(31.8.2018) Zur Abklärung eines Verdachtes von Krebs der Prostata (Prostatkarzinom) entnahm ein Arzt dem Patienten 123 Stanzproben aus der Prostata mittels 3D-Mapping-Biopsie. Der Patient, der an einer Gerinnungsstörung litt, hatte dem Arzt aber zuvor erklärt, dass er eine möglichst gezielte Biopsie mit wenigen Stanzen wollte. Der Arzt hatte den Patienten zuvor nicht darüber aufgeklärt, dass er derart viele Proben entnehmen wollte. In Folge der umfangreichen und damit recht invasven Biopsie litt der Patient an erhöhter Inkontinenz und einer erektilen Dysfunktion. Das Verwaltungsgericht Gießen bejahte einen Aufklärungsfehler und eine Überdiagnostik und verhängte wegen Verstoßes gegen die ärztlichen Berufspflichten gegen den Arzt eine Geldbuße von EUR 5.000 (VG Gießen, Urteil vom 25. April 2018 – 21 K 5529/15.GI.B). 

Arzt klärt Patient aufPraxisanmerkung:

Fehlerhafte Aufklärungen können neben arzthaftungsrechtlichen Zahlungsansprüchen und strafrechtlichen Konsequenzen (Körperverletzung) wie der vorliegende Fall zeigt auch zu berufsrechtlichen Konsequenzen führen, da nach § 8 der Muster-Berufsordnung der Arzt verpflichtet ist, den Patienten über Reichweite und Risiken des Eingriffs aufzuklären. Hier verwendete der Arzt ein elfseitiges Aufklärungsformular, aus dem allerdings nicht hervorging, wie viele Stanzen der Arzt entnehmen wollte. Überdies handelte es sich bei der verwendeten Biopsie um eine nicht mehr gebräuchliche und überdiagnostische Methode. 

Grundsätzlich ist Ärzten zu raten, zum einen auf die besonderen Anliegen des Patienten zu hören (hier wollte der an einer Gerinnungsstörung leidende Patient einen möglichst gering-invasiven diagnostischen Eingriff in die Prostata) und zum anderen dem Patienten die Eingriffsintensität (hier sog. Sättigungsbiopsie mit 123 Stanzen, obgleich sich die Entnahme von deutlich weniger Stanzen als medizinischer Standard durchgesetzt hat) klar zu verdeutlichen und dies auch dokumentieren. Das von dem Arzt verwendete Aufklärungsformular wies aber gerade nicht auf die Zahl zu entnehmenden Stanzproben hin. 

Patienten ist zu raten, dem Arzt eindringlich und unmißverständlich auf besondere Anliegen - wie hier die möglichst geringe Zahl an Stanzen - hinzuweisen. Liegt ein planbarer Eingriff vor, so empfiehlt es sich für den Patienten dringend, dem Arzt nach der Vereinbarung des Eingriffstermines eine E-mail zu schicken, in der er noch einmal klar darauf hinweist, welchen Eingriff er wünscht. Andernfalls kann der Patient später Beweisprobleme bekommen. Durch eine solche E-mail können Mißverständnisse ausgeräumt werden. Auch wenn ein Patient nur durch einen bestimmten Arzt behandelt werden will (z.B. einen bestimmten, besonders erfahrenen Arzt oder den Chefarzt) so sollte er in dieser E-mail klar stellen, dass er nur durch eben diesen Arzt behandelt werden will. 

§ 8 MBO-Ä lautet:

Zur Behandlung bedürfen Ärztinnen und Ärzte der Einwilligung der Patientin oder des Patienten. Der Einwilligung hat grundsätzlich die erforderliche Aufklärung im persönlichen Gespräch vorauszugehen. Die Aufklärung hat der Patientin oder dem Patie ten insbesondere vor operativen Eingriffen Wesen, Bedeutung und Tragweite der Behandlung einschließlich Behandlungsalternativen und die mit ihnen verbundenen Risiken in verständlicher und angemessener Weise zu verdeutlichen.

Die Entscheidung im Volltext:

Tenor

  1. Dem Beschuldigten wird wegen Verstoßes gegen seine Berufspflichten unter Erteilung eines Verweises eine Geldbuße in Höhe von 5.000 Euro auferlegt.
  2. Der Beschuldigte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
  3. Die Gebühr wird auf 2.400 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
...

II.

Der Patient Dr. med. F., Lungenfacharzt, ließ sich regelmäßig den PSA-​Wert bestimmen. Dieser war im Januar 2014 auf das Doppelte (5,44 ng/ml) angestiegen.

Er recherchierte neue Untersuchungsmethoden in der Diagnostik bei Verdacht auf Prostatakrebs und machte unter anderem die Website des G des Beschuldigten ausfindig und stellte sich dort nach einer auf seinen Wunsch ausgestellten Überweisung durch eine allgemeinmedizinische Praxis am 13. Februar 2014 zu einer Magnetresonanztomographie und Spektroskopie vor. Diese führte der Zeuge und beim Beschuldigten angestellte Facharzt für Radiologie Dr. H. durch.

Der Beschuldigte stellte sodann dem Zeugen Dr. F. das Untersuchungsergebnis vor, und gab an, es befänden sich mehrere 2-​3 mm kleine Herde im Zentrum der Prostata, die dafür sprächen, dass er zu 85 % ein Karzinom im zentralen Bereich der Prostata habe. Auf Nachfrage des Zeugen konnte der Beschuldigte nur eine von den festgestellten mehreren verdächtigten Stellen auf den MRT-​Bildern zeigen. Auf Bitten des Zeugen schrieb der Beschuldigte eigenhändig einen vorläufigen Kurzbefund wie folgt auf:

,,Multiple kleine (max. 2-​3 mm) große Herde mit Diffusionseinschränkung i.B.d. Zentralzone (2) v. m. kleinen Karzinomherden, kein organüberschreitendes Wachstum, keine positiven LK, Prostatitis, 3D-​Biopsie empfohlen".

