(12.6.2017) Ein niedergelasener Honorararzt, der in einer Klinik seine Patienten operiert, ohne Belegarzt zu sein und der laut Vertrag umfangreiche Aufzeichnungs- und Informationspflichten trägt und auch zur Zusammenarbeit mit den Klinikärzten verpflichtet ist und sich in die Dienstpläne der Klinik einfügen und sich Anweisungen des Chefarztes beugen muss und kein unternehmerisches Risiko trägt, ist abhängig beschäftigt und unterliegt der Sozialversicherungspflicht (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Mai 2017 – L 1 KR 118/16). 

nach der OperationDer Fall:

Eine Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie verfügt nicht über eine Belegarztabteilung. Der Honorararzt ist seit 2013 als niedergelassener Arzt in einer Berufsausübungsgemeinschaft tätig. Er ist von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht befreit und privat kranken- und pflegeversichert.

Bis Dezember 2012 war er als angestellter Oberarzt in der Klinik beschäftigt.

Am 29. Januar 2013 schlossen der Honorararzt und die Klinik einen „Vertrag über die Durchführung stationärer Operationen/Eingriffe“.

Aufgrund dieses Vertrages führt der Arzt als „Honorararzt“ seit Februar 2013 Operationen in der Klinik im Wesentlichen im zweiwöchigen Rhythmus für wenige Stunden am (Freitag-)Vormittag durch. Die Patienten stammen aus seiner eigenen Praxis. Diese werden in seiner Praxis aus chirurgischer Sicht vorbereitet sofern sie sich von ihm operieren lassen wollen.

Die Operationen erfolgten bzw. erfolgen durch ihn selbst und gegebenenfalls in Assistenz der Beschäftigten der Klinik. Nach der Operation informiert der Honorararzt die Patienten über die durchgeführte Operation. Die weitere Betreuung erfolgt durch die Klinik. Wenn die Patienten aus der Klinik entlassen werden, werden sie durch den Honorararzt ambulant weiter behandelt und betreut.

Die Klinik rechnet die erbrachten Leistungen mit den Patienten bzw. mit den Kostenträgern ab. Verantwortlich für die Behandlung der Patienten ist der jeweilige Chefarzt, der auch bei auftretenden Komplikationen das Letztentscheidungsrecht hat.

Der Honorararzt hat keinen Zugriff auf die Patientensoftware der Kinik bis auf die Software zur Eintragung der maßgeblichen DRG und OPS. Der Honorararzt diktiert nach durchgeführtem Eingriff den Operationsbericht, unterschreibt diesen sowie den Vermerk zur Operationsaufklärung.

Die Entscheidung:

Aus Sicht des Gerichts ist der Honorararzt hier in umfangreichen Regelungen in den Klinikbetrieb wie ein Arzt des Krankenhauses integriert, so dass er selbst beim Operieren nicht freier ist als die festangestellten Ärzte der Klinik. Der Honorararzt ist vorliegend für die Zeit seiner Anwesenheit in der Klinik in den Betrieb eingegliedert (Stichworte: Zusammenarbeitspflicht, Aufzeichnungs- und Informationspflichten). Dem Chefarzt der Klinik kommt sogar ein Letztentscheidungsrecht in medizinischen Fragen zu, so dass bereits nach der vertraglichen Regelung nicht von gänzlicher Weisungsfreiheit des Honorararztes ausgegangen werden kann. Die Gesamtverantwortung für den Patienten liegt bei der Klinik, nicht bei dem Honorararzt. Ein unternehmerisches Risiko des Honorararztes ist aus Sicht des Gerichts auch nicht erkennbar.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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