(19.2.2019) Bei Grauem Star des Auges ist die operative Behandlung mittels Laser (Femtosekundenlaser) medizinisch notwendig und kann analog über die GOÄ-Ziffer 5855 abgerechnet werden. Ein Satz von 2,5 ist angemessen, wenn die Operation komplex war (Amtsgericht Euskirchen, Urteil vom 22. Januar 2019 – 27 C 259/16). 

Augenoperation wegen grauem Star

Der Fall:

Die klagende Patientin war während des streitgegenständlichen Zeitraumes bei der beklagten privaten Krankenversicherung in dem Tarif A1200 privat krankenversichert. 2016 unterzog sich die Klägerin in einer Augenklinik medizinisch notwendigen Katarakt-​Operationen an beiden Augen. Unter Einsatz eines Femtosekundenlasers wurden dabei die eingetrübten natürlichen Augenlinsen entfernt und durch künstliche Augenlinsen ersetzt. Die Operation verlief erfolgreich, sodass die Klägerin von ihrer Krankheit dauerhaft geheilt wurde.

Insgesamt wendete die Klägerin 6.032,13 EUR auf. Davon zahlte die beklagte Versicherung nur einen Teil, so dass die Klägerin auf Gebühren von EUR 2.843,92 sitzen blieb. Die Versicherung erstattete nicht die geltend gemachten Ziffern 5855 GOÄ analog, sondern nur die niedrigeren Ziffern 1357 GOÄ. Sie begründete dies u.a. damit, dass die Laserbehandlung nicht medizinisch notwendig gewesen und die Leistung unselbständig sei. Auch sei es nicht gerechtfertigt, den 2,5fachen Satz abzurechnen.

Die Klägerin erhob Klage auf Zahlung des nicht erstatteten Betrages.

Die Entscheidung:

Das Gericht verurteilte die beklagte Versicherung, alle Behandlungskosten zu bezahlen.

Das Gericht ist nach Hinzuziehung eines medizinischen Sachverständigen davon überzeugt, dass die Femtosekundenlaser-​assistierte refraktive Kataraktchirurgie als medizinisch notwendige Heilbehandlung anzusehen ist.

In Anbetracht der medizinischen Notwendigkeit des Einsatzes des Femtosekundenlasers und unter Berücksichtigung der medizinischen Herangehensweise bei einer Femtosekundenlaser assistierten Kataraktoperation, liege eine medizinisch erforderliche Zusatzleistung vor, die selbstständig mit der Analogziffer 5855 GOÄ abgerechnet werden kann. Denn es handele es sich bei dem Einsatz des Femtosekundenlasers im Rahmen der Gesamtbehandlung sowohl sachlich, zeitlich als auch in den meisten Operationskliniken um eine von der Hauptoperation abgrenzbare Leistung. Es handele sich medizinisch also um eine erforderliche Zusatzleistung, sodass auch kein Konflikt mit dem Zielleistungsprinzip des § 4 Abs. 2a GOÄ bestünde. Der Einsatz des Femtosekundenlasers sei nach Art, Kosten und Zeitaufwand mit den ärztlichen Leistungen der Katalogziffer 5855 GOÄ vergleichbar. Das Gericht zieht hier Parallelen zu der Behandlung mit dem sog. Excimer-Laser, die ebenfalls nach Ziffer 5855 GOÄ analog abgerechnet werden könnten. Die von der Beklagten zum Beleg des Gegenteils angeführte Stellungnahme des PKV-​Verbandes wurde von dem medizinischen Sachverständigen verrissen.

Bedingt durch den erheblich höheren Zeitaufwand, der durch die Trübung und Verhärtung der Linse angefallen ist, ist aus Sicht des Gerichts auch eine Erstattung mit dem 2,5-​fachen Steigerungssatz gerechtfertigt.

