(16.9.2017) Die Leistungen eines Gesundheitszentrums, in dem Besucher je nach Buchung und nach ärztlicher Eingangsuntersuchung Wellness-Anwendungen nutzen können, unterliegen der Umsatzsteuerpflicht, wenn das Zentrum keinen Versorgungsvertrag als Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen nach § 111 SGB V mit einer Krankenversicherung geschlossen hat (Finanzgericht Hessen, Urteil vom 28.6.2017 - 1 K 19/16). 

Umsatzsteuerpflicht ist zu bejahen, wenn es sich nicht um Heilbehandlungen handeltDas Finanzgericht hat daher die Klage des Gesundheitszentrums gegen den Bescheid des Finanzamtes, der eine Umsatzsteuerpflicht bejahte, als unbegründet zurück gewiesen. Im Vordergrund steht hier nicht die ärztliche Behandlung von Erkrankungen oder zumindest die Vorsorge oder Rehabilitation eines Patienten, sondern hier geht es in erster Linie um gewerbliche Wellness. 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Umsatzsteuerpflicht von Leistungen aus dem Betrieb eines Gesundheitszentrums.

Dem liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin betrieb in den Streitjahren neben der …-​Klinik … das Gesundheitszentrum (im Folgenden Gesundheitszentrum).

Das Gesundheitszentrum ist eine Einrichtung, in der die Gäste selbst über ihren Aufenthalt, dessen Dauer sowie den Umfang der Leistungen entscheiden können. Entsprechende Aufenthaltspakete werden in Katalogen, Zeitschriften oder dem Internet beworben und können dort gebucht werden.

Der Aufenthalt ist nicht von einem ärztlichen Befund abhängig, sondern der Gast bucht das Gesamtangebot zu einem Festpreis. Bei Beginn des Aufenthalts erfolgt eine ärztliche Untersuchung. Im Anschluss daran wird der Terminplan für Anwendungen erstellt. Auch können Paare oder Freunde einen Aufenthalt in einem Zweibettzimmer zu einem Festpreis buchen.

Für das Gesundheitszentrum bestand seit dem Jahr ... ein Versorgungsvertrag mit dem Verband der Krankenkassen in … und dem Verband der Ersatzkassen in … . Nachdem die Einrichtung aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten zum … geschlossen worden war, endete damit auch der Versorgungsvertrag. Im … wurde der Betrieb des Gesundheitszentrums wieder aufgenommen, ohne dass ein neuer Versorgungsvertrag abgeschlossen wurde. Wie der Verband der Krankenkassen mitteilte, bestand für 2009 kein Versorgungsvertrag gemäß § 111 des Sozialgesetzbuchs (SGB) V. Einen Antrag auf Aufnahme des Gesundheitszentrums in den Krankenhausplan für die Fachgebiete Orthopädie und Innere Medizin vom ...2011 lehnte das Hessische Sozialministerium mit Bescheid vom ...2011 ab.

Bis einschließlich 2008 wurden die Leistungen vom Beklagten, dem Finanzamt (nachfolgend FA) nach § 4 Nr. 16 Buchst. c des Umsatzsteuergesetzes (UStG) alter Fassung als umsatzsteuerfrei behandelt.

In der am 19.07.2010 eingereichten Umsatzsteuererklärung für 2009 erklärte die Klägerin Umsätze aus Lieferungen und Leistungen zum allgemeinen Steuersatz in Höhe von … EUR.

In einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung vertrat der Betriebsprüfer die Auffassung, die begehrte Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. dd UStG neuer Fassung sowie Artikel 132 Abs. 1 Buchst b der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwSystRL) sei für die Streitjahre zu versagen, da insbesondere kein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V vorläge.

Somit unterlägen die Umsätze – mit Ausnahme der Erlöse der Krankenkassen – der Umsatzsteuer nach dem Regelsteuersatz.

Den Feststellungen der Betriebsprüfung folgend setzte das FA die Umsatzsteuer 2009 mit Bescheid vom 20.08.2013 auf … EUR fest, wobei es Lieferungen und sonstige Leistungen zum allgemeinen Steuersatz i.H.v. … EUR zugrunde legte.

