(17.3.17) Ein an Dickdarmkrebs erkrankter Patient, der mehrfach operativ behandelt wurde, hat gleichwohl keinen Anspruch auf Behandlung mit fremden dendritischen Zellen (LANEX-​DC) auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung. Denn die Erkrankung stellt weder einen Seltenheitsfall dar noch stellt ihre anerkannte Behandlung kein Systemversagen dar. Überdies ist die Behandlung mit dendritischen Zellen, sprich einer nicht anerkannten Behandlungsmethode nur zulässig, wenn eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vorliegt, für die es keine angemessene Standardtherapie gibt, was beides bei einem Dickdarmkrebs nicht der Fall ist (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Februar 2017 – L 11 KR 2090/16).

Operation oder Behandlung mit dendritischen Zellen?Hintergrund:

Dendritische Zellen beeinflussen T-Zellen und verstärken so die spezifische zelluläre Immunabwehr. Sie können dazu benutzt werden, um gegen vorhandene Krebstumoren zu impfen. Dabei werden isolierte dendritische Zellen mit Tumorantigenen beladen, mittels Cytokinen stimuliert und dem Patienten wieder verabreicht. Dendritischen Zellen sollen dem Immunsystem den bereits im Körper vorhandenen, aber meist vom Immunsystem nicht erkannten oder nicht bekämpften Tumor zeigen und damit die Immunabwehr auf den Tumor „hetzen“. Diese Krebsimpfung mit dendritischen Zellen, eine Form der Krebsimmuntherapie, beginnt sich als Therapieform langsam zu etablieren. In Deutschland ist die Behandlung aber nicht zugelassen. 

Update: 

Das Bundessozialgericht ist zu einem anderen Ergebnis gekommen als das Landessozialgericht und hat die beklagte gesetzliche Krankenversicherung verurteilt, den klagenden Patienten mit einer Immuntherapie mit autologen dendritischen Zellen zu versorgen (BSG, Urteil vom 6.11.2018 - B 1 KR 30/18 R). Denn die von dem Kläger begehrte Immuntherapie mit autologen dendritischen Zellen liegt nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung. Dem steht nicht entgegen, dass es sich um eine neue, bislang nicht vom GBA empfohlene Methode zur Behandlung des Kolonkarzinoms handelt (§ 135 Abs 1 SGB V). Der Kläger durfte aufgrund der fachlichen Befürwortung seines Antrags durch Dr. G. die Immuntherapie zur Behandlung seines Kolonkarzinoms für geeignet und erforderlich halten, ohne Einzelheiten zu den Voraussetzungen ambulanter und stationärer Leistungserbringung oder des § 2 Abs 1a SGB V wissen zu müssen. Die Beklagte beschied den Antrag nicht innerhalb der ab dem 21.5.2014 beginnenden Drei-Wochen-Frist, sondern erst nach Fristablauf. Damit liegt ein Fall des § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V vor (unentschuldigtes Verstreichenlassen der Fristen für eine Bescheidung des Antrages des Versicherten) und die Kasse hat folglich die Behandlung zu bezahlen.

Tenor der Entscheidung des Landessozialgerichts

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19.05.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Immuntherapie eines Colonkarzinoms mit dendritischen Zellen streitig.

Der 1955 geborene Kläger ist Bankkaufmann und bei der Beklagten krankenversichert. 2003 erkrankte er erstmals an Dickdarmkrebs im Bereich des Colon sigmoideum (pT3a pN0 R0 G1-​2). Es erfolgte eine Hemicolektomie links. Im Februar 2014 wurde erneut Darmkrebs diagnostiziert, jetzt im Bereich des Colon ascendens mit Durchdringung mehrerer Wandschichten des Dickdarms und Tumorabsiedlungen im Bereich der umgebenden Lymphknoten (pT4b pN2b L1 Pn1 R0 G2). Am 10.03.2014 wurde der Tumor chirurgisch reseziert; von 34 entfernten regionalen Lymphknoten wiesen 10 einen Tumorbefall auf. Eine anschließende adjuvante Chemotherapie erfolgte nicht. Vom 08.04. bis 06.05.2014 absolvierte der Kläger eine medizinische Rehabilitation im Parksanatorium A.