Praxisanmerkung:

Nunmehr sind in den letzten Jahren mehrere gerichtliche Entscheidungen ergangen, die die medizinische Notwendigkeit der Femtosekundenlaserbehandlung bei Katarakten bejahen ebenso wie die Abrechenbarkeit der Leistungen nach Ziffer 5855 GOÄ analog (Amtsgericht Charlottenburg, Urteil vom 19.10.2018 - 238 C 184/17), Amtsgericht Köln, Urteil vom 14. November 2018 – 118 C 526/17, Amtsgericht Reutlingen, Urteil vom 26.6.2015 - 5 C 1396/14). Gleichwohl verweigern private Krankenversicherungen immer wieder die Bezahlung dieser Leistungen, wohl in der Hoffnung, dass zumindest ein Teil der abgewiesenen Versicherten es dabei bewenden läßt und nicht gegen die ablehnenden Schreiben klagt. Jeder klagende Patient muss nämlich ein Sachverständigengutachten einholen und bezahlen (Kosten in der Regel zwischen 1.500 und 2.000 EUR) und damit ein erhebliches Risiko eingehen. Dazu sind in der Regel nur solche Patienten bereit, die eine Rechtsschutzversicherung besitzen. Es ist davon auszugehen, dass alle nicht rechtsschutzversicherten Patienten die Mehrkosten der Femtosekundenlaserbehandlung aus eigener Tasche zahlen. Insofern ist die abwehrende Haltung ein lohnendes Geschäft für die privaten Krankenversicherungen.

Tipp:

Für den behandelnden Arzt empfiehlt es sich, in der Abrechnung genau und einzelfallbezogen auszuführen, warum die Femtosekundenlaserbehandlung zeitaufwändig und komplex war. Dabei empfiehlt es sich, den Zeitpunkt und das Ende der Laserbehandlung in dem OP-Bericht zu vermerken. So wird Gegenargumenten der Versicherung der Boden entzogen.

Die Entscheidung im Volltext:

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.843,92 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.09.2016 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte als Krankenversicherer auf die Übernahme der Kosten für eine privatärztliche Behandlung in Anspruch.

Die Klägerin war während des streitgegenständlichen Zeitraumes bei der Beklagten in dem Tarif A1200 privat krankenversichert. Am 09.05.2016 und 24.05.2016 unterzog sich die Klägerin in der Augenklinik … medizinisch notwendigenKatarakt-​Operationen an beiden Augen. Unter Einsatz eines Femtosekundenlasers wurden dabei die eingetrübten natürlichen Augenlinsen entfernt und durch künstliche Augenlinsen ersetzt. Die Operation verlief erfolgreich, sodass die Klägerin von ihrer Krankheit dauerhaft geheilt wurde. Insgesamt wendete die Klägerin 6.032,13 EUR auf. Für die Operation des linken Auges am 09.05.2016 fielen Kosten i.H.v 2.818,46 EUR an, welche die Beklagte i.H.v. 1.396,50 EUR erstattete. Für die Operation des anderen Auges am 24.05.2016 fielen Kosten i.H.v. 3.213,67 EUR an, welche die Beklagte i.H.v. 1.791,71 EUR erstattete, sodass die streitgegenständliche Summe i.H.v. 2.843,92 EUR unbeglichen ist.

Die Abrechnung der erfolgten Operationen berechnet sich nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ).

Die Klägerin meint, dass sie gem. § 192 WG i.V.m. ihrem Krankenversicherungsvertrag einen Erstattungsanspruch in Höhe der angefallenen Kosten habe; die Beklagte sei verpflichtet, alle medizinisch vertretbaren Leistungen zu erstatten. Die Klägerin behauptet, dass der Einsatz des Femtosekundenlasers im Rahmen einer Katarakt-​Operation medizinisch notwendig gewesen sei. Die Klägerin meint darüber hinaus, dass der Einsatz des Femtosekundenlasers bei einer Katarakt- Operation über die Katalogziffer 5855 GOÄ analog und nicht lediglich über die Katalogziffer 1375 GOÄ abrechenbar sei. Der Lasereinsatz sei außerdem nicht nur ein bloßer Teilschritt des Linsentauschs gewesen und folglich eine selbstständige Behandlung, die für eine Liquidation nach 5855 GOÄ analog nötig sei.

