(9.7.2018) Medizinprodukte - hier: Mittel zur Kryotherapie (Histofreezer medium Dos.-Spray) - können auch dann als Sprechstundenbedarf vom Arzt verordnet werden, wenn sie mangels entsprechender Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht in die Arzneimittelversorgung einbezogen worden sind (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18.04.2018 - L 3 KA 82/15).
Der Fall:
Im Streit stand der Regress gegen einen niedergelassenen Facharzt für Dermatologie und Allergologie u.a. wegen der Verordnung von Histofreezer (zwecks Vereisung von Warzen etc.) als Sprechstundenbedarf (SSB).
Die Entscheidung:
Das LSG wies den Regress bezüglich des Histofreezers als unbegründet zurück.
Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der hier einschlägigen SSB-Vereinbarungen. Danach werden in den Anlagen 1 zu den Vereinbarungen „Mittel zur Kryotherapie der Haut (Kohlensäureschnee, Stickstoff o.ä.)“ ausdrücklich als im SSB verordnungsfähig bezeichnet - und der vom Beklagten in den Verwaltungsunterlagen beigezogenen Lauer-Taxe folgend handele es sich bei dem Medizinprodukt Histofreezer medium Dos.-Spray auch um ein „kryotherapeutisches Warzenentfernungsmittel“.
Dass ein Medikament nicht in der Anlage V zur Arzneimittelrichtlinie als Sprechstundenbedarf gelistet ist (wie hier der Histofreezer), schließe dessen Verwendung als Sprechstundenbedarf nicht aus. Denn auch andere Medizinprodukte wie z.B. Katheter, Mundspatel, Biopsienadeln, Harnröhrengleitmittel und Paukenröhrchen, die allesamt nicht in Anlage V geslistet sind, könnten als SSB verwendet werden.
Auch in parktischer Hinsicht sei die Verordnung von Histofreezer als SSB geboten, weil der Patient dieses Medizinprodukt gar nicht selbst gefahrlos anwenden könne, vielmehr zwingend durch einen Arzt angewendet werden sollte, um Hautschädigungen zu vermeiden.
Praxisanmerkung:
Die Entscheidung reiht sich in die übrige Rechtsprechung ein. Zählt die Positivliste einer Sprechstundenbedarfsvereinbarung neben der Nennung einer Produktgruppe (hier "Mittel zur Kryotherapie") zwei konkrete Medizinprodukte (hier Kohlensäureschnee und flüssigen Stickstoff) auf und ist zugleich eine öffnende Formulierung angefügt (hier "oä") ist die Verordnungsfähigkeit von Mitteln der Produktgruppe nicht auf die beiden ausdrücklich genannten Medizinprodukte beschränkt (Sozialgericht Marburg, Urteil vom 6. Januar 2016 – S 16 KA 223/14).