zahnärztlichen Berufs verfügen, der in einem anderen als den in Absatz 2 Satz 1 genannten Staaten (Drittland) ausgestellt ist, die Approbation zu erteilen, wenn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes gegeben ist. Für die Prüfung der Gleichwertigkeit gilt nach Abs. 3 Satz 2 der Regelung Absatz 2 Satz 2 bis 6 sowie 8 entsprechend. Danach gilt, dass der Ausbildungsstand als gleichwertig anzusehen ist, wenn die Ausbildung des Antragstellers keine wesentlichen Unterschiede gegenüber der Ausbildung aufweist, die in diesem Gesetz und in der Rechtsverordnung nach § 3 Abs. 1 geregelt ist. Wesentliche Unterschiede liegen vor, wenn 1. die Ausbildung der Antragsteller hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit Fächer umfasst, die sich wesentlich von der deutschen Ausbildung unterscheiden, oder 2. der Beruf des Zahnarztes eine oder mehrere reglementierte Tätigkeiten umfasst, die in dem Staat, der den Ausbildungsnachweis ausgestellt hat, nicht Bestandteil des Berufs des Zahnarztes sind, und die deutsche Ausbildung Fächer umfasst, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die von dem Ausbildungsnachweis der Antragsteller abgedeckt werden. Fächer unterscheiden sich wesentlich, bei denen Kenntnis und Fähigkeiten eine wesentliche Voraussetzung für die Ausübung des Berufs sind und bei denen die Ausbildung der Antragsteller gegenüber der deutschen Ausbildung wesentliche Abweichungen hinsichtlich des Inhalts aufweist. Wesentliche Unterschiede können ganz oder teilweise durch Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeglichen werden, die die Antragsteller im Rahmen ihrer zahnärztlichen Berufspraxis in Voll- oder Teilzeit oder durch lebenslanges Lernen erworben haben, sofern die durch lebenslanges Lernen erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten von einer dafür in dem jeweiligen Staat zuständigen Stelle formell als gültig anerkannt wurden; dabei ist nicht entscheidend, in welchem Staat diese Kenntnisse und Fähigkeiten erworben worden sind.

Die Regelung setzt den durch die Richtlinie 2013/55/EU neu gefassten Artikel 14 Absätze 1, 4 und 5 der Richtlinie 2005/36/EG um und berücksichtigt, dass der Begriff der „wesentlichen Unterschiede“ neu definiert und insbesondere die Ausbildungsdauer nicht mehr als Kriterium vorgesehen ist.

Vgl. BT-Drs. 18/6987, S. 112.

Der Verzicht auf die Ausbildungsdauer als Kriterium bezieht sich sowohl auf die Ausbildung als solche als auch auf das einzelne Fach (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 3 ZHG a.F.: Wesentliche Unterschiede liegen vor, wenn 1. die von den Antragstellern nachgewiesene Ausbildungsdauer mindestens ein Jahr unter der in diesem Gesetz geregelten Ausbildungsdauer liegt, § 2 Abs. 2 Satz 4 ZHG a.F: Fächer unterscheiden sich wesentlich, wenn deren Kenntnis eine wesentliche Voraussetzung für die Ausübung des Berufs ist und die Ausbildung der Antragsteller gegenüber der deutschen Ausbildung bedeutende Abweichungen hinsichtlich Dauer oder Inhalt aufweist).

Die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes ist deshalb - ohne dass der Verzicht auf den Wegfall der Ausbildungsdauer als Kriterium der wesentlichen Unterschiede zu einer Senkung der Anforderungen an die (zahn-) ärztliche Grundausbildung führen soll (vgl. Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2013/55/EU) - anhand des Inhalts der Ausbildung, mithin der Ausbildungsgegenstände, zu bemessen. Hierbei kommt auch der Wirksamkeit ihrer Vermittlung Bedeutung zu. Für letztere kann die Ausbildungsdauer weiterhin ein bedeutendes, wenn auch nicht das einzige Indiz sein.

So schon BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1993 ‑ 3 C 64.90 -, juris, Rn. 33.