Der Wunsch des Zeugen Dr. F. ging dahin, nicht zuletzt wegen eines Faktor V-​Leidens, nur einen kurzen und gezielten Eingriff vornehmen zu lassen und nur die als verdächtig ausgemachten Stellen biopsieren zu lassen. Der PSA-​Wert hatte sich nach einem dem Zeugen Dr. F. am gleichen Tag mitgeteilten Ergebnis wieder normalisiert. Dies teilte der Zeuge auch dem Beschuldigten mit.

Der Beschuldigte hat dem Zeugen Dr. F. die empfohlene 3D-​Biopsie so beschrieben, dass die MRT-​Bilder in das Ultraschallgerät transportiert würden. Angaben zur voraussichtlichen Anzahl der Biopsiestanzen und dazu, dass die gesamte Prostata biopsiert werden würde, machte der Beschuldigte gegenüber dem Zeugen in diesem Gespräch und auch später vor Durchführung der Biopsie nicht.

Der Zeuge Dr. F. erhielt nach dem Gespräch mit dem Beschuldigten einen zehnseitigen Aufklärungsbogen mit dem Titel

,,Patientenaufklärung Basisinformation zum Aufklärungsgespräch Prostatabiopsie mittels transperinealer 3D-​Technik".

Auf Seite 4 ist die "standardmäßige" transrektale Ultraschall-​gesteuerte Biopsie beschrieben.

Punkt 4 auf Seite 6 des Bogens betrifft: ,,Unsere Biopsietechnik: 3D-​Prostatabiopsie" und beschreibt diese unter 4.1 ("Wie wird die Biopsie durchgeführt?") wie folgt:

Die Prostatabiopsie wird unter Verwendung eines Steppers (Schrittgeber) und eines Grids (Gitter mit Koordinatensystem) ultraschallgesteuert (Abb. 3 und 4), steril und schmerzfrei unter Lokal-​, Spinal-​, oder Allgemeinanästhesie durchgeführt.

Dabei wird die Ultraschallsonde transrektal, d.h. in den Enddarm eingeführt und visualisiert die Prostata auf dem Ultraschallbild in transversal- und Sagittalansicht. Durch Stepper, Grid und Ultraschall gesteuert werden dann über die Dammregion (Perineum) mit einer speziellen Biopsiepistole typischerweise im Abstand von 5 mm Gewebeproben (Biopsien) aus der Prostata entnommen (Abb. 5 und 6). Die Anzahl der Probenentnahme ist abhängig von der Größe der Prostata oder von den zu punktierenden Zonen.

Alle entnommenen Proben werden bezüglich des Entnahmeortes markiert, so daß nach ihrer histologischen Untersuchung ein dreidimensionales Verteilungsmuster erstellt werden kann, das Aufschluß über die Verteilung des Prostatakarzinoms in der Prostata gibt.

Sollte die Prostatabiopsie bei Ihnen nicht alle 5 mm notwendig sein, wird Ihnen lhr Arzt davon berichten."

Auf Seite 7 des Bogens finden sich die Abbildungen 5 und 6, die einmal den Grid (Abb. 5) und einmal ein Raster (Abb. 6) zeigen. Auf der Abbildung 5 ist auch die Position von drei Biopsienadeln zu sehen. Auf der Abbildung 6 ist ein Raster mit 11 waagrechten Zeilen und 13 senkrechten Spalten zu sehen. Die Abbildungen tragen den Untertitel "Gitter und Ultraschallansicht der Prostata". Die 13 Spalten und 11 Zeilen haben 143 Schnittpunkte. Entlang der Zeile 5 ist eine X-​Achse eingezeichnet. Sie kreuzt sich mit der Y-​Achse, die entlang der Spalte eingezeichnet ist, die mit dem Buchstaben G gekennzeichnet ist. Um den Schnittpunkt der Achsen ist der Umriss einer Prostata und ein kleinerer Kreis in der Mitte eingetragen, der in einem Gebiet hellerer diffuser Stellen liegt.

In einem dem Zeugen übersandten schriftlichen Befundbericht, der vom Zeugen Dr. H. und einem weiteren Arzt aus dem Institut des Beschuldigten unterschrieben ist, werden die "multiplen, maximal 2-​3 mm messenden Herde mit malignomtypischen Diffusionswerten, meistens in der linken Zentralzone lokalisiert, vereinbar mit karzinomatöser Beteiligung" mit PI-​RADS (Prostate Imaging Reporting and Data System V. 1) mit einem Score von 5 (von 5) bewertet.

Der Zeuge Dr. F. hat sich daraufhin von seinen behandelnden Hausärzten am 17. März 2014 eine Überweisung an einen Radiologen für eine "3D MRT gesteuerte Biopsie" ausstellen lassen und hat einen Termin zur Biopsie im Institut des Beschuldigten vereinbart.

Zum verabredeten Tag der Biopsie, dem 20. März 2014, unterzeichnete der Zeuge Dr. H. den Aufklärungsbogen, den der Zeuge Dr. F. bereits unterschrieben mitgebracht hatte. Er besprach mit dem Zeugen Dr. F. in einem kurzen Gespräch Fragen, ob und welche Komplikationen auftreten können und welche Verhaltensregeln nach der Untersuchung zu beachten seien. Auch in diesem Gespräch wurde über die mögliche Anzahl der Biopsiestanzen oder dass die gesamte Prostata und nicht nur gezielt die verdächtigen Herde biopsiert werden sollten, nicht mehr gesprochen.