Für die Folgejahre erklärte die Klägerin in den Umsatzsteuerjahreserklärungen die Umsätze entsprechend der vom FA vertretenen Rechtsauffassung. Die Erklärungen standen einer Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Danach betrug die Umsatzsteuer für 2010 … EUR und für 2011 … EUR.

Die gegen die Steuerfestsetzungen eingelegten Einsprüche begründete die Klägerin u. a. damit, dass die seit 01.01.2009 geltende Neuregelung im Bereich des Umsatzsteuerrechts nicht im Einklang mit EU-​Recht stehe, da Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b MwSystRL nicht richtlinienkonform umgesetzt worden sei. Bei der Klägerin habe es sich um ein Krankenhaus im Sinne von § 7 f des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehandelt, denn das FA habe die entsprechenden Sonderabschreibungen gewährt. Daher falle es auch umsatzsteuerlich in den Anwendungsbereich des § 4 Nr. 16 b UStG.

Ungeachtet dessen handele es sich bei dem Gesundheitszentrum auch um ein Krankenhaus im Sinne des § 107 Abs. 2 des Sozialgesetzbuchs (SGB) V als Vorsorge- und Rehabilitationsklinik. Nach der Neuregelung des deutschen Gesetzgebers solle die Umsatzsteuerfreiheit bestimmter Leistungen nicht von der erbrachten Leistung abhängen, sondern davon, ob die betreffende Einrichtung nach den einschlägigen Vorschriften des SGB V anerkannt sei oder nicht. Das FG Schleswig-​Holstein habe festgestellt, dass die von der Finanzverwaltung diesbezüglich erlassene Billigkeitsregelung europarechtswidrig sei (Urteil vom 17.07.2013 4 K 104/12, EFG 2013, 1844), im Übrigen betreffe diese zwar nur Akutkliniken, müsse aber auch für Vorsorge- und Rehabilitationskliniken gelten. Darüber hinaus bestehe eine Ungleichbehandlung des Gesundheitszentrums zu anderen Vorsorge- und Rehabilitationskliniken, welche über einen Versorgungsvertrag nach § 111 SBG V verfügten. Nur aufgrund der zwischenzeitlichen Insolvenz des Gesundheitszentrums verfüge diese nicht mehr darüber.

Mit Einspruchsentscheidung vom 02.04.2014 wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es unter anderem aus, die Leistungen des Gesundheitszentrums seien nicht nach § 4 Nr. 14 UStG n.F. steuerfrei. Die umsatzsteuerrechtlichen Befreiungsvorschriften für den Gesundheitsbereich seien mit Wirkung zum 01.01.2009 vollständig neu gefasst und an die unionsrechtlichen Vorgaben angepasst worden. Nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 1 UStG seien Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen einschließlich der Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospizleistungen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht würden, steuerfrei.

Gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 UStG seien die in Satz 1 bezeichneten Leistungen u.a. auch dann steuerfrei, wenn sie von zugelassenen Krankenhäusern nach § 108 SGB V oder Einrichtungen, mit denen Versorgungsverträge nach den §§ 111 und 111a SGB V bestehen, erbracht werden und es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, auf die sich die Zulassung, der Vertrag oder die Regelung nach dem SGB jeweils bezieht. Das Gesundheitszentrum sei weder ein Krankenhaus im Sinne der Befreiungsvorschrift noch habe sie Krankenhausbehandlungen oder ärztliche Heilbehandlungen durchgeführt.

Es könne auch nicht von einer Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtung ausgegangen werden. Außer der Eingangsuntersuchung würden nämlich keine spezifisch ärztlichen Leistungen angeboten, die Anwendungen und der Therapieplan richteten sich vielmehr vor allem nach der Art der gebuchten Gesundheits- oder Kurwoche (z.B. Themenwoche Osteoporose, traditionelle chinesische Medizin, Orthopädie, Checkpoint Niere, Schilddrüse). Auch eine sonst übliche Abschlussuntersuchung mit einer ärztlichen Verordnung zur Anschlussbehandlung finde nicht statt. Es würden keine Krankenhausbehandlungen oder ärztliche Leistungen erbracht, sondern der Aufenthalt richte sich nach den Wünschen der Gäste. Diese könnten z.B. an unterschiedlichsten Vorträgen, Kneippgüssen, Wärmebehandlungen, Lichttherapie oder Entspannungsübungen teilnehmen.