Die Klägerin behauptet ferner, ohne die nötige Perforierung mit dem Femtosekundenlaser wäre das operative Procedere ein gänzlich anderes gewesen. Bei einer konventionellen Operation würden größere Operationsrisiken vorliegen, wobei das Behandlungsergebnis medizinisch minderwertiger sei. Ein qualitativ höherwertiges Operationsergebnis der Katarakt-​Operation unter Verwendung des Femtosekundenlasers sei anzunehmen, da der Lasereingriff für das umliegende Gewebe schonender sei und stelle folglich für die Klägerin einen relevanten medizinischen Vorteil dar. Schon allein dieser medizinische Vorteil indiziere eine Verselbständigung der Laser-​Vorbehandlung in Relation zur später stattfindenden Katarakt-​Operation, was auch aus der Abrechnungsempfehlung der Bundesärztekammer aus dem Jahre 2002 schon hervorgehe. Auf die Abrechnungsempfehlung aus dem Jahre 2002 wird hier Bezug genommen. Darüber hinaus behauptet die Klägerin, dass bei den Operationen besondere Schwierigkeiten vorgelegen hätten und ist daher außerdem der Ansicht, dass eine Berechnung mit dem Faktor 2,5 gerechtfertigt sei. Grund für die Steigerung über den Regelhöchstsatz von 1,8 hinaus, sei eine "sehr harte Linse" gewesen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie - die Klägerin - 2.843,92 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen

Die Beklagte beantragt

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass der Einsatz des Femtosekundenlasers im Rahmen der Katarakt-​Operation medizinisch nicht notwendig gewesen sei. Es habe keine medizinische Indikation zur Durchführung einer Femtosekundenlaser assistierten Katarakt-​Operation bestanden. Der Eingriff hätte zweifelslos konventionell erfolgen können. Die Beklagte meint, dass nach dem Zielleistungsprinzip gem. § 4 Abs. 2, 2a GOÄ ausschließlich die Berechnung selbstständiger Leistungen möglich seien. Die Katarakt-​Operation sei aber schon nach Katalogziffer 1375 GOÄ abrechenbar, sodass eine zusätzliche Abrechnung des Einsatzes des Femtosekundenlasers über die Katalogziffer 5855 GOÄ analog nicht mehr erfolgen könne. Die Beklagte meint, dass bei dem Lasereinsatz von einer selbständigen Leistung auch nicht gesprochen werden könne, wenn die Leistung als Teil einer Leistung nach der mit anderer Ziffer abgerechneten Hauptleistung erbracht wird. Selbstständig abrechenbar seien nur Leistungen, die nicht Bestandteil einer im Gebührenverzeichnis genannten Leistung seien. Nicht gesondert abrechenbar seien beispielsweise Vorbereitungsleistungen, wie die Laserbehandlung im hier vorliegenden Fall, Bl 66 d.A. Die Beklagte vertritt daher die Auffassung, dass der Einsatz des Femtosekundenlasers als unselbstständige Teilleistung zur Katalogziffer 1375 GOÄ zähle und der Lasereinsatz lediglich über den Laserzuschlag aus Katalogziffer 441 GOÄ liquidiert werden könne. Die Beklagte behauptet, dass es sich bei der Eröffnung der Linsenkapsel und Zertrümmerung der trüben Linse um obligate Bestandteile einer herkömmlichen Katarakt-​Operation handle und in der Folge eine gebührenrechtlich gesonderte Abrechnung mit der Position 5855 GOÄ analog nicht möglich sei. Die Beklagte bezieht sich im Übrigen auf den Ombudsmann für die private Kranken- und Pflegeversicherung, auf dessen Schreiben vom 18.03.2016 hier Bezug genommen wird.

