(16.1.2017) Die Teilnahme eines in einer Klinik angestellten Oberarztes an einem sogenannten sechsstündigen Experten-​Kolleg, der von einem Medikamentenhersteller veranstaltet wird, inklusive eines Vortrags ist keine privilegierte Nebentätigkeit gemäß § 73 Abs. 2 Landesbeamtengesetz Schleswig-​Holstein (LBG SH). Diese Tätigkeit steht vielmehr unter dem Verbotsvorbehalt des § 73 Abs. 1 LBG SH (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 08. November 2016 – 5 SaGa 5/16).

1.200 Euro für die Teilnahme an einem sechsstündigen Experten-Kolleg ist lukrativDer Fall:

Der Kläger ist als nephrologischer Oberarzt bei der beklagten Klinik angestellt. 

Zur Behandlung bestimmter Krankheiten stehen in der Klinik auch hochpreisige Medikamente zur Verfügung, etwa das Medikament das Medikament J.® (T.) von der Firma O. P.

Auf einer Board-​Besprechung vom 13.04.2016 verständigten sich die Oberärzte und die Klinikleitung der Nephrologie darauf, dass hinsichtlich der Behandlung von Patienten mit den besonders teuren Medikamenten S.® und J. ca. alle vier Wochen ein TMA-​Board (S.®) und ca. alle vier Wochen ein ADPKD-​Board (J.) abgehalten wird, auf welchen die beteiligten Oberärzte gemeinsam abstimmen, bei welchen Patienten in welchem Umfang das jeweilige Medikament eingesetzt wird.

In der ADPKD-​Board-​Besprechung vom 21.06.2016 legte der Kläger trotz ausdrücklicher Nachfrage nicht offen, dass er zumindest zwei weitere Patienten mit J., d. h. dem Wirkstoff T., behandelte.

Mit Erstanzeige vom 26.07.2016 zeigte der Oberarzt gegenüber der Kinik die beabsichtigte Annahme und Durchführung u. a. einer ca. sechsstündigen „Referenten-​/Vortragstätigkeit Experten-​Kolleg ADPKD“ bei der „O. P. GmbH“ am 12.11.2016 für ein Honorar von ca. 1.200,00 € nebst Auslagenersatz von ca. 500,00 € an. 

Die Klinik untersagte die angezeigte Nebentätigkeit. 

Dagegen klagte der Oberarzt. 

Das Arbeitsgericht gabe der Klinik Recht. Der Oberarzt ging in Berufung. 

Die Entscheidung:

Das Landesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts und wies die Berufung des Oberarztes zurück.  

Experten-Kolleg ist kein "Vortrag"

Die von dem Oberarzt beantragte Nebentätigkeit ist nicht als privilegierte "schriftstellerische, wissenschaftliche, künstlerische oder Vortragstätigkeiten der Beschäftigten sowie die mit Lehr- und Forschungsaufgaben zusammenhängende selbstständige Gutachtertätigkeit von wissenschaftlichem Hochschulpersonal" (§ 73 Abs. 2 LGB) anzusehen. Zu den privilegierten Vorträgen rechnet man lediglich die reine Vortragsdauer. Die Obergrenze eines solchen Vortrags liegt regelmäßig bei vier Stunden. Hiervon unterscheidet sich die aktive Teilnahme an einem sogenannten Experten-​Kolleg. Bei dem geplanten sechsstündigen Experten-​Kolleg handelt es sich dagegen in der Regel um eine Podiumsdiskussion mit Experten, die in eher kurzen (Impuls-​)Referaten ihre Statements abgeben und sodann in eine Diskussion mit den Teilnehmern treten bzw. deren Fragen beantworten. Nebenberufliche Fortbildungstätigkeiten welcher Art auch immer unterliegen indessen nicht der Privilegierung des § 73 Abs. 2 LGB.

Experten-Kolleg beeinflusst ärztliches Verhalten des Oberarztes

Die Nebentätigkeit beeinträchtigte auch die dienstlichen Interessen der Klinik nach § 73 Abs. 1 LGB und war daher zu untersagen. Zur dienstlichen Pflicht eines Arztes zählen u. a. die medizinische Behandlung von Patienten und damit auch die Verordnung von Medikamenten allein von dem jeweils festgestellten Krankheitsbild und der medizinisch erforderlichen Therapie abhängig zu machen. Wenn indessen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich der Arzt bei der Verordnung von Medikamenten nicht ausschließlich von der Therapieerforderlichkeit, sondern zudem von sachfremden, mit der Nebentätigkeit zusammenhängenden Erwägungen leiten lassen könnte, muss diese untersagt werden. Hier war zu besorgen, dass der Oberarzt sich durch seine lukrative Nebentätigkeit bei der Verordnung des sehr teuren Medikaments J, das von dem Veranstalter der Nebentätigkeit hergestellt wird, beeinflussen läßt. 

Unabhängig von der Problematik einer Strafbarkeit nach § 299a StGB liegt im vorliegenden Fall eine Gefährdung der dienstlichen Interessen vor.

Und diese ist auch nicht nur abstrakter Natur. Das Verhalten des Oberarztes auf der AKDPK-​Board-​Besprechung vom 21.06.2016 begründet vielmehr konkret die Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen. Denn der Kläger hat trotz ausdrücklicher Nachfrage auf dieser Teambesprechung der Oberärzte und des Klinikdirektors nicht offen gelegt, dass er zwei weitere Patienten mit dem Medikament J. behandelt. Er hat auch in der Berufungsinstanz keine plausible Erklärung für dieses Verschweigen geliefert. Er hat sich nur darauf versteift, dass allein die Assistenzärztin Dr. C. die Entscheidungen zu den hochpreisigen J.-​Therapien treffe und dass eine gemeinsame Besprechung der Prozedere am 21.06.2016 gerade nicht erfolgt sei. Zudem sei er auf die konkrete Darlegung der Therapie seiner ADPKD-​Patienten auf der Grundlage von fundierten Patientendaten nicht vorbereitet gewesen. Dies begründet aber nicht, warum er diese zwei oder drei Patienten, die er unstreitig bereits mit J. behandelt hat, trotz ausdrücklicher Nachfrage nicht offen gelegt hat. Dieses Verhalten legt aus Sicht der Klinik zumindest die Wahrscheinlichkeit nahe, dass der Oberarzt Patienten mit dem Medikament J. behandelt, um entsprechende Fallstudien im Bereich der ADPKD-​Indikation zu haben, um wiederum als Referent von der Fa. O. eingeladen zu werden.

Praxisanmerkung:

Die Nebentätigkeiten sind bundesweit in den Landesgesetzen ähnlich geregelt. Insofern hat der Fall bundesweite Bedeutung. Der Schutz der ärztlichen Verordungs- und Behandlungsentscheidung gegen Beeinflussungen hat mit der Einführung des § 299a StGB eine stärkere Bedeutung erhalten. Die Klinikärzte sind gut beraten, jeden Eindruck einer Beeinflussung zu vermeiden. Im vorliegenden Fall wurde dem Oberarzt zum Nachteil gereicht, dass er die Behandlung zweier Patienten mit einem sehr teuren Medikament verschwieg. 

Die reine Vortragstätigkeit des Arztes ist privilegiert und gilt grundsätzlich als erlaubte Nebentätigkeit. Dies gilt aber nicht - wie das LAG noch einmal betont - für sechsstündige Experten-Fragerunden, die eher als Fortbildungsveranstaltungen anzusehen sind. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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