Darüber hinaus erfülle das Gesundheitszentrum auch nicht den geforderten sozialversicherungsrechtlichen Status, denn es habe kein Versorgungsvertrag mit den Krankenkassen vorgelegen.

Eine unmittelbare Berufung auf die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL scheide ebenfalls aus, da dessen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Das Gesundheitszentrum erbringe weder Krankenhausbehandlungen noch ärztliche Heilbehandlungen, auch handele es sich nicht um eine Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtung. Sie sei insbesondere keine Privatklinik, deren Umsätze in sozialer Hinsicht mit Umsätzen von öffentlich-​rechtlichen Krankenhäusern vergleichbar seien.

Auch von der Verwaltung in anderen Fällen gewährte Billigkeitsregelungen kämen vorliegend nicht in Betracht. Diese beträfen Privatkliniken, welche die Voraussetzungen des § 67 Abs. 2 AO erfüllten. Voraussetzung sei, dass die Klinik nur deshalb nicht als Krankenhaus nach § 108 SBG V zugelassen sei, weil für dieses Krankenhaus im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung kein Bedarf bestehe und dies durch einen entsprechenden Ablehnungsbescheid nachgewiesen sei. Diese Voraussetzung sei von dem Gesundheitszentrum nicht erfüllt.

Mit der erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt vor, es handele sich bei ihr um ein alteingesessenes Klinikunternehmen. Sie habe in den Vorjahren und auch im Streitjahr 2009 die Voraussetzungen des § 67 Abs. 2 AO erfüllt, da immer mindestens 40 % der Berechnungstage auf Patienten entfallen seien, für die kein höheres Entgelt als nach § 67 AO berechnet worden sei, so dass die Grundvoraussetzungen des § 4 Nr. 16 b UStG a.F. erfüllt gewesen sei.

Nach der Neuregelung ab 2009 hänge die Umsatzsteuerfreiheit von Krankenhausleistungen ausschließlich von der sozialversicherungsrechtlichen Zulassung als Klinik ab. Dies sei indes nicht richtlinienkonform, so dass sich Steuerpflichtige unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL berufen könnten.

Im Übrigen stehe die Tatsache, dass bei Vorsorge- und Rehabilitationskliniken therapeutische Maßnahmen gegenüber ärztlichen Leistungen im Vordergrund stünden, nicht im Widerspruch zu dem Begriff des Krankenhauses im umsatzsteuerlichen Sinne, sondern sei bei diesen Kliniken deren konstitutives Merkmal.

In dem Gesundheitszentrum würden überwiegend Patienten im Alter ab 60 Jahren betreut, der Schwerpunkt der durchgeführten Behandlung liege im Bereich orthopädisch-​internistischer Krankheitsbilder. Die ärztliche Betreuung erfolge durch zwei angestellte Fachärzte. Jeder Patient erhalte am Aufnahmetag eine pflegerische und anschließend eine fachärztliche Aufnahmeuntersuchung, auf deren Basis der individuell angepasste Therapieplan erstellt werde. Regelmäßig würden die Ärzte Sprechstunden abhalten. Qualifiziertes Pflegepersonal stünde 24 Stunden am Tag zur Verfügung. In erster Linie stehe die Klinik Patienten offen, erst in zweiter Linie Begleitpersonen. Insoweit komme der Tatsache, dass das Therapieangebot auf eigene Initiative der Patienten in Anspruch genommen werde, keine Bedeutung zu.

Im Übrigen sei mit Bescheid vom ...2016 vom Regierungspräsidium … eine neue Konzession zum Betrieb einer Privatklinik erteilt worden.

Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 20.08.2013 und die einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehenden Umsatzsteuer-​Erklärungen für 2010 und 2011, jeweils vom 15.08.2013,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 02.04.2014 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2009 auf … EUR, die Umsatzsteuer 2010 auf … EUR und die Umsatzsteuer 2011 auf … EUR festgesetzt wird und
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für die Vorverfahren für notwendig zu erklären

sowie hilfsweise im Falle des Unterliegens die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.

Das FA trägt im Klageverfahren ergänzend vor, mit Schließung des Betriebs des Krankenhauses / Gesundheitszentrum zum … sei der zum … abgeschlossene Versorgungsvertrag mit dem Verband der Krankenkassen in … beendet worden. Nach Wiederaufnahme des Betriebs im … seien keine neuen Versorgungsverträge abgeschlossen worden. Ein neuer Antrag sei für das Gesundheitszentrum nicht gestellt worden, obwohl der Klägerin bereits während der laufenden Außenprüfung die Änderung der umsatzsteuerlichen Rechtslage bekannt gewesen sei.

Seit der Wiedereröffnung des Gesundheitszentrums habe diese ausweislich ihres Leistungsangebots vielmehr Wellnessanwendungen und Themenwochen mit Gesamtpaketen zum Thema Wellness angeboten. Dementsprechend sei auch die Vermarktung über Zeitungsanzeigen, in Reisekatalogen und im Internet oder auch über Busunternehmen und durch Reiseveranstalter erfolgt. Während andere Rehakliniken in ihrem Internetauftritt Informationen über Versorgungsträger gäben, seien auf der Seite der Klägerin Selbstzahlerpreise und einzelne Leistungen mit Preisen beschrieben worden. Die Buchung durch die Kunden erfolge ohne vorherige Konsultation eines Arztes. Zwar erfolge bei Anreise eine Eingangsuntersuchung durch einen Arzt, die Gäste entschieden jedoch selbst über ihren Aufenthalt, dessen Dauer sowie den Umfang der Leistungen. Die Kl. nähme im Unterschied zu den anderen Kurkliniken … auch nicht an dem Qualitätsmanagementsystem der Rentenversicherungen teil. Im Übrigen erfülle sie nicht die Mindeststandards der deutschen Rentenversicherung bzgl. der Anzahl der Ärzte sowie des Pflegepersonals.

Die Klägerin sei daher weder ein Krankenhaus noch eine Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung.

Die Klägerin könne sich auch nicht auf Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe b MwStystRL berufen, da sie die Voraussetzung der in sozialer Hinsicht bestehenden Vergleichbarkeit der erbrachten Leistungen mit denen von öffentlich-​rechtlich betriebenen oder nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern nicht erfülle.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben über die Art und den Umfang der gegenüber den Gästen des Gesundheitszentrums in den Streitjahren erbrachten medizinischen und therapeutischen Leistungen durch Vernehmung des Herrn … als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 28.06.2017 verwiesen.

Die einschlägigen Verwaltungsvorgänge (1 Band Umsatzsteuerakte, 1 Sonderband Betriebsprüfung 2007-​2009, 1 Sonderband Aktenvermerke, Stellungnahmen, 1 Sonderband Rechtsbehelfsvorgänge 2009-​2011) waren beigezogen und Gegenstand der Beratung und Entscheidung.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Umsatzsteuerfestsetzungen 2009-​2011 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).

Die von der Klägerin erzielten Umsätze sind weder nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 UStG steuerfrei noch liegen die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nach Unionsrecht vor.

