(3.4.2018) Solange die Funktionalität des Penis nicht gestört ist (Wasserlassen, Erigierbarkeit, Ejakulationsfähigkeit), ist der Patient nicht krank, kann also auch keine Übernahme der Kosten für eine operative Beseitigung einer Bauchfettschürze verlangen, die den (recht kleinen) Penis verdeckt. Auch in der Penisgröße ist kein regelwidriger Körperzustand, sprich Krankheit zu erblicken. Penisgrößen sind sehr unterschiedlich, der deutsche bzw. europäische Durchschnitt liegt bei 12,5 cm. Auch ein sehr kleiner Penis entspricht dabei ebenso wie ein sehr großer dem Leitbild eines gesunden Mannes. Es ist nicht angezeigt, für die Größe des männlichen Penis, außerhalb des Bestehens eines Mikropenis, der beim Kläger nach den Bekundungen des behandelnden Arztes nicht vorliegt, einen Normbereich festzulegen und davon abweichende Erscheinungsbilder als krankhaft zu bewerten. Von einem - krankhaften - Mikropenis kann erst bei weniger als 7 - 7,5 cm im nicht erigierten Zustand gesprochen werden (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21. März 2018 – L 5 KR 3247/16).

Operation wegen zu kleinem Penis

Der Fall:

Der klagende fünfundsechzigjährige Mann ist  übergewichtig und hat einen verkrümmten Penis. Im Jahr 2007 wurde eine Operation zur Begradigung des Penis durchgeführt. Der Penis hat nun eine Länge von max. 9,5 cm im nicht voll erigierten Zustand und ist weiter verkrümmt. Laut urologischen Arztbriefen leidet der Mann darunter, dass der Penis unter einer Bauchfettfalte verborgen und gekrümmt. Durch den nahezu vollständig verborgenen Penis bestünden beim Kläger psychische Beeinträchtigungen, er könne nicht mehr so gut Wasser lassen und die Haut sei gereizt. Die Intimhygiene sei erschwert. Konservative Maßnahme (Gewichtsreduktion, Vakuumpumpe) hätten keinen Erfolg gebracht. Durch eine operative Hautverkürzung der Bauchfettschürze und Lösung des Penisschaft-Ligaments mit ggf. zusätzlichem "Mons-Pubis-Lift" könne, könne aus Sicht der Urologen eine deutliche Verbesserung der Situation erreicht werden.

Die beklagte gesetzliche Krankenversicherung des Mannes interpretierte die Vorlage der Arztbriefe als Antrag auf Kostenübernahme, ließ den Fall durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) prüfen und lehnte den Antrag dann ab: Der verborgene (concealed) Penis stelle eine Veränderung der Körperform dar, bedeute jedoch keine Gesundheitsstörung. Im Hinblick auf die bestehende Adipositas und hiermit assoziierte Folgeerkrankungen sei eine Gewichtsreduktion zu empfehlen. Bei Selbstwertproblematiken komme evtl. eine Psychotherapie in Betracht.

Das Sozialgericht wies die Klage des Mannes auf Kostenübernahme ab.

Dieser ging in Berufung.

Die Entscheidung:

Das Landessozialgericht wies die Berufung - gestützt auf einen medizinischen Sachverständigen - als unbegründet ab.

Die Penisgröße des Klägers sei laut Sachverständigem zwar unterdurchschnittlich, sie liege jedoch noch im Rahmen der Normbreite. So hat der Sachverständige ausgeführt, dass die Penislänge im unteren Drittel anzusiedeln sei. Auch ein sehr kleiner Penis entspräche dabei ebenso wie ein sehr großer dem Leitbild eines gesunden Mannes. Die Funktionalität des Penis sei nicht gestört (Wasserlassen, Erigierbarkeit, Ejakulationsfähigkeit). Der Penis sei auch hinreichend fest ("gute Rigidität und Tumeneszenz").

Das LSG kommt zu dem Ergebnis, dass der Mann nach alledemn nicht krank sei. Und Kosten seien nur für die Behandlung von Krankheiten zu zahlen. Sei der Patient nicht krank, könne er also auch keine Übernahme der Kosten für eine operative Beseitigung der Bauchfettschürze verlangen.

Die Grenze zur Krankheit sei größenmäßig erst dann überschritten, wenn ein sog. Mikropenis vorliege. Ein Mikropenis liege aber erst vor bei weniger als 7 - 7,5 cm im nicht erigierten Zustand. Diese Grenze sei hier nicht erreicht, weil der Penis des Mannes 9,5 cm im teilweise erigierzten Zustand lang sei.

Hygienischen Problemen könne der Mann durch ausreichende Hygiene entgegenwirken, sprich das Gericht meint, er solle sich ordentlich waschen.

Praxisanmerkung:

Die Entscheidung liegt auf der gefestigten Linie der Rechtsprechung, den gesetzlich Krankenversicherten nur die Kosten zu ersetzen, die für die Behandlung von Krankheiten erforderlich sind. Mit anderen Worten prüfen die Gerichte nur, ob eine Krankheit vorliegt. Ob jemand schuld ist an seinem körperlichen Zustand, ist nicht entscheidend.

Krankheit meint dabei einen regelwidrigen körperlichen oder geistigen Zustand, der entweder Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit oder beides zur Folge hat. Maßgebliche Vorschrift ist § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V. Da der Penis des Mannes funktioniert, ist die Entscheidung des Gerichts sachlich richtig. Ein Mann kann von seiner Krankenkasse also nicht Ersatz der Kosten für Operation zur Entfernung von überhängendem Bauchfett verlangen, nur weil er seinen Penis (Größe: max. 9,5 cm in nicht erigiertem Zustand) nicht mehr sehen und greifen kann.

Das Kernproblem ist die Bauchfettschürze, die Folge der Fettleibigkeit (Adipositas) ist. Die Medizin fasst Adipositas in erster Linie als einen gesundheitlichen Risikofaktor auf, weniger als eigenständige Krankheit. Bei Vorliegen einer extremen Adipositas (BMI 40 kg/m²) stellt sich die Fettleibigkeit häufig schon allein aufgrund der erheblichen Einschränkung im Alltag und des Leidensdrucks für einen Arzt als krankhaft; dar dies gilt insbesondere für Jugendliche, deren Morbiditäts- und Mortalitätsrisiken stark erhöht sind und deren weiterer psychosozialer Werdegang gefährdet ist. In der Regel sehen die Krankenkassen Adipositas, auch in schweren Formen, nur ausnahmsweise als Krankheit an. So weisen sie z.B. regelmäßig die Übernahme der Kosten für Schlauchmagenoperationen zurück.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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