Am 21.05.2014 beantragte PD Dr. G. für den Kläger die Kostenübernahme einer Therapie mit dendritischen Zellen.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein. Dr. B. führte unter dem 28.05.2014 aus, mit der Behandlung mit dendritischen Zellen liege eine außervertragliche, nicht zugelassene Methode vor. Als schulmedizinische Behandlung stehe eine Chemotherapie zur Verfügung. Eine unmittelbar lebensbedrohliche oder gleichgestellte Erkrankung liege bei dem aktuellen Tumorstadium nicht vor. Eine auf Indizien gestützte Aussicht auf positive Einwirkung durch die neue Methode liege nicht vor. Mit Bescheid vom 12.06.2014 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag ab.

Mit Widerspruch vom 20.06.2014 bat der Kläger um wohlwollende Prüfung nach den Kriterien einer grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs. Er verspreche sich von der kostengünstigen adjuvanten Immuntherapie mit autologen dendritischen Zellen geringfügige Nebenwirkungen bei gleichzeitig deutlich erhöhter Lebensqualität, eine signifikante Verlängerung der Überlebenszeit und eine maßgebliche Verminderung des Rezidivrisikos im Vergleich zur konventionellen Chemotherapie.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.08.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es handele sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, mit welcher sich der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) bislang nicht befasst habe. Eine Kostenübernahme könne nur erfolgen, wenn eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung vorliege, eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung stehe und eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe. Hier liege keine notstandsähnliche Situation ohne vertragliche, allgemein anerkannte Therapiemöglichkeit vor.

Hiergegen richtet sich die am 05.09.2014 zum Sozialgericht Ulm (SG) erhobene Klage. Die begehrte Behandlung sei schonender als Chemotherapie und führe auch in einer Mehrzahl von Fällen zum Erfolg. Es müsse ein Rückfall vermieden werden.

Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. PD Dr. G. (Klinikum H.) hat unter dem 23.01.2015 ausgeführt, bei dem beim Kläger bestehenden Tumor-​Stadium III betrage das 5-​Jahres-​Risiko, an den Folgen dieser Erkrankung zu sterben, 49%. Nach den S3-​Leitlinien für die Behandlung von Darmkrebs-​Erkrankungen sei eine Standard-​Chemotherapie vorgesehen, wodurch das Sterblichkeitsrisiko (5-​Jahres-​Risiko) auf 29% gesenkt werden könne. Bei der Behandlung von Darmkrebserkrankungen mit dendritischen Zellen handele es sich um ein experimentelles Verfahren. PD Dr. G. hat unter dem 08.05.2015 mitgeteilt, es liege eine eindeutig lebensbedrohliche Erkrankung vor. Die Standardtherapie bestehe in der Operation und nachfolgender adjuvanter Chemotherapie, wodurch das Metastasierungsrisiko um 10-​15% gesenkt werde. In einer retrospektiven Analyse seiner im Zeitraum 2002 bis 2008 behandelten Patienten habe sich gezeigt, dass bei Patienten mit fortgeschrittenem Kolonkarzinom bei additiver Behandlung mit dendritischen Zellen die Rezidivrate 17,6% betragen habe, bei alleiniger Standardtherapie 66,6%. Der Hausarzt Dr. H. hat geäußert, seines Wissens liege zur Zeit kein lebensbedrohlicher Zustand durch den Dickdarmkrebs vor. Postoperativ habe mit der leitlinienbasierten Standardtherapie ein kurativer Therapieansatz mit dem Ziel bestanden, ein Rezidiv sowie Metastasierung zu verhindern (Schreiben vom 10.01.2015).

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat PD Dr. G. sich mit Schreiben vom 24.03.2016 nochmals geäußert unter Verweisung auf seine Aussage vom 08.05.2015. Er hat erneut auf die Verringerung des Rezidivrisikos verwiesen und ausgeführt, der GBA sei nicht neutral, was sich schon aus seiner Zusammensetzung ergebe. PD Dr. G. sei in einem städtischen Krankenhaus angestellt und Mitglied diverser Fachgesellschaften und somit den Empfehlungen der deutschen Gesellschaft für Hämatologie/Onkologie verpflichtet, die sich stark an den stark industriell geprägten S3-​Leitlinien orientierten. Das Landessozialgericht Baden-​Württemberg (LSG) habe in einem Fall entschieden (L 5 KR 1496/13), dass einer Patientin die Therapiekosten erstattet werden müssten. Ferner sei die Behandlung in mehreren Staaten zugelassen.