Die Beklagte meint außerdem, dass im Falle der Abrechnung nach der Katalogziffer 5855 GOÄ analog für eine Abrechenbarkeit des 2,5-​fachen Steigerungssatzes kein Anlass bestünde. Um eine Steigerung über den Regelhöchstsatz von 1,8 hinaus annehmen zu können, müssten besondere Schwierigkeiten bei der Operation vorgelegen haben. Übliche Schwierigkeiten seien schon mit der Regelhöchstgebühr abgegolten. Die Beklagte behauptet, besondere Komplikationen seien hier nicht erkennbar und meint, dass das Vorliegen einer "sehr harten Linse" gem. § 5 Abs. 2 GOÄ keine Steigerung über den Faktor des Regelhöchstsatz von 1,8 hinaus rechtfertigen könne. Ferner meint die Beklagte, dass Honorarvereinbarungen nicht zu Leistungen nach dem Abschnitt O der GOÄ, in welcher sich die Position 5855 GOÄ befinde, zur Rechtfertigung von Steigerungen innerhalb des Gebührenrahmens für technische Leistungen nach § 5 Abs. 3 GOÄ herangezogen werden könnten. Für den Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer Maßnahme müsse der Einzelfall überprüft werden und die Erkenntnis bedürfe einer objektiven Beurteilung. Die Auffassung des behandelnden Arztes reiche hingegen nicht aus. Der Versicherungsnehmer müsse nachweisen, dass es nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar gewesen sei, sie als medizinisch notwendig anzusehen, Bl. 64 d.A. Die medizinische Notwendigkeit einer Maßnahme setze sich aus Geeignetheit und Erforderlichkeit, aus "ex-​ante" Sicht, zusammen.

Die Beklagte behauptet, eine Katarakt-​Operation unter Anwendung des Femtosekundenlasers beinhalte auch medizinische Nachteile. Es komme dabei zu einer siebenfach höheren Freisetzung von Prostaglandin, was als Risiko für das spätere Entstehen eines zystoiden Makulaödems verantwortlich sei, während dies bei einer konventionellen Operation nicht freigesetzt werden würde. Außerdem heile der Laserschnitt in der Hornhaut erst nach Monaten vollständig aus, der Schnitt mit dem Skalpell bereits nach wenigen Tagen.

Das Gericht hat Beweis erhoben zu den Fragen der medizinischen Notwendigkeit der Operationen unter Einsatz des Femtosekundenlasers und der Abrechenbarkeit der Gebühren durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. … vom 11.09.2017 (Bl. 173 ff. d. A.), auf dessen schriftliches Ergänzungsgutachten vom 11.07.2018 (Bl. 226 ff. d. A.) und für die mündliche Erläuterung des Gutachtens auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.01.2019 (Bl. 337 ff. d. A.) verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 2.843,92 EUR gem. §§ 1 Abs. 1, 192 Abs. 1 WG i. V. m. dem Vertrag über die private Krankenversicherung.

Bei der streitgegenständlichen Leistung handelt es sich um einen Versicherungsfall nach den einschlägigen Versicherungsbedingungen § 1 Abs. 2 MB/KK 2009.

Die Femtosekundenlaser-​assistierte refraktive Kataraktchirurgie ist als medizinisch notwendige Heilbehandlung anzusehen. Die medizinische Notwendigkeit ist zu bejahen, wenn eine Behandlungsmethode zur Verfügung steht und angewendet wird, die geeignet ist die Krankheit zu heilen, zu lindern und ihren Verschlimmerungen entgegenzuwirken, woraus sich dann die Eintrittspflicht des Versicherers ergibt (BGH VersR 2006, 535). Ferner muss die ärztliche Behandlung nach objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme vertretbar sein, um die Heilbehandlung als medizinisch notwendig anzusehen (BGH NJW 2017, 2408). Für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit kommt es also auf einen objektiven, vom Vertrag zwischen Arzt und Patienten unabhängigen, Maßstab an (BGH a. a. O. VersR 2006, 535 m. w. N.).

