(11.1.2017) Überschreitet der Zahnarzt den Schwellenwert nach GOZ von 2,3, so hat er dies in der Rechnung so zu begründen, dass der Patient dies verstehen kann. Begründet der Zahnarzt die Überschreitung mit erhöhtem Zeitaufwand, so hat er in der Rechnung anzugeben, wie hoch der regelmäßige Aufwand ist und wie hoch der tatsächliche (erhöhte) Zeitaufwand war. Zugleich bedarf es einer stichwortartigen Benennung der den konkreten Zeitaufwand verursachenden individuellen Besonderheiten (Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 13. Dezember 2016 – 26 K 4790/15).

Zahnarztrechnung mit Überschreitungen des SchwellenwertsDer Fall:

Im Streit steht eine Zahnarztrechnung, in der u.a. die Gebührenpositionen GOZ Nr. 9000 und 9010 mit einem Faktor von jeweils 3,5 abgerechnet werden.

Die Begründungen zu der Überschreitung des Schwellenwertes lauteten: 

zu GOZ 9000: 

"Mehrere Analysen/Vermessungen, da mehrere Implantatpositionen" sowie im Rahmen einer ergänzenden Stellungnahme: "überdurchschnittlicher Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand wegen aufwendiger Planung aufgrund der Implantatzahl und Positionierung pro Kiefer und ungünstiger Anatomie"

zu GOZ 9010: 

"Mehrere Implantate pro Kiefer, Parallelitätsprobleme, Achsenkonfiguration - Erhöhter Aufwand wegen Implantat in Nervennähe" sowie ergänzend: "Überdurchschnittliche Schwierigkeiten wegen besonderer Maßnahmen zur Vermeidung von Schädigungen der Nervaustrittstelle, hoher Verletzungsgefahr durch Operation in Nervnähe und starker/übermäßiger Blutung"

Die Beihilfe stelle der Patientin bezahlte nur den 2,3fachen Satz.

Die Patientin klagte auf Zahlung der Differenz zwischen Scvhwellenwert (2,3) und dem Rechnungsbetrag (3,0), insgesamt rund 180 Euro.

Die Entscheidung:

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf wies die Klage der Patientin als unbegründet ab.

Der höhere Betrag in der Rechnung sei nicht fällig geworden, weil die Rechnung insofern nicht den Anforderungen des § 10 Absatz 1 und 3 GOZ entspreche:

Für die durch die Zahnarztpraxis mit dem 3,5fachen Steigerungssatz berechneten, also im Sinne von § 10 Abs. 3 S. 1 GOZ das 2,3fache des Gebührensatzes überschreitenden Gebührenziffern 9000 und 9010 bedurfte es in der Rechnung damit jeweils einer verständlichen und nachvollziehbaren schriftlichen Begründung dieser sog. Schwellenwertüberschreitungen, damit die Rechnung insoweit der Verordnung entspricht und damit gemäß § 10 Abs. 1 GOÄ insoweit die Fälligkeit der Gebührenforderungen auslöst.

Bei einer zeitaufwandsbezogenen Begründung hat der Zahnarzt zumindest stichwortartig den zeitlichen Rahmen und den durchschnittlichen Zeitaufwand der erbrachten Leistung in der Berufspraxis des behandelnden Zahnarztes einerseits und den konkreten Zeitaufwand der erbrachten Leistung im Einzelfall andererseits darzulegen. Dies kann z.B. geschehen nach folgendem Muster:

"Zeitlicher Rahmen für die erbrachte Leistung 30 min bis 120 min, durchschnittlicher Zeitaufwand 50 min, konkreter Zeitaufwand 90 min"

Dabei sollte zumindest stichwortartig die den konkreten Zeitaufwand verursachende individuelle Besonderheit benannt werden.

Die vorliegenden Begründungen genügen diesen Anforderungen nicht:

  • Die Begründung für die Schwellenwertsüberschreitung bei Ziffer GOZ 9000 "Mehrere Analysen/Vermessungen, da mehrere Implantatpositionen" ist allein schon deshalb nicht verständlich und nachvollziehbar im Sinne von § 10 Abs. 3 S. 1 GOZ, weil sie keines der in § 5 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GOZ enthaltenen Bemessungskriterien (Schwierigkeit und Zeitaufwand der einzelnen Leistung, Umstände bei der Ausführung bzw. Schwierigkeit des Krankheitsfalles) in Bezug nimmt.
    Auch fehlt es in der ergänzenden Begründung trotz der ausdrücklichen Inbezugnahme des Bemessungskriteriums "Zeitaufwand" an jeglichem zumindest ansatzweisen Anhaltspunkt dafür, wie die im konkreten Fall erbrachte Leistung in zeitlicher Hinsicht im Vergleich mit anderen von der Zahnarztpraxis durchgeführten implantatbezogenen Analysen bzw. Vermessungen einzuordnen ist, geschweige denn, dass diese Leistung - wie für eine Berechnung mit dem 3,5fachen Steigerungssatz erforderlich - am oberen Ende des zeitlichen Rahmens für Behandlungen gleicher Art anzusiedeln ist.
  • Auch die 9010-Begründung "Mehrere Implantate pro Kiefer, Parallelitätsprobleme, Achsenkonfiguration - Erhöhter Aufwand wegen Implantat in Nervennähe" ist allein schon deshalb nicht verständlich und nachvollziehbar im Sinne von § 10 Abs. 3 S. 1 GOZ, weil sie keines der in § 5 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GOZ enthaltenen Bemessungskriterien in Bezug nimmt.
    Auch die ergänzende Begründung macht nicht plausibel, dass ein Fall vorgelegen hat, der an die zahnärztliche Praxis außergewöhnliche Anforderungen gestellt hat.

Praxisanmerkung:

So wie die Klage der Patientin gegen die Beihilfe scheiterte kann auch die Klage des Zahnarztes gegen einen Patienten scheitern, der nur den Schwellenwert zu zahlen bereit ist. Die Zahnärzte sollten also gewarnt sein.

Das VG Düsseldorf gibt hier zum Glück eine allgemeine Anweisung, wie man zeitbezogene Leistungen aus seiner Sicht rechtssicher abrechnen kann. Der Einzelne mag dieses Urteil kritisch sehen. Für Zahnärzte ist es jedenfalls der sicherste Weg, dieses vom VG Düsseldorf vorgegebene Muster zu verwenden und in ihre tägliche Abrechnungspraxis zu intergrieren. 

Dem erhöhten Zeitaufwand bei der Arbeit am Zahn folgt also zwangsläufig auch ein erhöhter Zeitaufwand des Arztes bei der Dokumentation des Zeitaufwandes sowie der Darstellung, warum der vorliegende Fall außergewöhnlich war. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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