Die gesetzliche Neuregelung gilt ungeachtet des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2005/36/EG über § 2 Abs. 3 Sätze 1 und 2 ZHG für Ausländer, die - wie die Klägerin - ihre zahnärztliche Ausbildung in einem Drittland absolviert haben und ihre erstmalige Anerkennung im Bundesgebiet beantragen.

2. Die Voraussetzungen für die Erteilung der Approbation als Zahnärztin liegen vor. Der Ausbildungsstand der Klägerin ist - bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Senats - gleichwertig. Ein wesentlicher Unterschied in dem für die Ausübung des zahnärztlichen Berufs wesentlichen Fach Zahnersatzkunde (dazu a) besteht im Falle der Klägerin nicht mehr (dazu b).

a) Das Fach Zahnersatzkunde ist für die berufliche Tätigkeit als Zahnarzt wesentlich.

aa) Das Fehlen ausreichender Kenntnisse und Fähigkeiten lässt ernsthafte Gefahren für die Gesundheit von Patientinnen und Patienten befürchten. Dies belegt nicht nur Art. 34 der Richtlinie 2005/36/EG, der hinsichtlich der zahnärztlichen Grundausbildung auf den Fächerkatalog in Anhang V Nummer 5.3.1 verweist, wonach das Ausbildungsprogramm des Zahnarztes u.a. die zahnärztliche Prothetik umfasst, sondern folgt auch aus den Regelungen der Approbationsordnung für Zahnärzte (ZÄPrO). Danach kommt der Zahnersatzkunde sowohl im vorklinischen als auch im klinischen Teil der Ausbildung eine erhebliche Bedeutung zu (vgl. §§ 28, 40 ZÄPrO).

bb) Nähere Auskünfte zum Curriculum und zu den Ausbildungsgegenständen im Fach Zahnersatzkunde enthält die Studienordnung der Universität Bonn, die von der Bezirksregierung Köln beispielhaft für die deutsche Ausbildung herangezogen wurde, nicht. Dies ist aber ebenso unschädlich wie der Umstand, dass nach den Ausführungen der Bezirksregierung Köln die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen die Errichtung einer Gutachterstelle für Gesundheitsberufe plant, welche in Zukunft die Gleichwertigkeit ausländischer (zahn-)ärztlicher Berufe hinsichtlich ihres Inhalts bewerten und fachbezogene Ausbildungsinhalte erarbeitet soll. Der Inhalt der im Fach Zahnersatzkunde zu vermittelnden Kenntnisse und Fähigkeiten lässt sich im Wesentlichen dem § 50 ZÄPrO entnehmen. Danach umfasst die Ausbildung die Vermittlung theoretischer Kenntnisse über die Planung und Ausführung von Behandlungsmaßnahmen auf dem Gebiet der Zahnersatzkunde sowie die Vermittlung praktischer Fertigkeiten hinsichtlich der Herstellung und Eingliederung herausnehmbaren wie festsitzenden Zahnersatzes.

cc) Für die Ausübung der zahnärztlichen Tätigkeit von grundlegender Bedeutung sind die theoretischen Kenntnisse über die Planung und die Ausführung von Behandlungsmaßnahmen und die Eingliederung von festem und herausnehmbarem Zahnersatz. Für die Berufsausübung unerlässlich ist es zudem, dass der Zahnarzt die insoweit erforderlichen praktischen Fähigkeiten besitzt. Hingegen kommt der Fertigkeit, herausnehmbaren und festsitzenden Zahnersatz selbst anfertigen zu können, in der zahnärztlichen Praxis eine untergeordnete Bedeutung zu. Zahnersatz (Brücken, Prothesen, Kronen etc.) wird regelmäßig vom Zahntechniker, nicht aber vom Zahnarzt angefertigt.

Vgl. hierzu auch die den Beteiligten bekannte ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Prof. Dr. T1. im Verfahren 7 K 5031/11.