Unstreitig zwischen den Parteien war u. a., dass die Maßnahme zur Heilung der Krankheit beigetragen hat, da die Klägerin nachhaltig von ihrer Krankheit geheilt wurde. Die objektive medizinische Notwendigkeit dieses Heileingriffes hat sowohl das Sachverständigengutachten vom 11.09.2017 als auch das Ergänzungsgutachten vom 11.07.2018 des Sachverständigen Herrn … med zur Begutachtung der medizinischen Notwendigkeit einer Kataraktoperation unter Einsatz des Femtosekundenlasers ergeben. Nichts anderes gilt für die zusätzliche mündliche Erstattung des Gutachtens durch den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung am 15.01.2019. Denn dort hat der Sachverständige seine Feststellungen aus den schriftlichen Gutachten erläutert und umfassend bestätigt.

Das Gericht hat weder Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Sachverständigengutachtens und Ergänzungsgutachtens sowie des mündlichen Gutachtens, noch an der Glaubwürdigkeit des Sachverständigen. Sowohl das Sachverständigengutachten als auch das Ergänzungsgutachten sind in sich schlüssig, widerspruchsfrei und überzeugend. Der Sachverständige hat plausibel dargestellt, dass die Katarakt-​Operation unter Anwendung des Femtosekundenlasers im Einzelfall als medizinisch notwendig anzusehen war. Eine Katarakt-​Operation im generellen Sinne sei laut Sachverständigengutachten notwendig gewesen, um die visuelle Rehabilitation der Klägerin zu ermöglichen. Der Visus der Klägerin betrug beidseits lediglich 0,3, umgangssprachlich 30%. Dies stelle ein OP-​würdiges Stadium eines "Grauen Stars" dar. Nach Durchführung der Katarakt-​Operation habe ein deutlicher Anstieg des Visus im linken Auge auf 0,8 und im rechten Auge auf 0,6 Vorgelegen. Der Einsatz des Femtosekundenlasers sei laut Ergänzungsgutachten nach objektiven medizinischen Befunden aus wissenschaftlichen Studien auch zum Zeitpunkt der Behandlung im vorliegenden Fall ebenfalls als medizinisch notwendige Behandlungsmethode anzusehen. Grund dafür sei, dass die Katarakt-​Operation mit Einsatz des Femtosekundenlasers relevante medizinische Vorteile verschaffe. Der Vorteil liege darin, dass bei einer Behandlung mittels Femtosekundenlasers, vor der eigentlichen Operation, bei der nachher stattfindenden Katarakt-​Operation ein geringerer Endothelzellverlust vorläge. Jeder Mensch sei mit einer gewissen Anzahl, nicht regenerierbarer, Endothelzellen geboren, die im Laufe des Lebens im Rahmen der Alterung abnehmen würden. Ein möglichst geringer Endothelzellverlust sei daher ein entscheidender medizinischer Vorteil. Darüber hinaus bestünden auch keinerlei Nachteile im Vergleich zu einer konventionellen Katarakt-​Operation.

Sowohl das Sachverständigengutachten als auch das Ergänzungsgutachten sind als Beweismittel positiv ergiebig. Das Sachverständigengutachten beantwortet hinreichend die Frage, ob eine Katarakt-​Operation generell notwendig war, während das Ergänzungsgutachten die Frage ergründet, ob der Einsatz des Femtosekundenlasers im Rahmen dieser Katarakt-​Operation medizinisch erforderlich war. Im Rahmen der mündlichen Erläuterung des Gutachtens hat der Sachverständige die bereits getroffenen Feststellungen erläutert, ergänzt und umfassend bestätigt.

