(23.1.2019) Stellt ein Vertragsarzt einen Antrag auf Sitzverlegung, so hat der Zulassungsausschuss auch die Verkehrsanbindung der bisherigen und der gewünschten Praxis ermitteln. Im Rahmen der Entscheidung muss der Zulassungsausschuss auch persönliche Belange des Vertragsarztes berücksichtigen - hier: am neuen Sitz kann Arzt kranke Verwandte besser versorgen als am bisherigen Sitz (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 6. Juni 2018 – L 4 KA 1/17).

Sitzverlegung einer ArztpraxisDer Fall:

Die klagende Psychotherapeutin erhielt eine hälftige Nachfolgezulassung für C-Stadt. 2015 beantragte sie die Verlegung des halben Sitzes von C-Stadt nach A-Stadt, wo sie auch in einem eigenen Haus wohnt. Dies lehnte der Zulassungsausschuss ab, u.a. weil A-Stadt bereits ausreichend versorgt sei. Die Mehrzahl ihrer derzeitigen Patienten komme aus C und dessen Hinterland und C sei weniger gut versorgt als A.

Die Ärztin wandte unter anderem ein, dass A für die Patienten aus C gut mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar sei (13,5 km). Ihre Patienten stammten schon überwiegend aus A. Der bisherige Sitz in C sei dagegen schlecht an den Verkehr angebunden. Auch sei C besser versorgt als A. Und ihre Kollegen in C seien nicht voll ausgelastet. In A könne sie auch ihren pflegebedürftigen Schwiegervater besser versorgen.

Der Berufungsausschuss wies die Einwände mit Bescheid zurück.

Auf Klage der Therapeutin bestätigte das Sozialgericht den Bescheid. Denn die Verlegung von C nach A verschlechtere die Versorgung der Patienten und sei daher abzulehnen.
Die Therapeutin ging in Berufung.

Die Entscheidung:

Das Landessozialgericht Hessen gab der Therapeutin insofern Recht, als es den Bescheid aufhob und die Sache zu erneuten Entscheidung an den Berufungsausschuss zurückverwies.

Das LSG wies darauf hin, dass die Versagung einer Sitzverlegung die Berufsfreiheit eines Arztes beschränkt. Dies sei in den Grenzen des § 98 I 1 SGB V in Verbindung mit § 24 VII Ärzte-ZV zulässig. Nach § 24 VII Ärzte-ZV kann der Antrag auf Sitzverlegung verweigert werden, wenn der Verlegung Gründe der vertragsärztlichen Versorgung entgegenstehen, sprich wenn dies die Versorgung der Patienten beeinträchtigt. Bei der Frage der Versorgung der Patienten sei zweierlei maßgeblich: Erstens der Versorgungsgrad in dem aktuellen und dem künftigen Gebiet und zweitens deren Verkehrsanbindungen. Der Zulassungsausschuss habe aber nicht geprüft, inwiefern sich durch die Verlegung der Praxis von C nach A die Verkehrsanbindung der Patienten an die Praxis der Therapeutin verändert. Dies müsse der Berufungsausschuss nachholen.

Komme er bei seiner zu treffenden Entscheidung zu dem Ergebnis, dass der Verlegung Gründe der vertragsärztliche Versorgung entgegenstehen, so habe er dann die von der Therapeutin für eine Sitzverlegung sprechenden persönlichen Gründe zu berücksichtigen. Die Pflegebedürftigkeit des Schwiegervaters der Psychotherapeutin sei im Übrigen geeignet, einen gewichtigen, bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden persönlichen Grund darzustellen.

Praxisanmerkung:

Das beharrliche Nachsetzen der Therapeutin und ihre umfangreiche Begründung der Berufung haben letztlich zu einem Erfolg geführt. Der Fall zeigt, dass der Arzt bei einem Streit um eine Sitzverlegung umfangreiche Recherchen zur Versorgungssituation und zu der Verkehrssituation durchzuführen hat, um sein Begehren zu belegen.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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