(17.7.2018) Verordnet ein Vertragsarzt das Arzneimittel "Voltaren Emulgel", obwohl hierfür keine Leistungspflicht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung besteht, ist der betreffenden Krankenkasse ein Schaden entstanden, den der Arzt zu ersetzen hat. Nur in begründeten Ausnahmefällen kann das Medikament auf Kassenrezept verordnet werden (Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 10. Mai 2017 – S 2 KA 37/16).

Voltaren-Verordnung eines Orthopäden führt zu RegressDer Fall:

Der klagende niedergelassene Arzt, ein orthopädisch tätiger Allgemeinmediziner mit dem Zusatz Chirurgie, verordnete in den Quartalen 1/2014 bis 4/2014 in 58 Fällen seinen gesetzlich versicherten Patienten mit orthopädischen Beschwerden das Medikament Voltaren Emulgel (Wirkstoff: Diclofenac).

Nach Hinweis der betroffenen Krankenkasse leitete die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein eine Prüfung ein. Sie gab dem Arzt Gelegenheit zur Stellungnahme, die dieser aber nicht nutzte. Da Voltaren Emulgel von der Verordnung an gesetzlich versicherte Patienten ausgeschlossen sei, erließ die Prüfungsstelle schließlich 2015 einen Regressbescheid über rund 600 Euro.

Der Arzt rief das Sozialgericht an, um sich gegen den Arzneikostenregress zu wehren. Da er in seiner Praxis auch orthopädisch konservativ behandele, weil die Patienten teilweise bis zu 4-6 Monate auf einen Termin warten müssten, habe er bei den von der Beklagten aufgeführten Patienten das Voltaren Emulgel unter bestimmten medizinischen Indikationen mit orthopädischen Beschwerden aufgeschrieben. Er habe dieses Medikament in jeweils verschiedenen Quartalen aufgeschrieben; bei einer Fallzahl von 1.100-1.200 Patienten pro Quartal sei festzustellen, dass es nur in Ausnahmefällen verschrieben worden sei. Er bat darum, von dem Regress abzusehen.

Die Entscheidung:

Das Sozialgericht wies die Klage des Arztes gegen den Regressbescheid als unbegründet zurück, dies aus folgenden Gründen:

In den Quartalen 1/2014 bis 4/2014 verordnete der Arzt das Arzneimittel Voltaren Emulgel, obwohl hierfür keine Leistungspflicht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung bestand, so dass der beigeladenen Krankenversicherung ein Schaden in entsprechender Höhe entstanden ist.

Die Verordnung von Voltaren Emulgel können gesetzlich Versicherte (grundsätzlich) nicht beanspruchen. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Einen solchen Ausschluss enthält Anlage III AM-RL. Dort werden unter Nr. 40 Rheumamittel (Analgetika/ Antiphlogistika/ Antirheumatika) zur externen Anwendung aufgeführt. Nach der Fachinformation des Herstellers Novartis zu Voltaren Emulgel (Ziffer 5.1 Pharmakodynamische Eigenschaften) handelt es sich um ein nichtsteroidales Antiphlogistikum/Analgetikum mit dem ATC-Code M02AA15 (Topische Mittel gegen Gelenk- und Muskelschmerzen, nichtsteroidale Antiphlogistika zur topischen Anwendung, Diclofenac). Dieses unterfällt dem Verordnungsausschluss nach Nr. 40.

Aus Sicht des Gerichts lag auch kein Ausnahmefall vor. Ein solcher ist nur gegeben, wenn ein medizinisch begründeter Einzelfall vorliegt und der Arzt diesen in der medizinischen Dokumentation begründet, § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Satz 3 Arzneimittel-Richtlinie. Zu dokumentieren sind die Umstände, aus denen der Schluss gezogen wird, dass die für den Verordnungsausschluss auf Grund der Arzneimittel-Richtlinie tragenden Erwägungen im konkreten Einzelfall nicht eingreifen. Wann eine Verordnung ausnahmsweise gerechtfertigt sein kann, hängt in den Fällen des § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V von den Gründen des jeweiligen Ausschlusses von der Leistungspflicht ab. Zu dokumentieren sind deshalb die Umstände, die im Einzelfall eine relevante Abweichung von der dem Ausschlusstatbestand zu Grunde liegenden typischen Konstellation belegen und erkennen lassen, dass die für den Ausschluss aus der Leistungspflicht maßgebenden Gründe im Einzelfall nicht eingreifen. Die Begründung muss sich insbesondere auf die Auswahl des grundsätzlich ausgeschlossenen Arzneimittels unter den in Betracht kommenden Behandlungsalternativen erstrecken.

Die vom Gericht hierzu herangezogenen vier Behandlungsdokumentationen wiesen keine solche Begründung auf.

Das Gericht führte weiter aus, dass es nicht erforderlich ist, alle 58 streitigen Verordnungen zu betrachten. Denn der Arzt habe ein grundsätzliches Verständnis von den Aufzeichnungen deutlich gemacht und alle Fälle seien gleich gelagert.

Nach alledem wären die streitigen Verordnungen daher als Privatrezept auszustellen gewesen.

Praxisanmerkung:

Der Arzt hat also zu dokumentieren, aus welchen Gründen zulässige Behandlungsalternativen im Rahmen der GKV nicht in Betracht zu ziehen gewesen sein sollen, vielmehr allein die Arzneimittelversorgung mit dem von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittel jeweils den gewünschten therapeutischen Effekt hätte bewirken sollen.

Was ist also im Einzelnen zu dokumentieren?

  • Befund
  • zulässige Behandlungsalternativen, sprich verordnungsfähige Medikamente
  • warum diese nicht den gewünschten therapeutischen Effekt haben sollen
  • Verordnung des von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittels

Es empfiehlt sich auch, bereits im Verfahren vor der Prüfungsstelle eine Stellungnahme abzugeben, dies gegebenenfalls nach Beantragung einer Fristverlängerung. Es ist erfahrungsgemäß einfacher, mit der Prüfungsstelle zu reden, als seinen Fall schließlich vor Gericht zu diskutieren.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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