(18.2.2019) Gehen Brustimplantete, die aus rein ästhetischen Gründen eingefügt wurden, kaputt, so muss sich die Patientin an den Kosten der operativen Entfernung beteiligen. Dagegen klagte eine Frau, deren Implantat gerissen war, mit dem Argument, Brustimplantate seien mittlerweile doch völlig normal und entsprächen dem Standard. Das LSG Niedersachsen sah das anders (Urteil vom 28.01.2019 - L 16 KR 324/18).

Brustoperation und die FolgekostenPraxisanmerkung:

Vielen Bürgern ist unbekannt, dass gesetzlich versicherte Patienten sich an den Behandlungskosten beteiligen müssen, die sich als unerwünschte Folge von Schönheitsoperationen, Tätowierungen und Piercings entwickeln. Dies regelt das Gesetz zur Kostenbeteiligung von Versicherten bei Folgeerkrankungen nach ästhetischen Operationen, § 52 Absatz 2 SGB V. Zwar müssen die Krankenkassen grundsätzlich auch für Behandlungen zahlen, die aus Unfällen z.B. bei risikoreichen Sportarten entstehen. Der Gesetzgeber wollte aber die Eigenverantwortlichkeit der versicherten Patienten für nutzlose körperliche Eingriffe verbessern. Wer sich also tätowiert und dann Entzündungen erleidet, wem Piercings aus den Lippen herauseitern oder wem die Brustimplantate zerreißen (was durchaus öfter vorkommt), muss damit rechnen, dass die Krankenversicherungen ihn zwingen einen Teil der Kosten zu tragen (hier immerrhin ein Fünftel). Das ist gut so, denn wer sich ohne Not selbst verletzt, muss für die daraus entstehenden Folgen mit einstehen und kann diese dann nicht allein der Gemeinschaft der Krankenversicherten aufhalsen.

In Anbetracht der Vielzahl von Problemen, die bei Tätowierungen, Piercings und vor allem ästhetischen Brustoperationen entstehen können, sollte jeder an diesen Selbstverletzungen Interessierte gewarnt sein. So können Brustimplantete nicht nur zerreißen, sie können auch verhärten und verrutschen; auch können sich die Operationsnarben entzünden, öffnen, verwuchern und verhärten. Die Lebensdauer von Brustimplantaten liegt auch nur bei ca. 10 Jahren. Schönheitschirurgen sprechen ungern davon, aber die Risiken, dass die Brust noch einmal operiert werden muss, sind erheblich. Bei Tätowierungen kann es dagegen zu Entzündungen, Vergiftungen, Hautveränderungen und schlicht zu sehr häßlichen Ergebnissen kommen. Piercings und sog. Ohrtunnel können ebenfalls zu schlimmen gesundheitlichen Resultaten führen und sind überdies auch noch äußerst scheußlich.  

Brustimplantate als ästhetischer Standard?Der Fall:

Geklagt hatte eine 46-jährige Frau, die eine schönheitschirurgische Brustvergrößerung als Privatbehandlung durchführen ließ. Sechs Jahre nach dem Eingriff kam es zu Rissen an einem Silikonimplantat und einer Brustentzündung. Die Frau ließ die Implantate durch neue ersetzen, die sie ebenfalls privat bezahlte. 6.400 Euro für die Entnahme der alten Implantate trug zunächst die Krankenkasse. Von der Frau forderte sie eine Beteiligung von 1.300 Euro, da das Gesetz eine Kostenbeteiligung von Versicherten bei Folgeerkrankungen nach ästhetischen Operationen zwingend vorsehe. Die Frau hielt dies für verfassungswidrig. Nach ihrer Ansicht habe die Entwicklung der Schönheitschirurgie dazu geführt, dass Brustimplantate völlig normal und üblich seien. Es sei gesellschaftlich etablierter ästhetischer Standard, sich hübsch, sexy und begehrenswert zu präsentieren. Abweichungen würden als Makel und psychische Beeinträchtigung empfunden. Außerdem sei die Zahl der Krankheitsfälle nach schönheitschirurgischen Eingriffen deutlich geringer als nach Sport-, Freizeit- oder Sexunfällen.

Die Entscheidung:

Das LSG Celle-Bremen hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückgewiesen.

Nach Auffassung des Landessozialgerichts zahlt die Krankenkasse grundsätzlich notwendige Leistungen nach dem Solidarprinzip ohne Rücksicht auf die Krankheitsursachen. Der Gesetzgeber habe jedoch Ausnahmen bei ästhetischen Operationen, Tätowierungen und Piercings geregelt. Dies sei verfassungsrechtlich zulässig um die Solidargemeinschaft vor unsolidarischem Verhalten Einzelner zu schützen. Ob die Inanspruchnahme der Schönheitschirurgie mittlerweile normal sei, spiele keine Rolle. Entscheidend sei allein, dass diese Behandlungen medizinisch nicht erforderlich seien. Gemessen am Grad des Verschuldens und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Frau sei eine Kostenbeteiligung in Höhe der steuerlichen Belastungsfreigrenze angemessen.

Quelle: Pressemmitteilung des LSG Celle-Bremen Nr. 5/2019 v. 18.02.2019

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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