(26.10.2016) Ein Arzt kann sich wegen verspäteter Übersendung von fachärztlichen Bescheinigungen an den Patienten schadensersatzpflichtig machen. Er hat diese Bescheinigungen in angemessener Frist zu erteilen (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 27. Juli 2016 – 1 U 147/15).

Wartet der Arzt zu lange, so kann es ihn teuer zu stehen kommenDer Fall:

Der Patient (Kläger) macht Ansprüche infolge einer nicht rechtzeitigen Weiterleitung einer Bescheinigung durch den beklagten Chefarzt an seine Unfallversicherung geltend.

Der Beklagte, Chefarzt einer Unfallchirurgie, versorgte im März 2011 beim Kläger operativ eine Patellasehnenruptur. Der Kläger machte in der Folge aufgrund eines behaupteten Dauerschadens Ansprüche auf Invaliditätsleistungen gegen seine Unfallversicherung geltend. Diese übersandte dem Kläger einen Vordruck „fachärztliche Bescheinigung zur privaten Unfallversicherung/Invaliditätsfeststellung“, mit der Aufforderung, diesen bis spätestens 13. Dezember 2012 ausgefüllt an die Versicherung zurückzureichen. 

Der Kläger suchte den Beklagten am 15. November 2012 in dessen Ambulanzsprechstunde auf. Der Beklagte fertigte die fachärztliche Bescheinigung unter dem Datum des 29. Dezember 2012 aus und übersandte diese an die Versicherung, wo sie am 21. Januar 2013 einging.

Mit Schreiben vom 4. Februar 2013 lehnte die Versicherung eine Leistung ab. Die Frage, ob ein unfallbedingter Dauerschaden vorliege und wann dieser erstmalig ärztlich festgestellt wurde, habe vom Arzt leider nicht beantwortet werden können. Die Frist zur ärztlichen Feststellung des Dauerschadens sei inzwischen abgelaufen, so dass man deshalb nicht leisten könne. Im Ergebnis wurden dem Patienten also Versicherungsleistungen versagt.

Er verklagte den Chefarzt auf Ersatz der verlorenen Versicherungsleistungen (7.300 Euro) als Verzugsschaden. 

Die Entscheidung:

Das OLG bejaht zwar eine Pflicht des Arztes zur Erstellung der fachärztlichen Bescheinigung, lehnt aber im Ergebnis einen Schadensersatzanspruch des Patienten ab:

Der Arzt hat Gutachten und Zeugnisse, zu deren Ausstellung er verpflichtet ist oder die auszustellen er übernommen hat innerhalb einer angemessenen Frist abzugeben (§ 25 Satz 1 der Musterberufsordnung Ärzte). Verletzt der Arzt diese in der Weise, dass er das ärztliche Zeugnis schuldhaft verzögert ausstellt, kann er dem Patienten nach Verzugsgesichtspunkten haften.

Der Patient, der ein solches Gutachten oder Zeugnis erbittet, ist aber seinerseits verpflichtet, den Arzt auf eine Eilbedürftigkeit oder eine Frist für die Vorlage des Zeugnisses oder Gutachtens hinzuweisen. Und er ist verpflichtet, den Arzt zu mahnen, wenn dieser das Zeugnis oder Gutachten nicht rechtzeitig erstellt. Muss der Patient das Gutachten innerhalb einer bestimmten Frist bei einem Dritten (hier der Unfallversicherung) abliefern, so hat er dem Arzt mitzuteilen, wann diese Frist endet. 

Der Arzt hatte die Bescheinigung also zwar nicht rechtzeitig erstellt, der Patient hat ihn aber daraufhin nicht gemahnt und ihn auch nicht darauf hingewiesen, dass er die Bescheinigung bis zu einem bestimmten Datum bei seiner Unfallversicherung vorlegen muss. Daher haftet der Chefarzt nicht für einen Verzugsschaden des Patienten. 

Praxisanmerkung:

Ärzte sollten solche Bescheinigungen möglichst bald erledigen. Zwar besagt § 25 Satz 1 der Musterberufsordnung nicht, wie lange er dafür Zeit hat. 

§ 25 Satz 1 MBO-Ä: Bei der Ausstellung ärztlicher Gutachten und Zeugnisse haben Ärztinnen und Ärzte mit der notwendigen Sorgfalt zu verfahren und nach bestem Wissen ihre ärztliche Überzeugung auszusprechen. Gutachten und Zeugnisse, zu deren Ausstellung Ärztinnen und Ärzte verpflichtet sind oder die auszustellen sie übernommen haben, sind innerhalb einer angemessenen Frist abzugeben.

Die Frist von zwei Wochen sollte er dabei sicherheitshalber nicht überschreiten.

Versäumt ein Arzt eine solche Frist, so ist nicht zu erwarten, dass die Haftpflichtversicherung diesen Schaden übernimmt, weil es sich dabei nicht um einen typischen (versicherten) Behandlungsfehler handelt. 

Patienten ist zu raten, die Kommunikation mit dem Arzt zu verschriftlichen.

Dem klagenden Patienten gelang im vorliegenden Fall nämlich nicht zu beweisen, dass er den Arzt auf die Frist der Versicherung hingewiesen oder gemahnt hatte.

Der einfachste Weg, dies zu verschriftlichen, ist die E-mail. Der Patient fragt den Arzt im Rahmen der Konsultation/Behandlung/Untersuchung nach seiner E-mail-Adresse. Wieder zu Hause schickt er dem Arzt eine E-mail, in der er den Inhalt des Gesprächs wiederholt und z.B. auf die Frist der Versicherung hinweist. Eine Blindkopie der E-mail versendet er an eine andere E-mail-Adrese (z.B. ein zweites Postfach oder die E-mail-Adresse des Ehegatten).  

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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