Während der Narkose nahm der Zeuge Dr. H. die Prostatabiopsie beim Zeugen Dr. F. vor. Er projizierte auf das Ultraschallbild von der Prostata ein Raster, bestehend aus Zeilen und Spalten im Abstand von je 5 mm. Mit Hilfe einer Lochplatte (Grid) führte er Biopsienadeln in die Schnittpunkte der aufprojizierten Zeilen und Spalten. Während der Biopsie mit Hilfe des Ultraschallbildes betrachtete der Zeuge auf einem benachbart aufgestellten Monitor die vorhandenen MRT-​Bilder, insbesondere dort, wo Herde sich abzeichneten. So verschaffte er sich eine Kontrolle in der Führung der Biopsienadeln, insbesondere dorthin, wo Herde sein könnten. Insgesamt wurden der Prostata des Zeugen Dr. F. 123 1-​10 mm lange Gewebszylinder entnommen, wobei durch das Grid z.T. mehrere Stanzen in unterschiedlicher Tiefe genommen wurden. Die Rechnung beläuft sich dabei auf 5.019,63 Euro nur für die 123 durchgeführten Stanzen.

Diese untersuchte der Pathologe Prof. I. Er stellte die pathologisch-​anatomische Diagnose:

"1 bis 123 separat untersuchte Prostatazylinder mit einer adenomyomatösen Hyperplasie und einer herdförmigen akuten, überwiegend chronischen Prostatitis ohne Carzinomnachweis. Kein Anhalt für Malignität.".Der Zeuge Dr. F. litt in der Folgezeit u.a. an erhöhter Inkontinenz und einer erektilen Dysfunktion, die nach einem im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachten des in der Hauptverhandlung zugezogenen Sachverständigen Prof. Dr. F. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätten vermieden werden können. Der Sachverständige, der im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren ein Gutachten auch zu der Frage erstellt hat, ob die Aufklärung des Zeugen Dr. F. ausreichend war im Hinblick auf die durchgeführte Biopsie und ob die vorgenommene Biopsie nach dem Ergebnis des MRT vertretbar war, hat auch in der Hauptverhandlung gutachterlich zur Notwendigkeit der durchgeführten Biopsie Stellung genommen und ausgeführt, es gebe drei Unterarten der MRT-​gesteuerten Biopsie: die kognitive Fusion, die sozusagen durch den Arzt erfolge, der die beiden Bilder im Kopf überlagere, die in der Röhre und letztlich die Fusions-​Biopsie über die Software. Ziel aller dieser Biopsien sei es aber generell, weniger Stanzen nehmen zu müssen. Er hat weiter ausgeführt, dass nach der 2014 geltenden S3-​Leitlinie (Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S 3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms) allein wegen des PSA-​Wertes des Zeugen Dr. F. eine Biopsie nicht angezeigt gewesen wäre. Das MRT habe dies jedoch relativiert, da auch bei niedrigen PSA-​Werten ein Karzinom vorhanden sein könne. Die Befundung des MRT müsse nach dem PI-​RADS erfolgen. Ab einem Score von 3 sei der Befund nicht mehr unauffällig und man würde eine Biopsie empfehlen. Die festgestellten multiplen kleinen Herde würden nach PI-​RADS jedoch keinen Score von 5 erhalten. Man betrachte bei vielen kleinen Herden immer nur maximal vier Läsionen bei einer Biopsie. Die Leitlinien insbesondere wollten von der Sättigungsbiopsie weg. Die hier durchgeführte Mapping-​Biopsie kläre um den Preis vieler Stanzen besser ab als eine 12er-​Biopsie, ob Krebsherde da seien. Man befürchte aber auch größere Komplikationen durch die höhere Anzahl der Stanzen. Letztlich habe die Mapping-​Biopsie einen anderen Ansatz als die MRT-​gesteuerte Biopsie. Das MRT sei letztendlich dazu gedacht eine erste Abklärung zu bringen und dann allenfalls noch wenige Stanzen durchzuführen. Die Mapping-​Biopsie wolle dagegen die gesamte Prostata endgültig abklären im Hinblick auf Auffälligkeiten. Die Mapping-​Biopsie werde in Deutschland selten durchgeführt. In der Regel würden bei Sättigungsbiopsien nur 24 bis maximal 36 Stanzen genommen. Bei einem PI-​RADS von 3 könne man eine Biopsie machen. Sie sei durchaus indiziert. Man hätte aber auch z.B. ein Kontroll-​MRT nach 9 bis 12 Monate machen können. Er halte eine Markierung von maximal drei Läsionen und eine Biopsie, die jeden dieser isolierten Herde mit jeweils zwei Stanzen biopsiere sowie 12 zusätzliche im Wege der systematischen Biopsie genommene Stanzen für ausreichend, weil schon ein MRT vorgelegen habe. Im MRT lasse sich die Randzone in der Regel sehr gut beurteilen. Nur in der Transitionszone sei das MRT nicht so sicher. In diesem Fall hätte man auf das MRT vertrauen können und im Sinne einer weniger invasiven Diagnostik nur eine gezielte Biopsie vornehmen sollen. Die Mapping-​Biopsie sei eine sehr invasive Biopsie mit erhöhtem Risiko. Es handele sich um eine Überdiagnostik bei einer Erstbiopsie. Die hohe Anzahl der Stanzen sei unverhältnismäßig gewesen. Auch die vom Beschuldigten angeführte fokale Therapie könne nicht nur aufgrund einer Mapping-​Biopsie erfolgen, sondern auch auf einer Grundlage einer gezielten Biopsie. Die fokale Therapie sei damals noch experimentell und keine Standardtherapie gewesen und so sei es auch heute noch. Therapiestandard sei die Entfernung oder die Bestrahlung der gesamten Prostata.

