(8.11.2016) Die Höhe des Quartalszeitprofils bei angestellten Ärzten eines MVZ (mit dem Bedarfsfaktor 0,5) beträgt 390 Stunden. Maßgeblich für die Plausibilitätsprüfung sind die Stundenwerte des EBM, nicht die in der Praxis-EDV erfassten Stundenwerte. Die Vertretungsregeln der Ärzte-ZV gelten auch für MVZ (Sozialgericht München, Urteil vom 11.10.2016 - S 38 KA 1611/14). 

Berechnung der Honorarrückforderung nach Plausibiltätsprüfung bei MVZ

Der Fall:

Streitig ist die Plausibilitätsprüfung eines MVZ in den Quartalen 3/07, 4/07-4/09, die zu einer Rückforderung in Höhe von 161.949,34 EUR führte. Das MVZ wurde am 01.07.2006 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Gründer waren Dr. C. und Dr. D. Bis zur Gründung des MVZ´s bestand eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG), bestehend aus drei Ärzten. Einer der Ärzte trat aus der BAG aus, weshalb, um den Vertragsarztsitz nicht zu verlieren, ein MVZ gegründet wurde. Zunächst war Frau Dr. E. als angestellte Ärztin mit einem Tätigkeitsumfang von 38,5 Wochenstunden mit dem Bedarfsplanungsfaktor 1,0 beschäftigt. Ab dem 01.10.2007 wurde deren Tätigkeitsumfang mit Genehmigung des Zulassungsausschusses auf 19,25 Wochenstunden und dem Bedarfsplanungsfaktor 0,5 bis 30.6.2008 reduziert. Ebenfalls ab dem 01.10.2007 wurde Dr. B. beim MVZ angestellt und zwar zunächst mit 19,25 Wochenstunden und dem Bedarfsplanungsfaktor 0,5, ab dem 01.07.2008 bis 31.05.2009 mit 38,5 Wochenstunden und dem Bedarfsplanungsfaktor 1,0.

Die beklagte KV stellte im Rahmen von Plausibiltätsprüfungen im Quartal 3/07 Zeitüberschreitungen fest, nämlich bei Dr. D. im Quartal 3/07 (924,43 Quartalsstunden), bei Dr. F. in den Quartalen 1/08 und 2/08 (937,31 Quartalsstunden; 1.039,79 Quartal Stunden) und auch bei Frau Dr. E. in den Quartalen 3/07 und 4/07 (758,22 Quartalsstunden; 398,73 Quartalsstunden). Die Beklagte forderte schließlich von dem MVZ wegen Zeitüberschreitungen Honorar in Höhe von rund 150.000 EUR zurück. 

Die Entscheidung:

Im Ergebnis hat das Sozialgericht den angefochtenen Rückforderungsbescheid im Grundsatz bestätigt, wohl aber wegen Rechenfehlern aufgehoben und das Ganze zur erneuten Entscheidung (unter Berücksichtigung der Rechtsauffassungen des Sozialgerichts) an die Beklagte zurück verwiesen.

Das Sozialgericht München beschäftigte sich mit drei Fragen:

  1. Wie hoch ist das (für die Plausibilitätsprüfung maßgebliche) Quartalszeitprofil (Grundwert: 780 Stunden) bei einem angestellten Arzt eines MVZ, der einen Bedarfsplanungsfaktor von 0,5 innehat (halbe Stelle)? Liegt der Wert bei 260 oder bei 390 Stunden?
  2. Kommt es bei der Ermittlung der für das Zeitprofil maßgeblichen Werten auf die im EBM hinterlegten Werte oder auf die tatsächlich im EDV-System des MVZ erfassten Arbeitsstunden an?
  3. Finden die Vertretungsregeln der Ärzte-ZV auch auf das MVZ Anwendung?

Die erste Frage beantwortete das SG dahin, dass die Höhe des Quartalszeitprofils bei angestellten Ärzten (mit dem Bedarfsfaktor 0,5) 390 Stunden beträgt (und nicht wie die KV meint lediglich 260 Stunden). Die Festlegung von 260 Stunden ist nach Auffassung des Gerichts nicht vereinbar mit § 106a Abs. 2 S.2 2.HS SGB V, wonach Vertragsärzte und angestellte Ärzte entsprechend des jeweiligen Versorgungsauftrages gleich zu behandeln sind. Der Grundwert beträgt 780 Stunden pro Arzt und Quartal. Bei einem Bedarfsfaktor von 0,5 beträgt das Quartalszeitprofil 390 Stunden. 

Die zweite Frage löst das SG so, dass maßgeblich die im EBM hinterlegten Werte sind und nicht die tatsächlich im EDV-System des MVZ erfassten Arbeitsstunden. Der Rückgriff auf die EDV-Werte sei zu pauschal. Ansonsten bestünde auch die Gefahr, dass nur in seltenen Fällen auf die im EBM hinterlegten Werte zurückgegriffen werden könnte. Das MVZ hatte argumentiert, bei den im EBM hinterlegten Werten handele es sich um Durchschnittswerte. Für eingespielte "Profi"-Praxen wie die des klagenden MVZ hätten diese Werte jedoch keine Geltung. Ein geringeres Zeitprofil sei der Effektivität dieser Praxen geschuldet. Bei dieser Sachlage sei keine "Unplausibilität" festzustellen. Das sah das SG aber anders. 

Aus Sicht des SG sind die Vertretungsregelungen in § 32 Ärzte-​ZV auf das MVZ anwendbar. Somit bedarf eine Vertretung eines Arztes des MVZ, die länger als drei Monate dauert, der Genehmigung durch die KV. Innerhalb von Berufsausübungsgemeinschaften (BAG´s) liegt dagegen keine Vertretung vor, solange nur ein Mitglied in der Praxis tätig ist. Das MVZ ist jedoch nicht mit einer BAG vergleichbar, da die im MVZ tätigen Ärzte keine gemeinsamen vertragsärztlichen Leistungen erbringen. Die BAG verfügt im Gegensatz zu einem MVZ oder dessen Rechtsträger nicht über eine eigene Zulassung, sondern jeder Partner der BAG. Adressat einer Anstellungsgenehmigung ist bei dem MVZ nicht, wie bei der BAG der einzelne anzustellende Arzt, sondern der Rechtsträger des MVZ´s als Inhaber der Zulassung. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass im Regelfall von einer Vertretung auszugehen ist.

Praxisanmerkung:

Die Entscheidung stärkt die rechtliche Stellung des MVZ als Teilnehmer in der vertragsärztlichen Versorgung hinsichtlich der Quartalszeitprofile. Hinsichtlich der Vertretungsregeln ist das MVZ gegenüber einer BAG dagegen im Nachteil. Und das MVZ kann sich nicht darauf berufen, dass es hier auf die Werte ankomme, die es in seinem EDV-System erfasst hat; der Vorteil daran ist aber die so geschaffene Rechtsklarheit: die Werte des EBM sind klar und eindeutig, während individuelle EDV-Werte Unsicherheit brächten.  

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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