Mit Urteil vom 19.05.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Immuntherapie mit dendritischen Zellen sei eine neue Behandlungsmethode, die nach § 135 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nur zulässig sei, wenn der GBA eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben habe. Als bislang nicht empfohlene Methode sei die Behandlung mit dendritischen Zellen zur Behandlung des Kolonkarzinoms grundsätzlich kein Leistungsgegenstand der GKV. Ein Ausnahmefall, in dem es keiner Empfehlung des GBA bedürfe, liege nicht vor. Weder handele es sich angesichts der erheblichen Verbreitung des Krankheitsbildes um einen Seltenheitsfall, noch gebe es Anhaltspunkte für ein Systemversagen. Ein Antrag beim GBA sei bislang nicht gestellt worden. Auch die Voraussetzungen für eine grundrechtsorientierte Auslegung lägen nicht vor. Anders als im Fall des LSG (19.03.2014, L 5 KR 1496/13, juris) habe hier eine anerkannte und dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethode bestanden mit kurativem und nicht nur rein palliativem Charakter. Dies ergebe sich schon aus der S3-​Leitlinie zum kolorektalen Karzinom, welche gerade auch beim Sigma-​Karzinom mit Lymphknotenbeteiligung eine chirurgische Therapie mit kurativem Ziel beschreibe. Das Gesamtüberleben im Stadium III werde nach der S3-​Leitlinie durch die FOLFOX4 Chemotherapie signifikant erhöht. Die adjuvante Chemotherapie stehe damit als kurative Standardtherapie zur Verfügung. Die Leistung gelte auch nicht nach § 13 Abs 3a SGB V als genehmigt, weil die maßgebende Frist von fünf Wochen zwischen Antragstellung (21.05.2014) und Entscheidung (12.06.2014) eingehalten sei.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 01.06.2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 06.06.2016 eingelegte Berufung des Klägers. Er ist weiter der Auffassung, dass die Voraussetzungen einer grundrechtsorientierten Auslegung der Leistungspflicht der Beklagten vorlägen. Eine allgemein anerkannte Behandlung stehe nicht zur Verfügung. Der Verweis auf Chemotherapie sei nicht geboten im Hinblick auf deren erhebliche Nebenwirkungen. Aus den Ausführungen von PD Dr. G. ergebe sich zudem, dass die Rezidivrate bei dendritischer Zelltherapie weitaus geringer sei als bei Standardtherapie. Es bestehe auch die Aussicht auf Heilung. Das LSG habe in seiner Entscheidung vom 19.03.2014 (L 5 KR 1496/13) festgestellt, dass die Behandlung mit autologen dendritischen Zellen eine seriöse ärztliche Behandlungsmethode darstelle. Auch aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH 30.10.2013, IV ZR 307/12) ergebe sich, dass eine Behandlung mit autologen dendritischen Zellen als anerkannte Behandlungsmethode in Ansatz gebracht werden könne. Auch andere gesetzliche Krankenkassen oder Kostenträger hätten einer entsprechenden Behandlung bereits zugestimmt. Die Kosten für eine entsprechende Therapie lägen bei etwa 6.800 €.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19.05.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 12.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.08.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Behandlung mit autologen dendritischen Zellen als Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der MDK habe in seiner Stellungnahme das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 2 Abs 1a SGB V nicht bestätigen können. Insbesondere habe er ausgeführt, dass als vertragsärztliche Therapieoption die Chemotherapie zur Verfügung stehe. Die Kostenübernahme für eine Behandlung mit dendritischen Zellen sei daher nicht möglich. Die Leistung gelte auch nicht nach § 13 Abs 3a SGB V als genehmigt. Zwar sei die hier wegen der fehlenden Mitteilung der Einholung eines MDK-​Gutachtens nach der Rechtsprechung des BSG (08.03.2016, B 1 KR 25/15 R) maßgebliche 3-​Wochenfrist nicht eingehalten, allerdings könne die Genehmigungsfiktion nur bei einem hinreichend bestimmten Antrag eintreten. Ein Kostenvoranschlag, der den Antrag hinreichend bestimmt hätte, habe bei Antragstellung nicht vorgelegen. Der Antrag enthalte die Empfehlung für eine Therapie mit autologen dendritischen Zellen. Eine Genehmigungsfiktion könne nach der Rechtsprechung des BSG somit nicht eingetreten sein.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Die nach §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 12.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es besteht kein Anspruch auf Gewährung der begehrten Immuntherapie mit dendritischen Zellen.

Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Ob ein Anspruch bereits deshalb nicht gegeben ist, weil es sich bei den hier verabreichten dendritischen Zellen um ein Arzneimittel für neuartige Therapien handelt, zu dessen Zubereitung PD Dr. G. zwar nach § 144 Arzneimittelgesetz (AMG) befugt ist, für das aber die nach § 4b Abs 3 Satz 1 iVm § 77 Abs 2 AMG zusätzlich (Müller, MedR 2011, 698, 703) erforderliche Genehmigung des Paul-​Ehrlich-​Institutes fehlt (so zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung vom 18.02.2014, L 11 KR 5016/12, juris), lässt der Senat offen. Selbst wenn diese Genehmigung zwischenzeitlich erteilt worden sein sollte, fehlt es jedenfalls, worauf bereits das SG zutreffend verwiesen hat, an der nach § 135 SGB V notwendigen Anerkennung durch den GBA. Denn der Anspruch auf Krankenbehandlung umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 iVm § 135 Abs 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt. Die Krankenkassen sind deshalb nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie nach eigener Einschätzung der Versicherten oder der behandelnden Ärzte positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben (BSG 03.07.2012, B 1 KR 6/11 R, BSGE 111, 137). „Neu" ist eine Methode, wenn sie nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM) enthalten ist (BSG 05.05.2009, B 1 KR 15/08 R, SozR 4-​2500 § 27 Nr 16 mwN). Gemessen daran ist die Immuntherapie mit dendritischen Zellen neu und als bislang nicht vom GBA empfohlene Methode zur Behandlung des Kolonkarzinoms damit grundsätzlich kein Leistungsgegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl Senatsurteil vom 16.11.2010, L 11 KR 1871/10; LSG Schleswig-​Holstein 12.01.2012, L 5 KR 49/10 und Hessisches LSG 28.03.2013, L 8 KR 68/13 ZVW; Senatsurteil vom 18.02.2014, L 11 KR 5016/12; zur privaten Krankenversicherung: OLG Oldenburg 16.12.2015, 5 U 82/15 und OLG Köln 11.03.2016, 20 U 178/14 alle juris).

Ein Ausnahmefall, in dem es keiner Empfehlung des GBA bedarf, liegt nicht vor. Weder ergeben sich angesichts der erheblichen Verbreitung des Krankheitsbildes Anhaltspunkte für einen Seltenheitsfall (BSG 19.10.2004, B 1 KR 27/02 R, SozR 4-​2500 § 27 Nr 1 mwN) noch für ein Systemversagen. Ungeachtet des in § 135 Abs 1 SGB V aufgestellten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde (sog Systemversagen). Diese Durchbrechung beruht darauf, dass in solchen Fällen die in § 135 Abs 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben ist und deshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden (BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, SozR 4-​2500 § 27 Nr 12 mwN). Ein solcher Fall des Systemversagens liegt schon deshalb nicht vor, weil das Verfahren vor dem Bundesausschuss antragsabhängig ist und ein entsprechender Antrag beim Bundesausschuss nicht gestellt worden (und offensichtlich auch nicht beabsichtigt) ist (vgl Senatsurteil vom 16.11.2010, aaO).

Schließlich sind die Voraussetzungen für eine gebotene grundrechtsorientierte Auslegung (BVerfG 06.12.2005, 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25 = SozR 4-​2500 § 27 Nr 5; BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, SozR 4-​2500 § 27 Nr 12) nicht erfüllt. Der Gesetzgeber hat den vom BVerfG formulierten Anforderungen an eine grundrechtsorientierte Auslegung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung in Bezug auf neue Behandlungsmethoden im Falle einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen oder zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, mit dem am 01.01.2012 in Kraft getretenen § 2 Abs 1a SGB V (Gesetz vom 22.11.2011, BGBl I 2983) Rechnung getragen. Erforderlich ist das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Krankheit, das Fehlen einer anwendbaren Standardtherapie und das Bestehen von mehr als bloß ganz entfernt liegenden Aussichten auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf durch die streitige Therapie.