Das erkennende Gericht schließt sich den überzeugenden Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen hinsichtlich Sachverständigen- und Ergänzungsgutachten und des mündlichen Gutachtens vollumfänglich an. Der Sachverständige hat den Akteninhalt mit großer Sorgfalt ausgewertet und in beiden Gutachten vollumfänglich gewürdigt. Darüber hinaus hat er alle streitigen Punkte adressiert. Das Sachverständigengutachten hat die Frage der medizinischen Notwendigkeit einer Katarakt-​Operation aus dem Beweisbeschluss vom 07.11.2016 präzise beantwortet, während das Ergänzungsgutachten die Frage aus dem Beweisbeschluss vom 17.11.2017 hinreichend beantwortet, ob der Einsatz des Femtosekundenlasers medizinisch notwendig war. Die Ausführungen des Sachverständigen wurden in verständlicher Art und Weise dargelegt und stellen ein vollumfassendes, nachvollziehbares und überzeugendes Gesamtbild dar. Der Sachverständige verlieh seinem Ergänzungsgutachten weitere Überzeugungskraft, indem er sich bezüglich der Frage, ob eine Femtosekundenlaser-​assistierte refraktive Kataraktchirurgie nach objektiven medizinischen Befunden als medizinisch notwendig anzusehen war, entsprechender Fachliteratur bediente. Er belegte seine gutachterlichen Ausführungen mit einschlägigen Publikationen und legte überzeugend dar, warum zu einzelnen Aspekten vorhandene Gegenstudien auch wissenschaftlich angreifbar seien. Gleichzeitig zeigte der Sachverständige auf, dass die gewählte Operationsform keinerlei Nachteile gegenüber der konventionellen Schnitt-​Operation enthalte.

Der Sachverständige hat die Einwendungen der Beklagten nachvollziehbar entkräftet. Aufgekommen war die Frage, ob der laserassistierte Eingriff im Ergebnis ein höheres medizinisches Risiko darstelle. Laut der Beklagten sei der Grund dafür, dass der Einsatz des Femtosekundenlasers die Freisetzung von Prostaglandinen provoziere und dadurch ein Risiko für die Entstehung des zystoiden Makulaödems. darstelle. Der Gutachter widerlegte diese Annahme schlüssig, indem er zwar betonte, dass Prostaglandine die Entstehung eines zystoiden Makulaödems begünstigen würden, aus gutachterlicher Sicht aber kein Effekt auf das Auftreten des Entzündungsmediators nach erfolgtem Lasereinsatz erkennbar sei. Der vordere Augenabschnitt und damit etwaige Prostaglandinen werden nach erfolgter laserassistierten Katarakt-​Operation vollständig ausgewaschen. Außerdem untermauerte der Sachverständige seine Auffassung, dass der Lasereinsatz keine medizinischen Nachteile biete, mit der entsprechenden Fachliteratur.

Ohne Erfolg wendete die Beklagte ein, dass der Laserschnitt in der Hornhaut erst nach Monaten zuverlässig ausheile, während der Skalpellschnitt schon nach wenigen Tagen verheile. Auch diese Annahme widerlegte der Gutachter nachvollziehbar, indem er die chirurgische Herangehensweise detailliert darstellte.

Der Laser öffne die Hornhaut überhaupt nicht gänzlich, sondern perforiere diese nur. Der eigentliche Schnitt werde nach wie vor mit dem Skalpell, anhand der präzisen Perforierung vorgenommen. Dies sei vorteilhaft, da der Skalpellschnitt dadurch glatter /werde und das Gesamtergebnis qualitativ verbessert werden würde. Schließlich sei die Annahme, dass ein Skalpellschnitt binnen weniger Tage verheilt sei verfehlt, da es durchaus Wochen dauere, bis das Auge wieder voll belastbar sei.

In Anbetracht der medizinischen Notwendigkeit des Einsatzes des Femtosekundenlasers und unter Berücksichtigung der medizinischen Herangehensweise bei einer Femtosekundenlaser assistierten Kataraktoperation, liegt eine medizinisch erforderliche Zusatzleistung vor, die selbstständig mit der Analogziffer 5855 GOÄ abgerechnet werden kann.

Auch nach den überzeugenden Ausführungen in dem Sachverständigengutachten vom 11.09.2017 handele es sich bei dem Einsatz des Femtosekundenlasers im Rahmen der Gesamtbehandlung sowohl sachlich, zeitlich als auch in den meisten Operationskliniken um eine von der Hauptoperation abgrenzbare Leistung. Es handele sich medizinisch also um eine erforderliche Zusatzleistung, sodass auch kein Konflikt mit dem Zielleistungsprinzip des § 4 Abs. 2a GOÄ bestünde. Die GOÄ mit seinen Ziffern sei keinesfalls abschließend, da die Regelungen in der GOÄ, schon denklogisch, nicht mit dem medizinischen Fortschritt Schritt halten könnten. Auch diese Feststellung hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung am 15.01.2019 nochmals erläutert und bestätigt.

