(13.12.2018) Der Einsatz des Femtosekundenlasers bei Grauem Star des Auges (Katarakt) ist eine eigenständige medizinische Leistung im Sinne der GOÄ, weil er der klassischen Katarakt-​Operation in vielen Punkten überlegen ist. Sein Einsatz ist eine der von Katalogziffer 5855 erfassten ärztlichen Leistung vergleichbaren Leistung, so dass die Ziffer analog angesetzt werden kann. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 GOÄ ist aber lediglich eine Steigerung der GOÄ-Ziffer 5855 analog von 1,8 möglich (Amtsgericht Köln, Urteil vom 14. November 2018 – 118 C 526/17). 

Femtosekundenlaserbehandlung des Auges bei Katarakt kann mit GOÄ-Ziffer 5855 analog berechnet werdenPraxisanmerkung:

Damit der Patient nicht zwischen Arzt und zahlungsunwilliger Versicherung "zerrieben wird" sollte er die Versicherung sogleich schriftlich auf die hierzu ergangenen patientenfreundlichen Gerichtsurteile hinweisen und letztmalig unter Klageandrohung zur Zahlung auffordern. Zahlt die Versicherung auch dann nicht, sollte er einen Anwalt hinzuziehen, der die Forderungen sogleich ohne weiteren Zeitverlust einklagt. 

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.336,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.01.2018 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 35 % der Kläger und zu 65 % die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist bei der Beklagten privat krankenvollversichert. Er unterzog sich am 29.08.2017 und 16.10.2017 in dem Augenzentrum … einer Katarakt-​Operation unter Verwendung des Femtosekundenlasers.

Hiernach legte der Kläger der Beklagten die Liquidation vom 24.10.2017 in Höhe von 8.611,66 EUR zur Erstattung vor. Die Beklagte lehnte nachfolgend eine Regulierung in Höhe von insgesamt 2.060,12 EUR hinsichtlich der Ziffern A5855 GOÄ über 2.036,80 EUR (= 2.171,78 EUR abzgl. 2x Erstattung der Ziffer 441 von je 67,49 EUR = 2.036,80 EUR) sowie hinsichtlich der Berechnung der Ziffer 406 GOÄ für die optische Kohärenztomographie (OCT) in Höhe von insgesamt 23,32 EUR (je 11,66 EUR) ab.

Der Kläger ist der Auffassung, sämtliche abgerechneten Leistungen seien medizinisch notwendig und von der Beklagten zu erstatten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Bekl. zu verurteilen, an ihn 2.060,12 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, für den Einsatz des Femtosekundenlasers habe es keine eigenständige medizinische Indikation gegeben. Sie ist der Auffassung, bei dem Einsatz des Femtosekundenlasers handele es sich um eine unselbständige Teilleistung zur Gebührenziffer 1375 GOÄ. Es könne lediglich Ziffer 441 GOÄ liquidiert werden. Zudem könnte die Ziffer 406 nicht liquidiert werden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen (…). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Denn der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung in tenorierter Höhe aus § 192 VVG i.V.m. dem Krankenversicherungsvertrag.

Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Nach herrschender Rechtsprechung ist eine Behandlungsmaßnahme medizinisch notwendig, wenn es nach objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung notwendig war, sie als medizinisch notwendig anzusehen. Mit dem Begriff der medizinischen Notwendigkeit einer Heilbehandlung wird - für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar - zur Bestimmung des Versicherungsfalls ein objektiver, vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängiger Maßstab eingeführt (vgl. nur BGH NJW-​RR 2006, 678 m.w.N.). Insoweit hängt die Beurteilung nicht allein von der Auffassung • des Versicherungsnehmers oder des ihn behandelnden Arztes ab, sondern von den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung. Steht danach die Eignung einer Behandlung, eine Krankheit zu heilen oder zu lindern oder ihren Verschlimmerungen entgegenzuwirken fest (OLG Köln, VersR 2000, 43), nach medizinischen Erkenntnissen fest, folgt daraus auch grundsätzlich die Eintrittspflicht des Versicherers (BGH VersR 2006, 535).