Nach dem Beschluss des BVerfG vom 26.02.2013 (1 BvR 2045/12, juris) bedarf es einer besonderen Rechtfertigung vor Art 2 Abs 1 Grundgesetz (GG) iVm dem Sozialstaatsprinzip, wenn den der Versicherungspflicht unterworfenen Versicherten Leistungen für die Behandlung einer Krankheit und insbesondere einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung durch gesetzliche Bestimmungen oder durch deren fachgerichtlichen Auslegung oder Anwendung vorenthalten werden. Die Frage, ob eine alternative Behandlungsmethode von der gesetzlichen Krankenversicherung zu finanzieren ist, darf nicht losgelöst davon betrachtet werden, was die anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zu leisten vermag und was die alternative Behandlung zu leisten vorgibt. Zur Beantwortung der Frage, ob eine Behandlung mit Mitteln der Schulmedizin in Betracht kommt und inwieweit Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen, ist zunächst das konkrete Behandlungsziel zu klären. Bietet die Schulmedizin nur palliative Behandlungsmöglichkeiten an, weil sie jede Möglichkeit einer kurativen Behandlung als aussichtslos betrachtet, kommt ein Anspruch auf eine alternative Behandlungsmethode allerdings nur dann in Betracht, wenn eine auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg besteht. Versicherte dürfen nicht auf eine nur die Linderung von Krankheitsbeschwerden zielende Standardtherapie verwiesen werden, wenn durch eine Alternativbehandlung eine nicht ganz entfernte Aussicht auf Heilung besteht. Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt werden können, reichen allerdings nicht aus.

Bei dem Kläger liegt schon keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vor. Zur Erfüllung dieser Voraussetzung ist nicht ausreichend, dass ein Kolonkarzinom unbehandelt zum Tode führt, weil dies auf nahezu jede schwere Erkrankung ohne therapeutische Einwirkung zutrifft. Gerechtfertigt ist eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird (BVerfG 10.11.2015, 1 BvR 2056/12, BVerfGE 140, 229; BSG 17.12.2013, B 1 KR 70/12 R, juris). Davon kann bei dem Kläger nach der erfolgten Resektion des Tumors keine Rede mehr sein. Zwar besteht (ohne adjuvante Chemotherapie) das durchaus erhebliche Risiko von 49%, innerhalb von fünf Jahren an den Folgen der Erkrankung zu sterben. Dies entnimmt der Senat den Angaben des sachverständigen Zeugen PD Dr. G., die im Einklang mit dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse nach der S3-​Leitlinie zum kolorektalen Karzinom stehen. Eine nahe Lebensgefahr besteht jedoch nicht. Dies entspricht auch der Ansicht des behandelnden Hausarztes. Selbst PD Dr. G., der ohne nähere Begründung von einer lebensbedrohlichen Erkrankung ausgeht, führt in seinem Gutachten vom 24.03.2016 aus, dass der Kläger nach telefonischer Auskunft in regelmäßiger Nachsorge sei und insoweit „alles in Ordnung“ sei.

Davon abgesehen ist auch die zweite Voraussetzung der fehlenden Standardtherapie nicht erfüllt, denn mit dem Ziel der Heilung sieht die S3-​Leitlinie zum kolorektalen Karzinom die Resektion mit adjuvanter Chemotherapie vor. Insoweit nimmt der Senat auf die ausführliche und überzeugende Darstellung des SG auf Seite 7 des angefochtenen Urteils Bezug und weist die Berufung aus den dortigen, zutreffenden Gründen zurück (§ 153 Abs 2 SGG). Auf die Frage, ob für die streitige Behandlung mit dendritischen Zellen Indizien für eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehen (ablehnend im Falle einer palliativen Situation: Senatsurteil vom 18.02.2014, L 11 KR 5016/12), kommt es im vorliegenden Verfahren daher schon gar nicht an.

