(28.9.2018) Kann das Ärztebewertungsportal nicht darlegen, dass ein Arzt-Patienten-Kontakt tatsächlich stattgefunden hat, indem es von dem vermeintlichen Patienten zumindest Anknüpfungstatsachen über eine erfolgte Behandlung verlangt (z.B. Terminkarten, Zetteleintragungen in Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien für eine Behandlung), so hat es eine Bewertung der Behandlung mit der Gesamtnote 5,2, die der Arzt bestritten hat, zu löschen (Landgericht Frankenthal, Urteil vom 18. September 2018 – 6 O 39/18).
Der Fall:
Der klagende Kieferorthopäde erhielt auf dem Bewertungsportal der Beklagten folgende Bewertung eines anonymen Nutzers:
„Ich fühlte mich während der Behandlungszeit immer sehr unwohl, wenn ich einen Termin dort wahrzunehmen hatte. Ich halte Kläger für einen extrem schlechten Arzt, weil ich fand den Umgang mit mir als Patient eine Katastrophe! Meiner Meinung nach ein ganz furchtbarer Mensch.“
Folgende Einzelnoten wurden in nachfolgend benannten Einzelkategorien vergeben:
- Behandlung 6,0
- Aufklärung 5,0
- Vertrauensverhältnis 5,0
- genommene Zeit 5,0
- Freundlichkeit 5,0
- Angst Patienten 5,0
- Wartezeit Praxis 3,0
- Betreuung 4,0
- Entertainment 2,0
- Kinderfreundlichkeit 6,0
- Praxisausstattung 4,0
Die Gesamtnote belief sich auf 5,2.
Mit Anwaltsschreiben ließ der Arzt das Portal zur Löschung auffordern.
Die Beklagte leitete daraufhin ein Prüfverfahren ein und bat den Patienten um Behandlungsbelege. Dieser legte für den angeblich vierjährigen Behandlungszeitraum ein weitgehend geschwärztes Abschlußschreiben des Arztes vor, aus dem weder ein Datum noch der Name des Patienten ersichtlich war. Die Vorlage weiterer Belege verweigerte er. Das Schreiben wurde dem Arzt vorgelegt, der daraufhin u.a. bestritt, den Patienten behandelt zu haben. Der Arzt meinte, die Bewertung ziele darauf ab, seine persönliche und berufliche Integrität mit größtmöglichen Schaden anzugreifen.
Das beklagte Portal löschte daraufhin den Satz: „Meiner Meinung nach ein ganz furchtbarer Mensch “ und ließ die weitere Bewertung online.
Der Arzt klagte auf Unterlassung.
Die Entscheidung:
Das Landgericht Frankenthal verpflichtete das Portal, die Bewertung zu löschen und die vorgerichtlichen Anwaltskosten des Arztes zu begleichen.
Zwar seien Meinungen und Bewertungen grundsätzlich von der Meinungsfreiheit gedeckt. In der geäußerten Meinung müsse jedoch zumindest ein Tatsachenkern enthalten sein. Dies sei bei der Bewertung einer ärztlichen Leistung die (Minimal-)Tatsache, dass überhaupt ein Arzt-Patienten Kontakt im Sinne einer Behandlung stattgefunden habe. An der Bewertung nicht stattgefundener Behandlungen bestehe kein rechtliches Interesse. Nachdem hier streitig ist, ob überhaupt eine Behandlung stattgefunden hat, müsse grundsätzlich der klagende Arzt beweisen, dass kein Behandlungskontakt vorlag. Da der Beweis negativer Tatsachen besonderen Schwierigkeiten unterliege, müsse die beklagte Plattform im Rahmen der sekundären Darlegungslast Tatsachen vortragen, die der Kläger möglicherweise entkräften kann. Hierbei habe die Beklagte gemäß § 13 Abs. 6 TMG die Anonymität der Nutzer zu gewährleisten.
Der Hostprovider werde erst dann verantwortlich, wenn ein Betroffener ihn auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Nutzer eines Angebotes hinweise. Der Betroffene (hier: Arzt) müsse den Eintrag beanstanden und die Beanstandung so konkret fassen, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden kann. Dies habe der Kläger getan. Der Kläger hat mit Schreiben vom 7.9.2016 aufgelistet, warum die Bewertung ihn in seinem Persönlichkeitsrecht sowie seiner beruflichen Integrität trifft. Dies ist für die Kammer auch völlig plausibel, da die Bewertung eine Gesamtnote von 5,2 enthält und die Textbewertung inhaltlich ebenfalls nur negative Meinungen enthält. Die Bewertung sei auch objektiv geeignet, sich auf den Kläger im Wettbewerb gegenüber anderen Ärzten beruflich nachteilig auszuwirken, insbesondere, da er als extrem schlechter Arzt bezeichnet werde. Die negative Bewertung sei dazu geeignet, dass potentielle Patienten, die sich über Beklagte informieren, anstelle des Klägers einen anderen Kieferorthopäden aufsuchen.
Das beklagte Ärztebewertungsportal habe nach Beanstandung das sogenannte Prüfverfahren durchzuführen.
Hierbei habe das Portal den Bewertenden auffordern, den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben und Indizien zu übermitteln, z.B. Terminkarten, Zetteleintragungen in Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien. Die Beklagte habe dem Kläger sodann diejenigen Informationen und Unterlagen, eventuell geschwärzt weiterzuleiten.
Die Beklagte hat den Bewertenden dementsprechend angeschrieben und zu den Einwänden des Klägers gehört. Der Bewertende hat geantwortet: " … Im Einwand von Herrn Kläger werde ich dazu aufgefordert, Anknüpfungstatsachen zu nennen. Dies habe ich bewusst nicht gemacht, da Tatsachen im Zweifel für einen Patient nicht beweisbar sind." Beigefügt war eine geschwärzte Abschlussbezeichnung.
Indem die Beklagte diese Abschlußbezeichnung an den Kläger weiterleitete, hat sie aus Sicht des Gerichts ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt. Denn der Bewertende habe weder in der angegriffenen Bewertung, noch in seiner Stellungnahme im Prüfverfahren irgendeine Anknüpfungstatsache für eine erfolgte Behandlung geschildert. Es wäre aus Sicht des Gerichts aber gerade angesichts der angegebenen Behandlungsdauer von vier Jahren von dem Bewertenden zu fordern gewesen, dass er nicht nur eine geschwärzte Abschlussbescheinigung vorlegt, sondern auch andere Unterlagen, z.B. (geschwärzte) Terminzettel, Rezepte, Rechnungen oder Ähnliches. Da dies nicht geschah, habe das Portal nicht seiner sekundären Darlegungslast entsprochen.
Praxisanmerkung:
Die Abwehr negativer Bewertungen über Ärzte ist immer wieder Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Viele Ärzte wehren sich gegen solche, aus ihrer Sicht ungerechtfertigte Bewertungen. Schutzlos sind sie, wie die vorliegende Entscheidung zeigt, nicht. Auch Bewertungen müssen einen nachvollziehbaren Kern haben. Der Arzt muss die Möglichkeit haben, zu prüfen, ob er den Patienten überhaupt behandelt hat. Dies war vorliegend aus Sicht des Gerichtes nicht gewährleistet. Im Sinne der Waffengleichheit zwischen Bewertendem (Patient) und Bewertetem (Arzt) ist die Entscheidung nachvollziehbar.