(18.4.2018) Dialyse-Praxen sind befugt zur Anfechtung einer Verlängerung der Genehmigung für die Versorgung chronisch niereninsuffizienter Patienten mit Dialyseleistungen, die einer am selben Ort konkurrierenden Dialyse-Praxis für eine Nebenbetriebsstätte erteilt wurde. Die einmal erteilte Genehmigung für eine Nebenbetriebsstätte verlängert sich nicht automatisch (Bundessozialgericht, Urteil vom 15.03.2017 - B 6 KA 22/16 R).

Wann kann ein konkurrierender Arzt die Genehmigung für einen anderen Arzt anfechten?Der Fall:

Die beigeladene Gemeinschaftspraxis (BAG) hat vor längerem eine Genehmigung zum Betrieb einer Zweigpraxis für die Versorgung chronisch niereninsuffizienter Patienten mit Dialyseleistungen in O. im Allgäu erhalten (Rechtsgrundlage ist Abs 3 des Anhangs 9.1.5 der Anlage 9.1 BMV-Ä). Mit Bescheid vom September 2012 erteilte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) der Beigeladenen zu 1 die Verlängerung der Genehmigung der Zweigpraxis für weitere zehn Jahre. 

Die klagende Gemeinschaftspraxis (BAG) aus Nephrologen betreibt ein Dialysezentrum in I sowie eine Zweigpraxis mit nephrologischer Sprechstunde in O. 

Die Klägerin focht die Verlängerungsentscheidung an. Sie sei ebenfalls in der Lage, diese Dialyseleistungen zu erbringen.

Sozialgericht und Landessozialgericht wiesen die Klage gegen die Verlängerung zurück.

Die Entscheidung:

Das Bundessozialgericht gab der Revision der Kläger nun statt und hob den Bescheid zur Verlängerung auf. Das Gericht verpflichtete die beklagte KÄV, den Antrag neu zu bescheiden.

Voraussetzung einer defensiven Konkurrentenklage sind eine Klageberechtigung des Konkurrenten (A.). und dass der Bescheid rechtswidrig ist (B.).

A. Die Klageberechtigung setze voraus, dass:

  1. die einschlägige Norm drittschützende Wirkung habe,
  2. der Kläger und der Konkurrent im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen anböten,
  3. dem Konkurrenten die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung eröffnet oder erweitert würde und ihm nicht nur ein weiterer Leistungsbereich genehmigt würde, und
  4. der dem Konkurrenten eingeräumte Status sei gegenüber demjenigen des Anfechtenden nachrangig.

Diese Anforderungen sieht das BSG als erfüllt an.

zu 1.
Nach Abs 3 Satz 3 des Anhangs 9.1.5 sei eine ursprünglich auf zehn Jahre befristete Zweigpraxisgenehmigung um weitere zehn Jahre unter zwei unterschiedlichen Voraussetzungen zu verlängern. Wenn die Zweigpraxis nicht in der Versorgungsregion einer anderen Praxis liege, habe die KÄV die Genehmigung ohne weitere Prüfung zu verlängern. Befinde sich die Zweigpraxis jedoch - wie hier - in der Versorgungsregion einer anderen Praxis, bestehe der Anspruch auf Verlängerung nur, "wenn ein Jahr vor Fristablauf festgestellt wird, dass die Zweigpraxis die wohnortnahe Versorgung … gewährleistet". Diese Vorschrift habe (auch) die Belange der Praxis aus der jeweiligen Versorgungsregion im Blick und habe insoweit auch drittschützenden Charakter. Die bundesmantelvertragliche Vorschrift über die Verlängerung einer zunächst für zehn Jahre bedarfsunabhängig erteilten Genehmigung einer Nebenbetriebsstätte für Dialyseleistungen um weitere zehn Jahre habe drittschützende Wirkung zu Gunsten einer Hauptpraxis, in deren Versorgungsregion die Nebenbetriebsstätte liegt.

zu 2.
Die Klägerin und die Beigeladene zu 1. böten identische Leistungen an und konkurrierten im Allgäu und speziell in der Region um O. um dieselben Patienten. Die bundesmantelvertragliche Vorschrift über die Verlängerung einer zunächst für zehn Jahre bedarfsunabhängig erteilten Genehmigung einer Nebenbetriebsstätte für Dialyseleistungen um weitere zehn Jahre habe drittschützende Wirkung zu Gunsten einer Hauptpraxis, in deren Versorgungsregion die Nebenbetriebsstätte liegt.

zu 3.
Auch wenn die Beklagte der Beigeladenen zu 1. keinen neuen Status verliehen habe, sondern nur (erneut) eine Genehmigung für eine Zweigpraxis erteilte, sei eine Anfechtungsberechtigung nicht ausgeschlossen. Sowohl die Erteilung von Dialyseversorgungsaufträgen in der Versorgungsregion einer anderen Praxis wie die Erteilung einer Zweigpraxisgenehmigung dort habe im Hinblick auf die Besonderheiten der Versorgungsplanung bei Dialyseleistungen statusähnlichen Charakter und eröffnete dem Begünstigten nicht nur einen weiteren Leistungsbereich. Insoweit gelte etwas anderes als für die Genehmigung einer Zweigpraxis nach § 24 Abs 3 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte, die unabhängig von bedarfsplanerischen Erwägungen erteilt werde. Auch die Verlängerung einer bereits erteilten und genutzten Zweigpraxisgenehmigung für Dialysen habe in diesem Sinne statusähnlichen Charakter; unter diesem Aspekt gälten dieselben Grundsätze wie bei der Anfechtung von Ermächtigungsentscheidungen (§ 116 SGB V) der Zulassungsgremien.

Über die Fortführung der statusähnlichen Position der Zweigpraxis der Beigeladenen zu 1. für weitere zehn Jahre dürfe nur unter Berücksichtigung des Leistungsangebotes der Klägerin entschieden werden.

B. Die Entscheidung der Beklagten, der Beigeladenen zu 1 eine Verlängerung zu erteilen, ist aus Sicht des BSG auch in der Sache rechtswidrig. Denn diese habe sich mit der Versorgungslage in O. in keiner Weise auseinandergesetzt hat. Die Klägerin hat von Beginn des Verwaltungsverfahrens an vorgetragen, über hinreichende Kapazitäten zur Übernahme der bislang in der Zweigpraxis der Beigeladenen zu 1. in O. versorgten Patienten zu verfügen, also im Rechtssinne noch nicht hinreichend ausgelastet zu sein.

Praxisanmerkung:

Die klagende Gemeinschaftspraxis hat nicht aufgegeben und sich auch von zwei klageabweisenden Urteilen nicht von der Verfolgung ihrer wohlverstandenen rechtlichen Interessen abschrecken lassen. Dies hat letztlich zum Erfolg geführt.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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