III.

Dieser Sachverhalt steht auf Grund der durchgeführten Hauptverhandlung, insbesondere der durchgeführten Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen Dr. F., Frau J., Dr. H., des Gutachters des Prof. Dr. F. sowie den Einlassungen des Beschuldigten, soweit ihnen zu folgen war, und des Inhalts der Ermittlungsakten der Landesärztekammer und der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Darmstadt, soweit sie Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen sind, fest.

Dabei folgt das Gericht im Wesentlichen den Aussagen der Zeugen Dr. F. und Frau J. zu deren Schilderung des Aufklärungsgespräches mit dem Beschuldigten. Der Zeuge hat konstant und glaubhaft geschildert, dass sein Anliegen eine möglichst gezielte Biopsie mit wenigen Stanzen war. Dies ist dem Gericht nicht nur daraus nachvollziehbar, dass der Zeuge bei seiner Suche nach Informationen im Internet gezielt nach einer Biopsie gesucht hat, bei der nach vorherigem MRT gezielt die Stellen biopsiert werden, die im MRT als verdächtig ausgemacht wurden. Keine der vom Zeugen vorgelegten Internetrecherchen und auch nicht die zur damaligen Zeit online geschaltete Website des Beschuldigten hat demgegenüber auf eine so genannte Mapping-​Biopsie der kompletten Prostata verwiesen. Dazu kommt, dass der Zeuge Dr. F. an einer Gerinnungsstörung leidet, die auch seiner Patientenakte zu entnehmen ist, und die für das Gericht nachvollziehbar macht, dass der Zeuge einen zeitlich möglichst kurzen Eingriff vornehmen lassen wollte. Die Aussagen des Zeugen Dr. F. und seiner Frau, die bei dem Aufklärungsgespräch mit dem Beschuldigten anwesend war, sind glaubhaft. Die Zeugen haben keinen Grund, den Beschuldigten falsch zu beschuldigen. Die mit Nachdruck verfolgte Anzeige des Beschuldigten resultiert nach der Überzeugung des Gerichts allein in der (berechtigten) Empörung darüber, dass an ihm ein Eingriff vorgenommen wurde, über dessen Tragweite er nicht aufgeklärt wurde und den er in diesem Umfang nicht gewollt hat. Der Zeuge und seine Frau haben die Situation des Aufklärungsgespräches übereinstimmend geschildert. Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass der Zeuge deutlich gemacht hat, dass er einen möglichst gering invasiven Eingriff auf der Grundlage der durch das MRT festgestellten Herde erhalten wollte. Demgegenüber ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass der Beschuldigte dem Zeugen Dr. F., dem er eine 3D-​Biopsie empfohlen hat, angesichts des Ergebnisses des MRT hinreichend deutlich gemacht hat, dass dies die Biopsie der gesamten Prostata im 5 mm Abstand bedeutet. Selbst die vom Beschuldigten zur Veranschaulichung in der Hauptverhandlung vorgelegten Abbildungen zur transrektalen, MRT-​gesteuerten "targeted" und zur 3D "mapping" "template" Biopsie, an Hand derer er nach seiner Einlassung auch dem Zeugen Dr. F. die verschiedenen Arten der Biopsie erläutert haben will, widersprechen nicht der Aussage des Dr. F., er habe eine gezielte, also auf die verdächtigen Regionen beschränkte Biopsie erhalten wollen. Denn selbst auf diesem Schaubild wird nicht abgebildet, dass die gesamte Prostata im Falle der Mapping-​Biopsie biopsiert wird. Auch die Begrifflichkeit "3D" macht dies nicht deutlich, zumal dieser Begriff nicht einheitlich oder in einem rechtlich geschützten Sinne verwendet wird. Das Gericht hat sich daher nicht davon überzeugen können, dass der Beschuldigte dem Zeugen deutlich gemacht hat, dass eine 3D-​Biopsie nach seinem Verständnis die Biopsierung der gesamten Prostata im 5 mm Abstand bedeutet, und damit auch nach dem MRT unauffällige Gebiete desungeachtet biopsiert werden. Das Gericht hat vielmehr keine Zweifel daran, dass der Zeuge F. sein Begehren auf eine minimal invasive Biopsie nur der verdächtigen Herde, die ihm der Beschuldigte während des Aufklärungsgesprächs zudem nicht auf dem Bildschirm zeigen oder zahlenmäßig eingrenzen konnte, deutlich gemacht hat. Der Zeuge mag in seiner Art nicht unkompliziert und durch seine Vorinformationen durch Internetrecherchen wohl auch zum Teil nicht in der Lage gewesen sein, die ihm vom Beschuldigten gegebenen Informationen, zumal in der Situation der ihm gerade erst eröffneten 85 %-​igen Möglichkeit des Vorhandenseins mehrere Krebsherde, richtig mit seinen umfangreichen Vorinformation in Einklang zu bringen. Soweit sich der Beschuldigte in seinen Einlassungen immer wieder darauf bezieht, der Zeuge habe die akkurateste Biopsie erhalten wollen, und dies sei nun einmal die Mapping-​Biopsie der gesamten Prostata, lässt sich das Begehren des Zeugen, das dieser zum Ausdruck gebracht hat, vor dem Hintergrund des MRT, das nur in Teilbereichen verdächtige Herde ausgemacht hatte, nach Auffassung des Gerichts nicht dahin interpretieren, er wolle dennoch auch die nicht suspekten Bereiche biopsieren lassen. Der Diagnostik über das MRT, das als Steuerungsinstrument für die Biopsie dienen soll - sei es über Softwarefusion oder kognitive Fusion - käme vor diesem Hintergrund letztlich kaum eine Bedeutung zu, zumal bei nur 2-​3 mm großen Herden eine Biopsierung in regelmäßigen 5mm-​Abständen auf vorgegebenen Punkten nicht garantiert, dass gerade diese kleinen Herde getroffen werden. Der Beschuldigte hat, davon ist das Gericht nach der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung überzeugt, es nicht verstanden, die Wünsche des Zeugen Dr. F. richtig aufzunehmen und diesem eine entsprechende Diagnostik anzubieten bzw. ggf. zu erläutern, dass eine derartige Diagnostik in seinem Institut nicht durchgeführt wird. Dabei hat das Gericht berücksichtigt, dass der Zeuge Dr. F. selbst Arzt ist und einen anderen Wissenshintergrund hat als andere Patienten. Das Gericht geht auch davon aus, dass der Zeuge hat durchblicken lassen, wie er dies auch in seiner Vernehmung getan hat, dass er sich bereits umfangreich informiert hat. Dennoch hat er sein Anliegen, eine gezielte Biopsie zu erhalten, zum Ausdruck gebracht und sich mit einer Mapping-​Biopsie der gesamten Prostata nicht einverstanden erklärt. Davon kann man auch nicht deshalb ausgehen, weil der Beschuldigte dem Zeugen nach dem Aufklärungsgespräch einen Aufklärungsbogen hat mitgeben lassen, den der Zeuge vor dem Eingriff unterschrieben hat und der eine solche Biopsie zweifelsfrei beschreiben würde. Im Aufklärungsbogen wird auf Seite 6 die durchzuführende Biopsie erläutert ("Unsere Biopsie-​Technik: 3D-​Prostatabiopsie"). Dort ist jedoch im Hinblick auf den Umfang der zu nehmenden Biopsiestanzen ausgeführt:

