(23.5.2018) Ein u.a. an Morbus Crohn erkrankter Arzt, der Opioide ärztlich verordnet als Pflaster verabreicht bekommt, kann durchaus geeignet sein zur ärztlichen Tätigkeit. Maßgeblich für die Frage eines Ruhens der Approbation ist dabei immer die aktuelle Lage (Verwaltungsgericht Augsburg, Beschluss vom 12.01.2017 – Au 2 K 15.1777).

Approbationsurkunde eines ArztesDer Fall:

Der seit 1987 an Morbus Crohn und ab 2013 an genetisch bedingter COPD erkrankte Allgemeinmediziner erhielt 1990 nach einer Darmoperation Oxycodon, ein opioidhaltiges Schmerzmittel, ärztlich verschrieben, das ihm gut half, das er aber zunehmen höher dosiert einnahm. 2014 verschaffte er sich in 21 Fällen unerlaubt Betäubungsmittelverschreibungen und zahlte nach einem Strafverfahren eine Geldstrafe von 9.000 EUR.

Die Bezirksregierung leitete daraufhin ein Verfahren auf Ruhen der ärztlichen Approbation ein und forderte ihn auf, ein fachpsychiatrisches Gutachten einzureichen. Obwohl der Arzt in den folgenden Jahren mit der Bezirksregierung kooperierte, sich wie von der Regierung gewünscht Untersuchungen, Begutachtungen, umfangreichen Behandlungen und einem Entzug unterzog, ließ ihn die Behörde nicht vom Haken. Im August 2015 kam ein Gutachten zu dem Ergebnis, dass eine Abhängigkeit von Oxycodon bestehe, derzeit aber Abstinenz vorliege; die Berufsfähigkeit erscheine derzeit unter bestehender und weiterhin fortgesetzter Abstinenz bezüglich der Einnahme von Opioiden gegeben. Ob eine Wiedereindosierung mit Oxycodon zur Schmerzbehandlung indiziert sei, müsse ein fachärztliches Gutachten zeigen. Aus Sicht der psychiatrischen Gutachter sei trotz Vorliegens einer Abhängigkeit die Wiedereinnahme von Oxycodon möglich, sofern die Einnahme von Schmerzbehandlern verordnet und kontrolliert werde. Sofern dies gewährleistet würde, erscheine die Berufsfähigkeit unter Wiedereinnahme von Oxycodon aus fachärztlich psychiatrischer Sicht gegeben.

Daraufhin stellte die Bezirksregierung von Oberbayern die Approbation des Arztes ruhend. Der Arzt sei aufgrund seiner Suchterkrankung gesundheitlich nicht in der Lage, als Arzt tätig zu sein.

§ 6 Bundesärzteordnung

(1) Das Ruhen der Approbation kann angeordnet werden, wenn

  1. gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet ist,
  2. nachträglich die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 weggefallen ist,
  3. Zweifel bestehen, ob die Voraussetzung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 noch erfüllt ist und der Arzt sich weigert, sich einer von der zuständigen Behörde angeordneten amts- oder fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen,
  4. sich ergibt, dass der Arzt nicht über die Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, die für die Ausübung der Berufstätigkeit in Deutschland erforderlich sind oder
  5. sich ergibt, dass der Arzt nicht ausreichend gegen die sich aus seiner Berufsausübung ergebenden Haftpflichtgefahren versichert ist, sofern kraft Landesrechts oder kraft Standesrechts eine Pflicht zur Versicherung besteht.

 Dagegen klagte der Arzt.

Die Entscheidung:

Das Verwaltungsgericht gab dem Arzt Recht. Das Gericht hatte bereits Zweifel ob das Gutachten aus 2015 ein Ruhen der Approbation rechtfertige. Im Verlauf des Gerichtsverfahrens wurde der Arzt erneut begutachtet.

Die gerichtlichen Sachverständigen kamen zu dem Ergebnis, dass derzeit nicht von einer Abhängigkeitssituation auszugehen sei. Die weitere Ausübung des ärztlichen Berufs durch den Kläger sei aus der Sicht der Sachverständigen unbedenklich und könne auch unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Gesundheitsinteresses und des Patientenschutzes verantwortet werden. Weiter sei von den Sachverständigen übereinstimmend mit Blick auf ihr jeweiliges Fachgebiet dargelegt, worden dass der Kläger nach langjährigem Opioidfehlgebrauch und zweimonatiger Opioidfreiheit im Juni/Juli 2015 nun unter einer kontrollierten transdermalen Opioidtherapie stehe, die therapeutisch notwendig sei und bei der keine Mißbrauchsgefahren bestünden. Mit dieser Therapie sei es nach Auffassung der Gutachter möglich, lange Zeit ohne signifikante Opioidsteigerung auf einem stabilen medikamentösen Niveau zu bleiben. Anhaltspunkte dafür, dass es bei einer weiteren Ausübung des ärztlichen Berufes unter Anwendung dieser Opioidtherapie zu Patientengefährdungen kommen kann, seien nicht konkret greifbar und haben sich auch im Rahmen der gerichtlichen Beweiserhebung nicht ergeben.

Da es für die Entscheidung auf die aktuelle Situation ankomme und da aktuell aus fachärztlicher Sicht die Eignung des Arztes zur Ausübung des ärztlichen Berufes gegeben sei, sei der Bescheid der Bezirksregierung aufzuheben.

Praxisanmerkung:

Die Behörde hat den kranken Arzt massiv verfolgt. Dies ist nicht nachvollziehbar. Der Arzt hat sich sehr um seine Behandlung bemüht und hat ärztliche Anweisungen korrekt befolgt und sich - abgesehen von der zunehmend höheren Dosierung des Oxycodons und der Straftat - verantwortungsvoll verhalten. Dass er von dem ärztlich verordneten Opioid abhängig wurde, ist ihm nicht vorzuwerfen. Schon das Gutachten aus 2015 genügte nicht für eine Ungeeignetheit des Arztes. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes ist daher folgerichtig. Hier war weder ein Ruhen der Approbation noch deren Widerruf angemessen. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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