1. Die Leistungen der Klägerin sind nicht nach nationalem Recht steuerfrei. § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 1 UStG befreit Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen einschließlich der Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospizleistungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht werden, von der Steuerpflicht. Nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG sind diese Leistungen auch steuerfrei, wenn sie von zugelassenen Krankenhäusern nach § 108 SGB V erbracht werden und es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, auf die sich die Zulassung, der Vertrag oder die Regelung nach dem Sozialgesetzbuch jeweils bezieht. Nach § 108 SGB V dürfen die gesetzlichen Krankenkassen eine Krankenhausbehandlung nur durch sog. zugelassene Krankenhäuser erbringen lassen. Dabei handelt es sich um Krankenhäuser, die nach den landesrechtlichen Vorschriften als Hochschulklinik anerkannt sind (Nr. 1), sog. Plankrankenhäuser, die in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen sind (Nr. 2), und um Krankenhäuser, die einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen (Kassenverbänden) abgeschlossen haben (Nr. 3). Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen nicht. So fehlt es an der Aufnahme in den Krankenhausplan des Landes ebenso wie an einem Versorgungsvertrag mit den Krankenkassen. Es wurde lediglich die Konzession zum Betrieb einer Privatkrankenanstalt aus dem Jahr … vorgelegt. Der Antrag auf Aufnahme in den Krankenhausplan wurde mit Schreiben des Hessischen Sozialministeriums vom ...2011 abgelehnt.

2. Die Klägerin erfüllt auch nicht die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL.

a) Die Klägerin kann sich zwar im Grundsatz auf die Steuerfreiheit ihrer Umsätze nach den Bestimmungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b, c der MwStSystRL berufen, welche – ohne inhaltliche Änderung – an die Stelle von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b, c der 6. EG-​Richtlinie getreten sind. Für die neugefassten Befreiungsvorschriften für private Krankenhäuser nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG n. F. hat der BFH entschieden (Urteile vom 23.10.2014 V R 20/14, BFH/NV 2015, 631 und vom 18.03.2015 XI R 38/13, BFH/NV 2015, 1224), dass die Vorschrift unionsrechtswidrig ist und der Steuerpflichtige sich unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL berufen kann. Dem schließt sich der erkennende Senat an und sieht insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen von weiteren Ausführungen zu diesem Punkt ab (so auch Finanzgericht – FG - Berlin-​Brandenburg, Urteil vom 22.06.2016 7 K 7184/14, EFG 2016, 1474).

b) Die Klägerin erfüllt allerdings nicht die Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL.

Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer "Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden". Diese Steuerfreiheit ergab sich zuvor inhaltsgleich aus Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG.

Dabei kann für die Anerkennung sowie für die Leistungserbringung unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für Einrichtungen des öffentlichen Rechts in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, berücksichtigt werden, dass das staatliche System der sozialen Sicherheit für die Tätigkeiten keine finanzielle Unterstützung und keine Kostenübernahme gewährt. Gleichwohl ist die Steuerbefreiung nicht regelmäßig auszuschließen, wenn die Kosten der Dienstleistungen von den Einrichtungen der sozialen Sicherheit nicht erstattet werden. Es handelt sich hierbei vielmehr um einen Gesichtspunkt, der in eine Abwägung einzubeziehen ist: Ist die Situation eines Steuerpflichtigen mit der anderer Wirtschaftsteilnehmer vergleichbar, die die gleichen Dienstleistungen in vergleichbaren Situationen erbringen, so rechtfertigt der bloße Umstand, dass die Kosten dieser Leistungen nicht vollständig von den Trägern der Sozialversicherung übernommen werden, keine unterschiedliche Behandlung der Leistungserbringer in Bezug auf die Mehrwertsteuerpflicht (EuGH-​Urteil vom 10.10.2010 C-​262/08, Copy Gene, Slg. 2010, I-​5053). Eine Genehmigung kann ein Indiz dafür sein, dass der Leistungserbringer "ordnungsgemäß anerkannt" ist. Der bloße Umstand, dass die nationalen Behörden Umsätze nach den im fraglichen Bereich vorgeschriebenen Qualitäts- und Sicherheitsstandards genehmigt haben, führt jedoch allein nicht schon automatisch zur Anerkennung, da sonst den Behörden das ihnen verliehene Ermessen genommen würde (EuGH-​Urteil vom 10.10.2010 C-​262/08, Copy Gene in Slg. 2010, I-​5053).