"Die Prostatabiopsie wird unter Verwendung eines Steppers (Schrittgeber) und eines Grids (Gitter mit Koordinatensystem) ultraschallgesteuert (Abb. 3 und 4), steril und schmerzfrei unter Lokal-​, Spinal-​, oder Allgemeinanästhesie durchgeführt.Dabei wird die Ultraschallsonde transrektal, d.h. in den Enddarm eingeführt und visualisiert die auf dem Ultraschallbild in transversal- und Sagittalansicht. Durch Stepper, Grid und Ultraschall gesteuert werden dann über die Dammregion (Perineum) mit einer speziellen Biopsiepistole typischerweise im Abstand von 5 mm Gewebeproben (Biopsien) aus der Prostata entnommen (Abb. 5 und 6). Die Anzahl der Probenentnahme ist abhängig von der Größe der Prostata oder von den zu punktierenden Zonen." (Hervorhebung durch das Gericht.)

Nach dieser Formulierung darf der Patient davon ausgehen, dass, wenn nur bestimmte Zonen punktiert werden sollen, wie es der Patient hier wollte, eben nicht die gesamte Prostata biopsiert wird. Etwas anderes lässt sich auch den Abbildungen auf Seite 5 des Aufklärungsbogens nicht entnehmen. Denn diesen kann man zwar entnehmen, nach welchem Raster und in welchen Abständen Stanzen entnommen werden. Es ergibt sich aber gerade nicht daraus, dass immer die gesamte Prostata biopsiert wird.

Ausgehend von der gewünschten gezielten Biopsie konnte der Patient den Schaubildern und der Beschreibung nur entnehmen, dass nur in den verdächtigen Bereichen nach dem dargestellten Raster alle 5 mm Stanzen entnommen werden.

Auch aus dem im Aufklärungsgespräch vom Beschuldigten gefertigten handschriftlichen Kurzbefund samt Empfehlung einer 3D-​Biopsie ergibt sich für das Gericht keine anderweitige Beurteilung des Sachverhaltes. Denn dieser handschriftliche Kurzbefund ist im Hinblick auf den unbestimmten Begriff der empfohlenen 3D-​Biopsie nicht eindeutig.

Die vorrangig maßgebliche Aufklärung des Beschuldigten, die den Zeugen Dr. F. zur Durchführung des Eingriffs veranlasst hat, wird auch nicht dadurch im Hinblick auf die durchgeführte Mapping-​Biopsie hinreichend ergänzt, dass der im Institut des Beschuldigten angestellte und die Biopsie durchführende Zeuge Dr. H. den Zeugen Dr. F. im Hinblick auf den Umfang der Biopsie noch weiter aufgeklärt hat. Auch dies hat die Beweisaufnahme für das Gericht ergeben. Die Angaben des Zeugen Dr. H., er habe dem Zeugen Dr. F., in dem von beiden Zeugen als sehr kurz beschriebenen Gespräch, nochmals erläutert, dass die gesamte Prostata biopsiert werde, ist in Anbetracht der Aussagen der Zeugen Dr. F. und Frau J. nicht überzeugend. Denn spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte der Zeuge Dr. F., davon ist das Gericht überzeugt, deutlich gemacht, dass dies nicht seinem Begehren entspricht. Dies lässt nur den Schluss zu, dass auch insoweit Dinge unausgesprochen blieben, bzw. als bereits erläutert oder auf Grund des vom Zeugen Dr. F. vorgelegten, aber wie oben dargelegt, im Hinblick auf den Umfang der Biopsie nicht eindeutigen Aufklärungsbogens als bekannt vorausgesetzt wurden. Das Gericht geht davon aus, dass der Zeuge Dr. H. dem Zeugen Dr. F. zwar die Technik mit der Führung durch den Grid und die daraus folgenden Abstände nochmals erläutert hat. Da aber - wie beide übereinstimmend angeben - über die Anzahl der Stanzen nicht mehr geredet wurde, haben hier Arzt und Patient offensichtlich aneinander vorbeigeredet, weil ein unterschiedliches Vorverständnis vorlag.