Zur Vermeidung von Gesundheitsgefahren für den Patienten sind insoweit aber diejenigen Fähigkeiten und Kenntnisse erforderlich, die es dem Zahnarzt ermöglichen, sich über die Qualität des von einem Dritten hergestellten Zahnersatzes ein Bild zu machen und Mängel zu erkennen.

b) Im Falle der Klägerin lässt sich ein wesentlicher Unterschied nicht (mehr) feststellen. Der Senat hat die Überzeugung gewonnen, dass die Klägerin ein etwaig bestehendes ausbildungsrelevantes Defizit (dazu aa) im Fach Zahnersatzkunde durch Berufserfahrung (dazu bb) und „lebenslanges Lernen“ (dazu cc) ausgeräumt hat.

aa) Nach dem Gutachten des Prof. S. vom 5. Februar 2012 ist die Klägerin in Smolensk in vergleichbaren medizinischen Fächern unterrichtet worden. Das Fach Zahnersatzkunde wurde unter der Fachbezeichnung „orthopädische Stomatologie und Materialkunde" unterrichtet (Studienplan, S. 3, Nr. 33). Die zahnmedizinische Ausbildung erfasst nach den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen einen nicht unerheblichen Unterrichtsanteil. Auf die Zahnersatzkunde erstreckte sich zudem eine Prüfung nach dem 6. Semester, sowie das Examen, das die Klägerin mit der Note „gut" abschloss. Praktische Übungen fanden in mehreren Semestern statt, zuletzt im 10. Semester (Subordinatur), in welchem die Klägerin 120 Arbeits- bzw. Unterrichtsstunden absolvierte. Hinzu kam Unterricht im Fach Materialkunde.

Die Klägerin arbeitete zudem während ihrer Internatur (1. August 1987 - 30. Juni 1988) prothetisch. Nach der Rechtsprechung des BVerwG,

vgl. Urteil vom 11. Dezember 2008 - 3 C 33.07 -, juris Rn. 27,

ist die Internatur mit praktischen Zeiten während des Studiums vergleichbar und sogar höher einzustufen, weil sie auf dem Kenntnisstand eines abgeschlossenen Studiums fusst. Hierzu befragt, hat die Klägerin im Erörterungstermin glaubhaft bekundet, in verschiedenen Abteilungen der stomatologischen Gebietsklinik Brjansk, darunter drei Monate in der Abteilung für Zahnersatzkunde, unter Anleitung und Aufsicht praktisch am Patienten gearbeitet zu haben.

Zu den Ausbildungsinhalten im Fach Orthopädische Stomatologie und Materialkunde hat die Klägerin ausführlich Stellung genommen, ebenso hat sie ihre Tätigkeiten in der stomatologischen Gebietspoliklinik in Brjansk dargestellt (vgl. insbesondere die Anlage 2 zum Protokoll des Erörterungstermins: u.a. präprothetische Analyse, Behandlungsplanung, Entfernung festzementierten Zahnersatzes, Interims- und Immediatprothesen, Prothesenreparatureren, Erweiterungen, Unterfütterungen, Metallkronen, Kunststoff, Klammerprothesen, Modellgussprothesen, festsitzender und abnehmbarer Zahnersatz). Der Senat hat keinen Anlass an der Richtigkeit der diesbezüglichen Angaben der Klägerin zu zweifeln. Soweit auf die Vermittlung handwerklich-zahntechnischer Fertigkeiten ein vergleichsweiser geringer Ausbildungsanteil entfallen ist, misst der Senat dem – wie ausgeführt – für die spätere zahnärztliche Tätigkeit keine maßgebliche Bedeutung zu.

bb) Berufserfahrung ist nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2005/36/EG die tatsächliche und rechtmäßige Ausübung eines reglementierten Berufs als Vollzeitbeschäftigung oder als entsprechende Teilzeitbeschäftigung in einem Mitgliedstaat. Soweit nach § 2 Abs. 3 Sätze 2 und 3 ZHG die Regelung auf Ausländer übertragen wird, die in einem Drittland ihre Ausbildung absolviert haben, erfordert § 2 Abs. 2 Satz 5 ZHG nicht, dass diese ihre Berufserfahrung im Bundesgebiet oder einem Mitgliedstaat erworben habe. Entsprechendes galt bereits nach § 2 Abs. 3 ZHG a.F.

Vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2008 - 3 C 33.07 -, juris, Rn. 19; vgl. ferner den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anerkennung von Berufsqualifikationen der Heilberufe, BTDrucks 16/6458 S. 169.

Die Klägerin war ausweislich des von ihr vorgelegten Arbeitsbuchs in ihrem Heimatland in der Zeit von August 1988 bis Oktober 1992 als Zahnärztin in der Stomatologischen Bezirkspoliklinik Brjansk tätig gewesen. Eigenen Angaben zu Folge, arbeitete sie dort nicht prothetisch. Die dortige Tätigkeit ist deshalb zum Ausgleich etwaiger Defizite nicht geeignet.

Abweichendes gilt aber für die durch Eintragungen in das Arbeitsbuch bestätigten Tätigkeiten als Zahnärztin in der zahnmedizinischen Abteilung der Firma „Q. “ vom 1. November 1992 bis zum 31. Dezember 1993, in der zahnmedizinischen Abteilung der Firma B. Brjansk in der Zeit vom 1. Januar 1994 bis zum 30. März 1994 sowie für die anschließende Tätigkeit in eigener Praxis in der Zeit vom 1. April 1994 bis Juni 1997. Die Klägerin hat hierzu erklärt, die benannten Kleinunternehmen seien Kapitalgeber gewesen und sie habe, auch nachdem sie sich wirtschaftlich habe selbstständig machen können, stets in den selben Praxisräumen gearbeitet. Auf Nachfrage hierzu erklärte sie glaubhaft, im Bereich des Zahnersatzes tätig gewesen zu sein; diese Tätigkeit habe einen nicht unerheblichen Umfang ihrer zahnärztlichen Tätigkeit ausgemacht. Gegenstand ihrer Tätigkeiten auf dem Gebiet des Zahnersatzes seien die in der Auflistung vom 21. Juni 2016 benannten Tätigkeiten.

Soweit die Bezirksregierung Köln erklärt, die Praxiszeiten in Russland könnten nicht berücksichtigt werden, weil diese nicht von einer anderen sachverständigen Person glaubhaft bestätigt und inhaltlich dargestellt werden können, folgt der Senat dem nicht. Anders als bei Antragstellern, die in einer Klinik, Praxis oder in einem Krankenhaus in angestellter Tätigkeit tätig sind und für deren Tätigkeiten deshalb grundsätzlich qualifizierte Tätigkeitszeugnisse erstellt werden können, sind Nachweise im Falle selbstständiger beruflicher Tätigkeit häufig nicht verfügbar. Die Klägerin hat aber nachweislich und unbestritten über Jahre ihren Beruf als Zahnärztin ausgeübt. Dass sie während der Zeit ihrer Berufstätigkeit in einem nicht unbeträchtlichen Umfang auch prothetisch tätig war, ist glaubhaft, zumal es sich bei den von der Klägerin geschilderten Tätigkeiten um typisch prothetischen Arbeiten gehandelt haben dürfte (u.a. Patientenversorgung mit Zahnersatz, Prothesenerweiterungen, Unterfütterungen). Im Übrigen schilderte die Klägerin nachvollziehbar, insoweit mit dem Labor der Poliklinik in Brjansk zusammengearbeitet zu haben.

Die Klägerin hat darüber hinaus Berufserfahrung im Bundesgebiet erworben. So war sie mit einer Berufserlaubnis als Zahnärztin bei Dr. T2. tätig in der Zeit vom 1. Mai 2008 bis zum 30. April 2009. Ausweislich der Bescheinigung des Dr. T2. vom 30. März 2013 fertigte die Klägerin diverse Arbeiten unter Aufsicht (u.a. Prothetische Planung einschl. Heil- und Kostenplanung, Kronen- und Brückenersatz, Modellgussprothesen, kombinierter Zahnersatz, totaler Zahnersatz).

