(27.2.17) Leistungen, die durch mehrere Ärzte zusammen erbracht werden (wie z.B. der postoperative Überwachungskomplex durch Operateur und Anästhesist) bedürfen einer Abrechnungsvereinbarung. Diese Vereinbarung muss festlegen, wer von den beiden Ärzten im Außenverhältnis zur Kassenärztlichen Vereinigung die Leistungen abrechnet (obligatorischer Inhalt). Den Ärzten ist es freigestellt, ob sie im Innenverhältnis zueinander Ausgleichszahlungen der Ärzte untereinander vereinbaren (fakultativer Inhalt). Kommt eine Abrechnungsvereinbarung nicht zustande, darf nur der die Leistung (tatsächlich) erbringende Arzt gegenüber der KV abrechnen und er muss in der Abrechnungssammelerklärung auf das Fehlen einer Abrechnungsvereinbarung hinweisen, damit die Kassenärztliche Vereinigung Vorsorge gegen Doppelabrechnungen treffen kann. Andernfalls muss er die erhaltenen Honorare zurückerstatten. Schlußendlich bleiben die Leistungen vollständig unvergütet (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 01. Februar 2017 – L 5 KA 5013/14 –, juris).

Honorarrückforderungen wegen Abrechnungsfehlern

Der Fall:

Der niedergelassene, als Belegarzt tätige Chirurg (Kläger) erklärte in seiner Sammelerklärung I/2007 unter Nr. 9: 

Erklärung zur Erbringung und Abrechnung von Leistungen, die entsprechend EBM eine Erklärung oder Vereinbarung mit ggf. an diesen Leistungen beteiligten Ärzten vorsehen

Ich (Quartal 1/2007: ich/wir) erkläre(n), dass an der Erbringung von Leistungen, die beim Zusammenwirken mehrerer Ärzte eine Erklärung oder Vereinbarung über die alleinige Abrechnung vorsehen, nur ich (Quartal 1/2007: ich/wir) alleine in den jeweiligen Fällen die Leistungen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg abrechne(n).

Eine Vereinbarung über die Abrechnung bestand zwischen Chirurg und dem Anästhesisten, Dr. B. - J., mit dem der Chirurg die Operationen durchführte, nicht. 

Allerdings rechnete auch der Anästhesist Honorare für den postoperativen Überwachungskomplex ab. Daher machte die KV nach einer sachlich-rechnerischen Berichtigung eine Honorarrückforderung über rund 2.000 EUR gegen den Chirurgen geltend.  

Der Chirurg trägt gegen die Honorarrückforderung vor, er habe gegen die Bestimmungen in den Präambeln 31.3.1 und 36.3.1 EBM (Nr. 1) nicht verstoßen. Eine Abrechnungsvereinbarung mit Dr. B.-J. (Anästhesist) habe er nicht abgeschlossen; dieser sei zum (rückwirkenden) Abschluss einer solchen Vereinbarung auch nicht bereit. Die genannten EBM-Bestimmungen sähen aber keine konkrete Verhaltenspflicht des die Leistung korrekt erbringenden Arztes vor. Er habe daher auch nicht darauf hinweisen müssen, dass eine Abrechnungsvereinbarung nicht vorliege. Den Abschluss einer solchen Vereinbarung (mit dem rechtswidrig abrechnenden Dr. B.-J.) könne er nicht erzwingen. Die Beklagte hätte vor der Honorarrückforderung um Aufklärung des Sachverhalts nachsuchen können. Die Risiken der Doppelabrechnung dürften nicht zu Lasten des rechtmäßig abrechnenden Arztes gehen.

Die Entscheidung:

Das Gericht bestätigte den Honorarrückforderung. 