Darüber hinaus erfolgte auch eine Probenentnahme der Samenbläschen, worüber der Zeuge Dr. F. an keiner Stelle aufgeklärt wurde.

IV.

Aus dem oben festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass der Beschuldigte seine berufsrechtlichen Pflichten dadurch verletzt hat, dass er seinen Patienten, den Zeugen Dr. F., über den durchgeführten Eingriff nicht hinreichend aufgeklärt hat und dem Patienten einen Eingriff empfohlen hat, der sich als unverhältnismäßige Überdiagnostik darstellt. Daraus folgt eine Verletzung seiner Berufspflichten nach § 22 Hessisches Heilberufsgesetz (HeilBG) i.V.m. §§ 8, 11 Abs. 1 der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen (BO).

Nach § 8 BO bedürfen Ärztinnen und Ärzte zur Behandlung der Einwilligung der Patientin oder des Patienten, wobei der Einwilligung grundsätzlich die erforderliche Aufklärung im persönlichen Gespräch vorauszugehen hat. Die Aufklärung hat der Patientin oder dem Patienten insbesondere vor operativen Eingriffen Wesen, Bedeutung und Tragweite der Behandlung einschließlich Behandlungsalternativen und die mit ihnen verbundenen Risiken in verständlicher und angemessener Weise zu verdeutlichen. Davon ist vorliegend nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme - wie oben dargelegt - nicht auszugehen. Die Einwilligung des Patienten umfasste nicht den durchgeführten Eingriff. Die Aufklärung erfolgte nicht in einer Weise, die dem Patienten die Art und den Umfang des zu erwartenden Eingriffs deutlich machte.

Nach § 11 Abs. 1 BO verpflichten sich Ärztinnen und Ärzte mit Übernahme der Behandlung den Patientinnen und Patienten gegenüber zur gewissenhaften Versorgung mit geeigneten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Dies schließt ein, sofern nicht die Patienten nach entsprechender Aufklärung darauf bestehen, dass Patienten nicht Untersuchungsmethoden empfohlen werden, die in der konkreten Situation außer Verhältnis zum Nutzen stehen. Dabei ist eine "geeignete" Untersuchungsmethode nach § 11 Abs. 1 BO insbesondere im Bereich der freiwilligen Leistungen grundsätzlich auch eine solche, die geeignet ist, dem Patient die größtmögliche Sicherheit nach der durchgeführten Diagnostik zu gewährleisten, wenn es dem Patienten gerade darauf ankommt.

Der Sachverständige hat in der Hauptverhandlung dargelegt, dass die am Institut des Beschuldigten auf dessen Empfehlung zu einer 3D-​Biopsie durchgeführte Mapping-​Biopsie eine Überdiagnostik darstellt, bei der die mit dem Eingriff verbundenen Risiken angesichts der Ergebnisse des bereits durchgeführten MRT nicht in Relation standen. Er hat erläutert, dass man bei mehreren kleinen Herden üblicherweise immer nur maximal 4 Läsionen bei einer Biopsie betrachtet. Die Leitlinien, so hat er ausgeführt, wollen von der Sättigungsbiopsie weg. Die Mapping-​Biopsie kläre um den Preis vieler Stanzen besser ab als eine 12er Biopsie, ob Krebsherde da sind. Man befürchte aber auch größere Komplikationen durch die höhere Anzahl der Stanzen. Das MRT sei dazu gedacht eine erste Abklärung zu bringen und dann allenfalls noch wenige Stanzen durchzuführen. Die Mapping-​Biopsie werde in Deutschland nur selten durchgeführt. In der Regel würden bei Sättigungsbiopsien nur 24 bis maximal 36 Stanzen genommen. Im MRT lasse sich die Randzone in der Regel auch sehr gut beurteilen. Nur in der Transitionszone, wie auch hier betroffen, sei das MRT nicht so sicher, was - so schließt das Gericht - eine Biopsie zur weiteren Abklärung in diesem Bereich grundsätzlich rechtfertigt, wenn dort Krebsherde vermutet werden. Vor diesem Hintergrund bestand - nicht nur weil es dem Wunsch des Zeugen Dr. F. nicht entsprach - kein Anlass für die Empfehlung einer Mapping-​Biopsie der gesamten Prostata, zumal auch der PSA-​Wert des Zeugen nach einem einmaligen hohen Wert wieder in den Normalbereich gesunken war.