Die Steuerbefreiung unter Berufung auf diese unionsrechtliche Vorschrift setzt somit voraus, dass der Unternehmer eine ordnungsgemäß anerkannte, einer Einrichtung des öffentlichen Rechts, die Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen erbringt, gleichartige Einrichtung sein muss, die zudem ihre Leistungen in sozialer Hinsicht unter vergleichbaren Bedingungen erbracht haben muss wie die Einrichtungen des öffentlichen Rechts (vgl. z.B. EuGH-​Urteile vom 10.09.2002 C-​141/00, Kügler, Slg. 2002, I-​6833; und vom 15.11.2012 C-​174/11, Zimmermann, UR 2013, 35, m.w.N.; BFH-​Urteil vom 19.03.2013 XI R 45/10, BFHE 241, 79; FG Berlin-​Brandenburg, Urteil vom 22.06.2016 7 K 7184/14, EFG 2016, 1474; FG Düsseldorf, Urteil vom 17.02.2017 1 K 1994/13 U, zitiert nach juris).

aa) Der Senat kann offenlassen, ob sich eine ggf. erforderliche Anerkennung einer Privatklinik allein aus der Konzessionierung nach § 30 GewO ergibt, welche im vorliegenden Streitfall vorlag (siehe dazu z.B. FG Köln, Urteil vom 13.04.2016 9 K 3310/11, EFG 2016, 1302).

bb) Denn eine unmittelbare Berufung der Klägerin auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwSystRL scheitert im Streitfall jedenfalls daran, dass die Klägerin ihre Leistungen nicht unter in sozialer Hinsicht vergleichbaren Bedingungen wie in öffentlich-​rechtlicher Trägerschaft stehende Krankenhäuser erbracht hat. So unterscheidet sie sich davon vor allem in den von ihr angebotenen Leistungen, aber auch bzgl. ihrer Abrechnungsweise.

Daher kann es hinsichtlich der von der Klägerin vorgenommenen Abrechnungsweise, die darin bestand, den Gästen Rechnungen über in Anspruch genommene Pauschalen sowie darüber hinausgehende einzelne Anwendungen zu erteilen, dahingestellt bleiben, ob bzw. in welchem Umfang gesetzliche oder private Krankenkassen diese Kosten erstattet haben. Zwar stellen auch die privaten Krankenversicherungen sowie die Beihilfestellen Einrichtungen der sozialen Sicherheit dar, so dass auch die Kostenübernahme dieser Stellen als Gesichtspunkt bei der Prüfung, ob eine Anerkennung vorliegt, zu berücksichtigen ist (FG Köln, Urteil vom 13.04.2016 9 K 3310/11, EFG 2016, 1302). Dass es sich vorliegende indes nicht im Einzelnen ermitteln ließ, ob und in welchem Umfang diese Stellen Kosten übernommen haben, ist indes unschädlich, da es jedenfalls an der sozialen Vergleichbarkeit des Leistungsangebots fehlte.

Zur Überzeugung des Senats ist die Vergleichbarkeit in sozialer Hinsicht mit anerkannten Rehaeinrichtungen bzw. Sanatorien nicht gegeben. Dabei ist – wie von der Klägerin zutreffend ausgeführt – nicht auf Akutkrankenhäuser abzustellen. Zwar betrug der Anteil der gesetzlich versicherten Patienten nach den von der Klägerin vorgelegten Zahlen ca. 40 %, doch kann allein daraus keine soziale Vergleichbarkeit mit anderen Rehabilitationskliniken folgen. Gegen eine solche Vergleichbarkeit spricht nämlich bereits die personelle Ausstattung des von der Klägerin betriebenen Gesundheitszentrums. Ausweislich der „Strukturqualität von Reha-​Einrichtungen – Anforderungen der Deutschen Rentenversicherung, Stand Juli 2014 bzw. Entwurf März 2009“ legt die Deutsche Rentenversicherung hinsichtlich der Strukturqualität von Reha-​Einrichtungen fest, dass auf 100 Rehabilitanden 6 Ärzte, 1,25 Psychologen, 7 Pflegekräfte sowie 12 Physiotherapeuten, Sportlehrer, Masseure, medizinische Bademeister vorhanden sein müssen (für Orthopädie) bzw. 6 (für Kardiologie, Onkologie, Gastroenterologie, indikationsübergreifend). Das Gesundheitszentrum mit einer Kapazität von über … Betten verfügte dagegen über … Ärzte, sowie Ende 2010 über … Krankenschwestern (davon … in Teilzeit).