Die Leistung gilt auch nicht nach § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V als genehmigt, denn die Beklagte hat die hier maßgebende 5-​Wochenfrist eingehalten. § 13 Abs 3a SGB V lautet wie folgt:

Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. 2Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. 3Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. 4Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. 5Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. 6Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. 7Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. 8Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. 9Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14, 15 des Neunten Buches zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

Der über den vom Kläger beauftragten Arzt PD Dr. G. gestellte Antrag ist bei der Beklagten am 21.05.2014 eingegangen. Der Antrag war auch hinreichend konkretisiert auf die Behandlung mit autologen dendritischen Zellen (LANEX-​DC). Ausreichend ist, dass die Krankenkasse erkennen kann, welche Leistungen der Versicherte in welchem Umfang begehrt (vgl Schifferdecker in Kasseler Kommentar, SGB V, § 13 RdNr 118). Zweifel gehen zu Lasten des Versicherten. Da der Antrag keine weiteren Einzelheiten aufweist, ist davon auszugehen, dass er auf eine einmalige Vakzinierung des Klägers mit autologen dendritischen Zellen gerichtet ist. Die Einreichung eines Kostenvoranschlags ist für die Konkretisierung der hier begehrten Sachleistung nicht erforderlich und würde das Erfordernis der hinreichenden Bestimmbarkeit der begehrten Leistung überspannen.

Die Beklagte hat unter dem 22.05.2014 den MDK beauftragt, dessen Gutachten vom 28.05.2014 am 02.06.2014 bei der Beklagten einging. Die 3-​Wochenfrist lief am 11.06.2014 ab, die 5-​Wochenfrist am 26.06.2014 (§§ 26 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), 187 Abs 1, 188 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Mit Bescheid vom 12.06.2014 hat die Beklagte den Antrag abgelehnt, also nach Ablauf der 3-​Wochenfrist, jedoch innerhalb der 5-​Wochenfrist. Maßgebend ist vorliegend letztere, denn die Beklagte hatte eine gutachtliche Stellungnahme des MDK eingeholt (§ 13 Abs 3a Satz 1 SGB V). Die alternativen Fristen in § 13 Abs 3a Satz 1 SGB V sind nach dem Wortlaut allein daran geknüpft, ob eine gutachtliche Stellungnahme eingeholt wird oder nicht. Zwar hat die Beklagte den Kläger nicht – wie in § 13 Abs 3a Satz 2 SGB V gefordert – darüber unterrichtet, dass sie eine gutachtliche Stellungnahme einholt. Die Verletzung dieser Pflicht führt indes nicht dazu, dass abweichend von Satz 1 die 3-​Wochenfrist gilt (anderer Ansicht: Bundessozialgericht BSG 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, SozR 4-​2500 § 13 Nr 33).

Eine den Wortlaut einschränkende Auslegung ist auch unter sonstigen Gesichtspunkten nicht geboten. Abs 3a Satz 2 der Vorschrift wird bei der Regelung der Rechtsfolgen in § 13 Abs 3a Sätze 5 und 6 SGB V nicht erwähnt, so dass auch systematische Gründe dafür sprechen, an die Verletzung der Mitteilungspflicht nach Satz 2 keine Rechtsfolgen zu knüpfen (ebenso LSG für das Saarland 21.10.2015, L 3 KR 27/15 R, juris; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, § 13 RdNr 58e; Schifferdecker in Kasseler Kommentar, SGB V, § 13 RdNr 122; Rieker, NZS 2015, 294, 296). Ebenso gebieten Sinn und Zweck der Regelung keine andere Beurteilung. Durch die Mitteilung nach Satz 2 soll dem Versicherten Klarheit verschafft werden, ob die 3-​Wochenfrist oder die 5-​Wochenfrist gilt (BT-​Drs 17/10488 S 32). Geht der Versicherte aufgrund einer fehlenden Mitteilung durch die Krankenkasse von der 3-​Wochenfrist aus und beschafft sich vor Ablehnung der Leistung diese selbst, kann schon über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch aufgrund des Schutzzwecks der Mitteilung erreicht werden, dass sich die Krankenkasse nicht auf die längere Frist berufen kann (Noftz, aaO). Für eine generelle Verkürzung der Frist auf drei Wochen allein wegen der fehlenden Mitteilung besteht keinerlei Bedürfnis, wenn der Versicherte noch gar keine Dispositionen getroffen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird wegen Divergenz zugelassen (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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