Das Gericht folgt den Ausführungen des Sachverständigen dazu, dass eine 3D-​Mapping-​Biopsie mit der zehnfachen Anzahl an Stanzbiopsien in der Primärdiagnostik kein Standard und als Erstbiopsie nicht vertretbar ist, da die Rate der Komplikationen bei der Prostatabiopsie mit der Anzahl der Stanzbiopsien zunimmt. Die Mapping-​Biopsie ist eine sehr invasive Biopsie mit erhöhtem Risiko im Vergleich zu den gezielten Biopsien, wie sie er Zeuge Dr. F. hat durchführen lassen wollen. Der Sachverständige hat auch erläutert, dass die 3D-​Mapping-​Biopsie keinesfalls unabdingbare Voraussetzung für die vom Beschuldigten als Therapie favorisierte Fokaltherapie ist, die ebenfalls derzeit keine Standardtherapie ist. Das Gericht verkennt nicht, dass vorliegend die S3Leitlinien nicht zum alleinigen Maßstab gemacht werden dürfen, da der Patient auch mit seinem Begehren bereits eine Diagnostik wünschte, die dort nicht als Standard vorgesehen ist und über das hinausging, was die S3-​Leitlinien zum damaligen Zeitpunkt empfohlen haben. Es spricht auch nichts dagegen, Patienten, die um das höhere Risiko von Komplikationen bei dem Eingriff die höhere Sicherheit des Ergebnisses einem weniger invasiven Eingriff vorziehen, diese Art der Diagnostik vorzustellen und anzuraten, wenn dies auch nach einer fundierten Beratung noch ihrem erhöhten Sicherheitsbedürfnis entspricht. Letztendlich entscheidet der Patient darüber, welche Eingriffe er vornehmen lässt. Es muss ihm dabei allerdings deutlich gemacht werden, dass die Art der vorgeschlagenen Behandlung nach den allgemeinen Standards als Überdiagnostik angesehen wird und um der größeren Sicherheit willen ein größeres Risiko birgt. Insoweit gilt nichts anderes als bei der Aufklärung über den Eingriff. Da der Zeuge Dr. F. hier nicht entsprechend aufgeklärt wurde und diese Art der Diagnostik nicht gewünscht hatte, ist diese in Anbetracht des Ergebnisses des MRT nicht geeignet und nicht gerechtfertigt gewesen.

V.

Die zuvor geschilderten Verstöße des Beschuldigten gegen die ihm obliegenden Berufspflichten erfolgten auch schuldhaft, Schuldausschließungs- oder Schuldminderungsgründe sind nicht ersichtlich. Anhaltspunkte für einen vermeidbaren Verbotsirrtum sind dem Gericht nicht ersichtlich.

Der Beschuldigte hat gegen seine Berufspflichten grob fahrlässig verstoßen. Zwar geht auch das Gericht nicht davon aus, dass der Beschuldigte sich vorsätzlich über den ausdrücklichen Wunsch des Zeugen Dr. F. hinweggesetzt hat. Er hat jedoch zu verantworten, dass dem Zeugen Dr. F. nach dem Aufklärungsgespräch nicht klar war, auf welchen Eingriff er sich einlässt. Es ist Aufgabe des Beschuldigten gewesen, den Patienten über die Tragweite und die Art des Eingriffs aufzuklären. Dazu gehört auch, dass er sich als behandelnder Arzt vergewissert, dass der Patient verstanden hat, worin dieser Eingriff besteht. Diese Pflicht besteht umso mehr in einer Situation, in der der Patient erstmals mit der Diagnose einer 85%-​igen Wahrscheinlichkeit vom Vorhandensein mehrere kleiner Krebsherde konfrontiert wird und die Nachricht noch verarbeiten muss. Daran ändert auch nichts, dass der Patient selbst Arzt ist. Denn auch bei einem Facharzt für Innere Medizin, der lange Jahr als Lungenfacharzt tätig war, darf nicht unterstellt werden, er habe auch auf dem Gebiet der Radiologie bzw. Urologie den gleichen Wissenstand wie ein Facharzt auf diesen Gebieten. Der Beschuldigte und der Zeuge Dr. F. haben ganz offensichtlich im Gespräch über die zu ergreifenden weiteren Maßnahmen aneinander vorbeigeredet, weil beide von einem anderen Vorverständnis ausgegangen sind. Es ist indes Aufgabe des behandelnden Arztes, sich zu vergewissern, dass er und sein Patient über die gleichen Dinge reden. Bezeichnenderweise haben der Beschuldigte und sein Patient zu keinem Zeitpunkt über den Umfang der zu entnehmenden Stanzen gesprochen. Der Beschuldigte hat es in grob fahrlässiger Weise versäumt, die Wünsche des Zeugen Dr. F. - auch unter Berücksichtigung seines Faktor V-​Leidens - aus dessen Perspektive zu erfassen, sondern hat dessen Wünsche offenbar allein vor dem Hintergrund der von ihm favorisierten Diagnostik durch die Mapping-​Biopsie interpretiert. Dies entspricht nicht der zu fordernden gewissenhaften Beratung und Aufklärung eines Patienten. Da der Zeuge Dr. F. seinen Wunsch nach einem möglichst gezielten und wenig invasiven Eingriff nachdrücklich zum Ausdruck gebracht hat, ist es dem Beschuldigten anzulasten, dass er es nicht verstanden hat, seinem Patienten klar zu machen, wie er selbst dieses Begehren (miss)interpretiert. Das gilt umso mehr, wenn Fachbegriffe verwendet werden, die nicht eindeutig besetzt sind bzw. verwendet werden, wie dies gerade auf dem sich durch neue Techniken ständig weiterentwickelnden Gebiet der Biopsietechnik der Fall ist. Dem Beschuldigten als ausgewiesenem Fachmann ist, das zeigen auch seine Ausführungen in der Hauptverhandlung, der Unterschied zwischen einer gezielten Biopsie und der von ihm durchgeführten Mapping-​Biopsie bekannt. Diesen Unterschied muss er auch dem Patienten unmissverständlich aufzeigen, was hier nicht erfolgt ist.

Diese Verantwortung trifft hier auch den Beschuldigten und nicht etwa den Zeugen Dr. H., denn die maßgebliche Beratung, die den Zeugen Dr. F. zu dem Eingriff bewegt hat, ist durch den Beschuldigten erfolgt. Die Entscheidung zur Durchführung des Eingriffs ist allein auf Grund des Aufklärungsgespräches mit dem Beschuldigten gefallen, der in der Hauptverhandlung zudem dargelegt hat, dass die in seinem Institut übliche Arbeitsteilung eben diese Beratung und Aufklärung der medizinischen Seite in seine Verantwortung legt.

