(5.7.2017) Dass ein Prüfungsgremium keine Verfahrensordnung besitzt, ist unerheblich, wenn sich der Ablauf des Fachkundegesprächs im Wesentlichen an den Statuten der Beklagten für Prüfungen nach der Weiterbildungsordnung orientiert. Fehelnde Fachkunde des Vorsitzenden schadet nicht, solange er keine Bewertung abgeben muss. Einen verfahrensrechtlichen Anspruch auf ein „Überdenken“ der Bewertung seiner Leistungen durch die Prüfer besteht hier nicht, weil die Prüfungsentscheidung voll gerichtlich überprüfbar ist (Oberverwaltungsgericht NRW, Urteil vom 24.11.2016 - 13 A 293/15).

radiologische Aufnahmen der WirbelsäuleDer Fall:

Die Klägerin ist Fachärztin für Nuklearmedizin und seit 1992 Inhaberin einer Bescheinigung über die Fachkunde im Strahlenschutz für den Anwendungsbereich „Diagnostik mit offenen radioaktiven Stoffen“. Derzeit ist sie in Anstellung in einer radiologischen Praxis tätig.

In der Praxis der Klägerin wurden bei einer 2013 erfolgten Praxisüberprüfung Mängel festgestellt und eine Fachkundeprüfung angeordnet. Anfang 2014 nahm die Klägerin an einem Fachgespräch vor einem Prüfungsausschuss der Beklagten teil. Mitglieder des Prüfungsausschusses waren der Anästhesist in Rente Prof. Dr. med. Q. als Vorsitzender, sowie die Fachärzte für Nuklearmedizin Dr. med. O. und Dr. med. Q1.

Nach dem Ergebnis des Fachgesprächs fehlten ihr Kenntnisse u.a. zur konkreten Tätigkeit des Medizinphysikexperten (MPE) in ihrer Praxis, zur Reaktion bei Schwangerschaftsmitteilung von Mitarbeiterinnen in der Praxis und zur Einteilung der unterschiedlichen Gefährdungskategorien in der Nuklearmedizin und ihr Zustandekommen. Zudem habe sie die Beantwortung von Fragen zu „Offene radioaktive Stoffe zu Organuntersuchungen“ verweigert. Der Prüfungsausschuss kam nach Durchführung des Prüfungsgesprächs einstimmig zu der Beurteilung „Nicht bestanden“ und beschloss als Auflage eine Hospitation. Die beklagte Behörde widerrief Anfang 2014 die Fachkunde der Klägerin im Strahlenschutz.

Dagegen klagte die Radiologin. Der Prüfungsausschuss sei nicht rechtmäßig einberufen. Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses sei fachlich ungeeignet, andere Mitglieder seien befangen, weil sie Konkurrenten seien. Vor der gerichtlichen Kontrolle müsse ein Verfahren zur behördeninternen Überdenkung der Richtigkeit, der Zweckmäßigkeit und des gefundenen Ergebnisses der Prüfung etabliert sein. Daran fehle es.

Die Entscheidung:

Das Oberverwaltungsgericht wies die Klage zurück. Der Widerrufs-/Entzugsbescheid sei rechtmäßig.

Allgemein führte das Gericht aus:

Die Überprüfung der Fachkunde durch das Fachgespräch sei nicht zu beanstanden. An eine Überprüfung einer Qualifikation seien nicht so hohe Maßstäbe anzusetzen wie an eine Prüfung für den Berufszugang. Die Ausgestaltung des Prüfungsgesprächs unterliege dem weiten Verfahrensermessen der Behörde. Der Erlaß einer Prüfungsordnung sei daher nicht erforderlich. Auch die umfassende Protokollierung des Gesprächs sei nicht erforderlich. Die Behörde sei aber für die den Entzug der Fachkundebescheinigung rechtfertigende Tatsache, sprich das Fehlen der erforderlichen Fachkunde, darlegungs- und beweispflichtig.

Zur speziellen Prüfung führte das Gericht aus:

Dass die Beklagte keine Verfahrensordnung besitzt, sei unerheblich, weil der Ablauf des Fachkundegesprächs im Wesentlichen an den Statuten der Beklagten für Prüfungen nach der Weiterbildungsordnung orientiere.

Dass der Prüfungsvorsitzende fachfremd war und daher nicht die erforderliche Fachkompetenz besaß, sei zwar richtig. Allerdings wirke sich dies nicht aus, weil der Vorsitzende keine eigene Bewertung getroffen habe. Denn die beiden radiologischen Fachprüfer kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die Fachkunde nicht ausreiche, so dass es keiner Stichentscheidung durch den Vorsitzenden bedurft hätte.

Dazu, dass die Prüfer befangen seien, habe die Klägerin weder im Klageverfahren noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat Substanzielles vorgetragen.

Einen verfahrensrechtlichen Anspruch auf ein „Überdenken“ der Bewertung seiner Leistungen durch die Prüfer habe der Prüfling nicht. Eines behördeninternen Überdenkens bedürfe es hier nicht, weil die Prüfungsentscheidung voll gerichtlich überprüfbar sei.

Praxisanmerkung:

Es empfiehlt sich für den betroffenen Arzt, vor der Prüfung die Namen der Prüfer zu erfragen und Bedenken wegen der Fachkunde oder einer Befangenheit sogleich anzubringen. Es ist sinnvoll, das Gespräch nach Rücksprache mit den Prüfern aufzeichnen zu lassen oder - wenn dies abgelehnt wird - eine eigene Protokollperson einzuführen. Der betroffene Arzt kann sich auch von einem Bevollmächtigten begleiten lassen, der sich Notizen macht. Die wichtigste Vorbereitung besteht darin, sich fachlich auf die Prüfung vorzubereiten und entsprechend der Weiterbildungsordnung die wichtigsten Fakten zu wiederholen.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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