Gegen eine Vergleichbarkeit spricht auch das Leistungsangebot der Klägerin, welches unter anderem aus Wellnessreisen besteht (z.B. inklusive Quizabend, geführten Wanderungen, Willkommensdrink, Obststeller zur Begrüßung, Vollpension) und welches von den Gästen individuell gebucht werden konnte.

Dabei wird nicht verkannt, dass es Vorsorgeeinrichtungen immanent ist, dass deren Gäste insgesamt sich und ihrer Gesundheit Gutes tun wollen, ohne eine bestimmte Krankheit auszukurieren. Auch ist die von der Klägerin erfolgte Werbung nicht schädlich, da Werbemaßnahmen inzwischen auch im Gesundheitswesen üblich sind. Dennoch ist vorliegend in die notwendige Abwägung einzubeziehen, dass gezielt Reiseveranstalter Busreisen zur Einrichtung der Klägerin durchführten und mit speziellen Paketen wie „…“ oder „…“ geworben wurde.

Schließlich spricht auch die tatsächliche Durchführung der Aufenthalte der Gäste gegen eine Vergleichbarkeit in sozialer Hinsicht mit Rehaeinrichtungen. Dies geht auch aus der Aussage des Zeugen … hervor, welcher glaubhaft schilderte, dass mit allen Gästen ein ärztliches Aufnahmegespräch geführt werde, es aber durchaus so sei, dass wenn die Leistungen entsprechend eines vorher gebuchten Pakets erfolgten, der Gast später keinen Arzt mehr sehe. Auch ein Abschlussgespräch mit der Empfehlung von Anschlussbehandlungen findet nicht statt. Darüber hinaus stellen die Ärzte auch keine Kassenrezepte aus, da es hierfür an der erforderlichen Kassenarztzulassung fehle. Mit dem Aufnahmegespräch wird lediglich überprüft, ob gesundheitliche Einschränkungen gegen die Durchführung einzelner Maßnahmen sprechen, ansonsten wird das Programm für den Aufenthalt der Gästen entsprechend deren individuellen Wünschen und Buchungen festgelegt.

Auch aus dem BMF-​Schreiben vom 06.10.2016 (VV DEU BMF 2016-​10-​06 III C 3-​S 7170/10/10004), auf das sich die Klägerin bezieht, ergeben sich keine anderen Kriterien.

3. Ungeachtet dessen, dass der Senat nicht festzustellen vermag, ob die Voraussetzungen der von der Klägerin angeführten Billigkeitsregelung durch die Verwaltung vorliegen, ist eine Überprüfung dessen auch nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens. Denn wegen der sog. Zweigleisigkeit der Verfahren ist über die Frage, ob eine Billigkeitsmaßnahme in Betracht kommt, nicht im Steuerfestsetzungsverfahren und einem darauf bezogenen Klageverfahren, sondern gesondert zu entscheiden (BFH-​Beschluss vom 16.06.2008 II B 40/07, zitiert nach juris; BFH-​Urteil vom 04.07.2007 VIII R 46/06, BFHE 218, 308, BStBl II 2008, 49).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

5. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 FGO in Hinblick auf das beim BFH anhängige Revisionsverfahren XI R 15/16 (vorgehend FG Berlin-​Brandenburg, Urteil vom 22.06.2016 7 K 7184/14, EFG 2016, 1474) sowie die Entscheidungen des FG Düsseldorf vom 17.02.2017 1 K 1994/13 U (zitiert nach juris) und des FG Köln vom 13.04.2016 9 K 3310/11 (EFG 2016, 1302) wegen grundsätzlicher Bedeutung sowie zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

Zum Thema:

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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