Dem Beschuldigten war bei seiner Empfehlung bekannt, dass die von ihm als 3D-​Biopsie vorgeschlagene Diagnostik durch eine maximal invasive Mapping-​Biopsie nicht dem Standard entsprach, den die einschlägigen S3-​Leitlinien vorsehen und dass es - auch außerhalb dieser Leitlinien - andere Biopsiemethoden gibt, die einen weniger invasiven Eingriff darstellen. Davon geht das Gericht angesichts der langjährigen Berufserfahrung des Beschuldigten aus. Er hat seinem an einem möglichst kurzen und gezielten Eingriff interessierten Patienten dennoch eine auf Grund der vorliegenden Daten unverhältnismäßige Diagnostik empfohlen, ohne dem Patienten diesen Umstand deutlich zu machen, weil er es grob fahrlässig unterlassen hat, sich darüber zu vergewissern, dass der Patient sich der Tragweite der von ihm vorgeschlagenen Biopsie bewusst war. In Anbetracht des Wunsches des Zeugen Dr. F. nach einem möglichst gezielten und kurzen Eingriff war die vorgeschlagene Mapping-​Biopsie nicht geeignet und unverhältnismäßig, was der Beschuldigt in grob fahrlässiger Weise außer Betracht gelassen hat.

VI.

Als Sanktion ist auf einen Verweis und eine Geldbuße zu erkennen.

Bei der Auswahl und Bemessung der berufsgerichtlichen Maßnahmen auf der Grundlage des § 50 HeilBG ist grundsätzlich das Gewicht der Verfehlung des Beschuldigten, seine Persönlichkeit, das Ausmaß seiner Schuld, aber auch die Notwendigkeit zu berücksichtigen, das Ansehen der Angehörigen der Heilberufe zu wahren und das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität und Zuverlässigkeit der Berufsangehörigen zu sichern (§ 50 Abs. 3 HeilBG), um auf diese Weise die Funktionsfähigkeit des Berufsstandes zu gewährleisten (ständige Rechtsprechung, vgl. Landesberufsgericht für Heilberufe bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 27. August 2008 - 25 A 141/08.B - m. w. N.).

Das standesrechtliche Berufsrecht ist als Teil des staatlichen Disziplinarrechts - anders als das Strafrecht - nicht repressiv und damit nicht vorrangig tatbezogen. Vielmehr sind vorrangig das Gesamtverhalten und die Gesamtpersönlichkeit der Beschuldigten im Hinblick auf die sich aus dem gezeigten Verhalten ergebenden Zweifel an der Zuverlässigkeit der Berufsausübung zu würdigen. Dabei steht die individuelle Pflichtenmahnung im Vordergrund. Neben dem Gewicht des Berufsvergehens ist die Prognose des künftigen Verhaltens der Beschuldigten entscheidend, also die Frage, in welchem Umfang es einer pflichtenmahnenden Einwirkung bedarf, um ein berufsrechtliches Fehlverhalten für die Zukunft zu unterbinden. Nach der Rechtsprechung des Landesberufsgerichts für Heilberufe bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel, welcher das erkennende Gericht in ständiger Rechtsprechung folgt, ist dabei vom Grundsatz der stufenweisen Steigerung von Disziplinarmaßnahmen auszugehen, wonach zu Gunsten einer gerechten und sinnvollen Erziehungswirkung schwerere Maßnahmen erst eingesetzt werden sollen, wenn leichtere versagt haben.

Die hier verletzte Pflicht zur Aufklärung eines Patienten über durchzuführende Eingriffe bzw. die Empfehlung geeigneter und verhältnismäßiger Untersuchungen betrifft den Kernbereich der beruflichen Tätigkeit eines Arztes und stellt eine grundlegende Pflicht des Arztes zum Schutz der Gesundheit seiner Patienten dar, deren Verletzung eine deutliche Maßnahme erforderlich macht.

Das Gericht hat zu Lasten des Beschuldigten berücksichtigt, dass dieser auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in keiner Weise die Verantwortung oder auch nur eine Mitverantwortung für die Fehlberatung des Zeugen Dr. F. übernommen hat. Das Gericht hat daher nicht erkennen können, dass er aus seiner eigenen Verantwortung für die Zukunft Lehren gezogen hat. Dabei ist klarzustellen, dass dem Beschuldigten nicht vorgeworfen wird, er habe dem Zeugen Dr. F. schaden wollen. Er hat die Wünsche des Zeugen aber nicht so berücksichtigt, wie es von ihm zu verlangen ist.

Zu Gunsten des Beschuldigten hat das Gericht berücksichtigt, dass der Vorfall bereits längere Zeit zurückliegt und der Beschuldigte bisher berufsrechtlich insoweit nicht in Erscheinung getreten ist.

Das Gericht hält es hier für geboten, aber auch ausreichend, durch Ausspruch eines Verweises und die Auferlegung einer spürbaren Geldbuße von 5.000 Euro die berufsrechtliche Missbilligung der Vorgehensweise des Beschuldigten zum Ausdruck zu bringen. Diese Maßnahme stellt eine angemessene und auch ausreichende Sanktion dar, um das Fehlverhalten des Beschuldigten zu ahnden, es ihm deutlich vor Augen zu führen und ihn dazu anzuhalten, sein beanstandetes Verhalten zukünftig zu unterlassen.

VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 HeilBG. Danach hat der Beschuldigte die Kosten zu tragen, weil er verurteilt worden ist (§ 78 Abs. 4 S. 1 HeilBG).

Die Festsetzung der Verfahrensgebühr beruht auf § 78 Abs. 2 S. 1 HeilBG.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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