Seit dem 22. Februar 2016 ist die Klägerin zudem mit einer Berufserlaubnis bei dem Zahnarzt Dr. X. in Vollzeit in Köln tätig und dort ausweislich der von ihm ausgestellten Bescheinigung im Bereich der Prothetik tätig. Dieser nehme - so die Bescheinigung des Dr. X. - einen Anteil von mindestens 15 Arbeitsstunden pro Woche ein.

Die Zeit der Hospitation (Mai 2009 bis März 2013) ist als Berufserfahrung nicht zu berücksichtigen. Während dieser Zeit hat die Klägerin nicht als Zahnärztin gearbeitet.

cc) Die Klägerin hat sich ferner nachweislich durch den Besuch einschlägiger Fortbildungsveranstaltungen in einem erheblichen Umfang im Fach Zahnersatz fortgebildet (u.a. Prothetischer Arbeitskreis (regelmäßig während 3 Jahren), Neuerungen in der Totalprothetik, Restaurationsmöglichkeiten mit Zirkoniumdioxid-Keramik, Moderne Alterszahnheilkunde – von der Teilprothese, Moderne Präparationstechniken Update, Indikationsgrenzen: Komposite-Keramik-Gold, Maximale Kosmetik in der Restauration mit Kompositen, Totalprothetik I und 2 ).

Der Besuch von Fortbildungsveranstaltungen ist als „ lebenslanges Lernen“ berücksichtigungsfähig. Der Begriff des „lebenslangen Lernens“ umfasst nach der Definition des Art. 3 Abs. 1 Buchst. l der Richtlinie 2005/36/EG jegliche Aktivitäten der allgemeinen Bildung, beruflichen Bildung, nicht formalen Bildung und des informellen Lernens während des gesamten Lebens, aus denen sich eine Verbesserung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Kompetenzen ergibt und zu denen auch Berufsethik gehören kann. Die Berücksichtigungsfähigkeit „lebenslangen Lernens“ setzt weder nach dem Wortlaut des Gesetzes noch nach dem Sinn und Zweck der Regelung eine Leistungskontrolle voraus.

Dass eine zuständige Stelle, welche die durch lebenslanges Lernen erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten formell als gültig anzuerkennen hat, im Bundesgebiet noch nicht existiert, geht mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu Lasten der Klägerin. Ungeachtet dessen hat der Senat keinen Anlass zur Annahme, dass etwa die von der Zahnärztekammer Nordrhein als einer für die Fort- und Weiterbildung von Zahnärzten zuständigen Stelle ausgestellten Nachweise formell nicht „gültig“ sind.

Der „zuständigen Stelle“ obliegt nach der Gesetzesbegründung auch keine inhaltliche Bewertung der Nachweise. Die Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang Nachweise zum Ausgleich wesentlicher Unterschiede tatsächlich geeignet sind, trifft weiterhin allein die Anerkennungsbehörde.

Vgl. BT-Drs. 18/6987, S. 112.

Deren Entscheidung ist ihrerseits im gerichtlichen Verfahren voll überprüfbar.

c) Ist damit nach Überzeugung des Senats von einem gleichwertigen Ausbildungsstand auszugehen, besteht auch im Übrigen kein Anlass zur Annahme, es fehle an den für die Erteilung der Approbation im Übrigen erforderlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 ZHG.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Anmerkung:

Die klagende Zahnärztin konnte im laufenden Verfahren die Defizite in der Berufserfahrung aufholen. Bei seiner Entscheidung hat ein Verwaltungsgericht immer auf den Sachstand am Tag der letzten Verhandlung abzustellen. Das Oberverwaltungsgericht kam nach Hinzuziehung eines Sachverständigen zu der Auffassung, dass die noch in der Vorinstanz maßgeblichen Bedenken gegen die berufliche Eignung nicht (mehr) bestanden. Der OVG hat die Ärztin selbst angehört und fand sie - im Gegensatz zum VG - glaubhaft. 

Die Entscheidung zeigt, dass in knappen Fällen der Arzt Erfahrungen im laufenden Verfahren auch noch "nachholen" kann und dass ein Rechtssuchender nicht gleich nach einer ersten Niederlage aufgeben sollte. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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