Unter Berücksichtigung der zuvor formulierten Maßstäbe liegt eine eigenständige medizinische Indikation für den Einsatz des Femtosekundenlasers vor. Denn nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen … ist der Einsatz des Femtosekundenlasers der klassischen Katarakt-​Operation in vielen Punkten überlegen, da mit ihm eine Lösung bzw. Reduktion intra- und postoperativer Komplikationen sowie relevanter medizinischer Probleme angestrebt wird. Zu nennen sind hier nach den Ausführungen des Sachverständigen eine Verringerung der intraoperativen Schädigung der Hornhautendothelzellen, eine 'signifikante Verminderung der postoperativen Hornhautverkrümmung, eine bessere Zentrierung der Intraokularlinse, der Verringerung des Risikos von intraoperativen Verletzungen des Auges und der Verringerung postoperativer Entzündungen und. Reizzustände. Insoweit verschafft der Einsatz des Femtosekundenlasers einen relevanten medizinischen Vorteil für den jeweiligen Patienten, womit konstatiert werden kann, dass der Einsatz des Femtosekundenlasers objektiv imstande ist, eine Krankheit zu lindern bzw. einer anderen Erkrankung vorzubeugen. Infolgedessen ist eine eigenständige medizinische Indikation unzweifelhaft zu bejahen. Ein Verstoß gegen das Zielleistungsprinzip ist angesichts der vorstehenden Erwägungen eben nicht festzustellen, zumal nicht lediglich der händische Schnitt ersetzt wird, sondern eigenständige weitergehende Behandlungserfolge erzielt und Komplikationen vermieden werden.

Zudem handelt es sich nach den Feststellungen des Sachverständigen bei dem Einsatz des Femtosekundenlasers um eine der von Katalogziffer 5855 erfassten ärztlichen Leistung vergleichbaren Leistung. Eine den Femtosekundenlaser betreffende Gebührennummer existiert nicht. Die analoge Anwendung der Ziffer 5855 GOÄ ermöglicht es, die aufgetretene Lücke zu schließen. Diese Analoge steht nach den Ausführungen des Sachverständigen in Kongruenz bzw. stellt eine konsequente Fortführung der durch den Gebührenordnungsausschuss der Bundesärztekammer beschlossenen Analogie für die Laseranwendung im Rahmen der LASIK dar.

Bezüglich des Steigerungssatzes zu Ziffer 5855 GOÄ führt der Sachverständige weiter aus, dass seiner Auffassung lediglich eine Steigerung von 1,8 in Betracht kommt.

Im Hinblick auf die Abrechnung der OCT durch die Ziffer 406 führt der Sachverständige aus, dass die Ziffer 406 neben der Ziffer 424 als Zuschlag berechnet werden kann.

Die Ausführungen des Sachverständigen haben das Gericht überzeugt. Dieser hat den Akteninhalt sorgfältig ausgewertet, ist von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen und hat seine Ausführungen schlüssig und folgerichtig begründet. Aufgekommene Einwendungen hat er nachvollziehbar entkräftet.

Damit sind die Ziffern 5855 und 406 prinzipiell erstattungsfähig. Hinsichtlich der Ziffer 5855 GOÄ ist indes zu berücksichtigen, dass diese nicht mit dem angesetzten Steigerungssatz von 2,7 erstattungsfähig ist, sondern lediglich mit einem 1,8-​fachen Steigerungssatz. Denn nach § 5 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 S. 4 GOÄ sind Ziffern aus dem Abschnitt O - dies betrifft die Ziffer 5855 GOÄ - grundsätzlich lediglich bis zu einem 1,8-​fachen Steigerungssatz ansatzfähig; eine Steigerung bis zum 2,5-​fachen Satz ist nach § 5 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 S. 4 GOÄ nur dann möglich, wenn Besonderheiten der in § 5 Abs. 2 S. 1 GOÄ genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen. Derartiges ist hier nicht dargetan oder ersichtlich.

In Anbetracht dessen besteht ein Anspruch auf zweimalige Erstattung der Ziffer 5855 GOÄ mit einem 1,8-​fachen Steigerungssatz abzüglich des bereits erstatteten Laserzuschlags. Dies sind 1.312,88 EUR (723,93 EUR x 2 = 1.447,86 EUR - 2 x 67,49 EUR). Hinzuzusetzen sind die erstattungsfähigen Kosten für die Ziffer 406 in Höhe von 23,32 EUR, sodass sich ein mit der Klage zuzusprechender Gesamtbetrag von 1.336,20 EUR ergibt.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 709 S. 2, 708 Nr. 11,711 ZPO.

Streitwert: 2.060.12 EUR

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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