Die EBM-konforme Abrechnung von Leistungen des postoperativen Überwachungskomplexes (Abschnitte 31.3 bzw 36.3 EBM 2008) erfordert auch die Einhaltung der (allgemeinen) Abrechnungsbestimmungen in den Präambeln 31.3.1 und 36.3.1 EBM. Deshalb bedarf es einer Abrechnungsvereinbarung. Diese fehlt hier. Deshalb darf grundsätzlich nur einer der beiden Ärzte die Leistungen abrechnen. Tatsächlich haben beide Ärzte diese Leistungen abgerechnet:

Nach Nr. 1 der Präambeln 31.3.1 und 36.3.1 EBM muss der Arzt bei der Abrechnung von Leistungen des postoperativen Überwachungskomplexes nach einer ambulanten oder belegärztlichen Operation, an der (wie regelmäßig) mehrere Ärzte (typischerweise Operateur und Anästhesist) mitgewirkt haben, in einer der Quartalsabrechnung beizufügenden und von ihm unterzeichneten Erklärung bestätigen, dass er mit den anderen Ärzten (als Operateur etwa mit dem Anästhesisten) eine Vereinbarung darüber getroffen hat, wonach nur er allein die Leistungen des postoperativen Überwachungskomplexes abrechnet. Entsprechendes gilt, wenn an der postoperativen Überwachung selbst mehrere Ärzte mitgewirkt haben.

Kommt eine Abrechnungsvereinbarung mit dem vorstehend als obligatorisch bezeichneten Inhalt (aus welchen Gründen auch immer) nicht zustande, könnten die Leistungen des postoperativen Überwachungskomplexes bei strikt wortlautbezogener Anwendung der unter Nr. 1 der Präambeln 31.3.1 und 36.3.1 EBM festgelegten Abrechnungsbestimmung an sich (gar) nicht abgerechnet werden. Damit wäre der Regelungsgehalt der Vorschrift freilich überspannt, zumal die Abrechnungsvereinbarung lediglich implizit vorgeschrieben ist und nur Doppelabrechnungen verhindert werden sollen. Tatsächlich erbrachte Leistungen des postoperativen Überwachungskomplexes können daher auch bei im Innenverhältnis der Ärzte fehlender Abrechnungsvereinbarung im Außenverhältnis gegenüber der KV abgerechnet werden. Im Hinblick darauf, dass der EBM die Ärzte mit dem Erfordernis der Abrechnungsvereinbarung - rechtlich unbedenklich - zur Vermeidung von Doppelabrechnungen in die Pflicht nimmt, darf der abrechnende Arzt dann freilich nicht (wahrheitswidrig) erklären, eine Abrechnungsvereinbarung mit dem nach Maßgabe der Präambeln 31.3.1 und 36.3.1 EBM (Nr. 1) obligatorischen Inhalt abgeschlossen zu haben. Er muss, will er EBM-konform abrechnen, einen entsprechenden Erklärungstext des Formulars der Abrechnungssammelerklärung streichen und/oder darauf hinweisen, dass eine Abrechnungsvereinbarung nicht abgeschlossen worden ist. Es ist dann Sache der Kassenärztlichen Vereinigung, in (Sonder-) Fällen dieser Art Vorsorge gegen Doppelabrechnungen zu treffen.

Gegen diese Regeln hat der Kläger verstoßen. Er hat mit Dr. B.-J. gemeinsam operiert, eine Abrechnungsvereinbarung mit dem in den genannten Abrechnungsbestimmungen vorgesehenen (obligatorischen) Inhalt jedoch unstreitig nicht abgeschlossen und insoweit unter Nr. 9 der Abrechnungssammelerklärungen eine der Sache nach unrichtige Erklärung abgegeben. Damit hat der Kläger das für die Vergütung der in Rede stehenden Leistungen geltende Regelwerk (des EBM) verletzt, weshalb die beklagte KV die Honorarfestsetzung insoweit zu Recht im Wege sachlich-rechnerischer Berichtigung aufgehoben hat. Dass offenbar auch Dr. B.-J. in gleicher Weise fehlerhaft abgerechnet hat, ist unerheblich. Als Folge der den Ärzten durch die Abrechnungsbestimmungen in den Präambeln 31.3.1 und 36.3.1 EBM (Nr. 1) auferlegten Verantwortung für die Vermeidung von Doppelabrechnungen kann es in Sonderfällen der vorliegenden Art dazu kommen, dass eine tatsächlich erbrachte Leistung, die von keinem Arzt EBM-konform abgerechnet wird, unvergütet bleibt.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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