Gem. § 6 Abs. 2 GOÄ müssen ärztliche Leistungen, die nicht mit einer der Katalogziffern abzubilden sind, mit einer nach Art, Kosten und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses abgerechnet werden. Nach Feststellung des Sachverständigen sei der Einsatz des Femtosekundenlasers nach Art, Kosten und Zeitaufwand mit den ärztlichen Leistungen der Katalogziffer 5855 GOÄ vergleichbar. Sowohl das Sachverständigengutachten als auch das Ergänzungsgutachten und das mündliche Gutachten sind als Beweismittel positiv ergiebig zur Beantwortung der Frage, ob der Einsatz des Femtosekundenlasers bei einer Katarakt-​Operation über die Katalogziffer 5855 GOÄ analog abgerechnet werden könne.

Den überzeugenden Feststellungen zur Abrechenbarkeit der Behandlungsmethode schließt sich das Gericht vollumfänglich an. Der Sachverständige würdigte den Akteninhalt erneut vollständig und beantwortete alle Fragen abschließend.

Überzeugungskräftig ist die Aussage des Gutachters darüber hinaus, da er sie mit wissenschaftlicher Literatur belegt hat, in welcher die Analogie zu einer Laseranwendung im Rahmen einer Refraktionschirurgie mittels Excimer-​Lasers gezogen wurde. Bei den Eingriffen handele es sich um vergleichbare Behandlungen, die also auch vergleichbar abgerechnet werden müssten. Dort komme die Katalogziffer 5855 der GOÄ auch analog zur Anwendung. Weitere Überzeugungskraft verleiht dem Sachverständigengutachten die Tatsache, dass der Gutachter sich substantiiert mit den Einwendungen der Beklagten auseinandergesetzt hat. In dem von der Beklagten angeführten Artikel des deutschen Ärzteblattes wurde die Abrechenbarkeit des Femtosekundenlasereinsatzes mit der Katalogziffer 5855 in Frage gestellt. Eindringlich hat der Sachverständige dargelegt, dass sich der redaktionelle Beitrag zwar mit der Abrechnung von Kataraktoperationen befasse, die Berechnungsfähigkeit der Kataraktchirurgie unter Einsatzes des Femtosekundenlasers allerdings nicht Thema des Aufsatzes gewesen sei. Insofern sei der Artikel fehlerhaft recherchiert. Ebenfalls vermag der von der Beklagten beigefügte Beitrag des PKV-​Verbandes die Überzeugungskraft des Ergänzungsgutachtens nicht zu mindern. Der Gutachter hat schlüssig und plausibel dargelegt, dass die Stellungnahme des PKV-​Verbandes medizinisch fehlerhaft sei. Laut des Artikels im PKV-​Verband, handele es sich bei dem Lasereinsatz um eine nicht selbstständige Leistung. Diese Annahme beruhe auf veralteten Erkenntnissen und sei medizinisch schlichtweg inkorrekt. Der Gutachter belegte dies mit einer entsprechenden Publikation aus dem Jahr 2017. Ferner gab er überzeugend an, dass die Katarakt-​Operation unter Einsatz des Femtosekundenlasers in dem Artikel falsch dargestellt worden sei.

Bedingt durch den erheblich höheren Zeitaufwand, der durch die Trübung und Verhärtung der Linse angefallen ist, ist unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Erstattungsfähigkeit des Einsatzes des Femtosekundenlasers bei einer Katarakt- Operation mit der Ziffer 5855, entgegen der Auffassung der Beklagten auch eine Erstattung mit dem 2,5-​fachen Steigerungssatz im hier vorliegenden Fall gerechtfertigt.

Bezüglich der Ziffer 5855 GOÄ ist zu berücksichtigen, dass diese im Abschnitt O des Gebührenverzeichnisses liegt. Gem. § 5 Abs. 3 GOÄ ist ein Gebührenfaktor über 1,8 zwar möglich, unterliegt allerdings der Begründung. Dies ist gem. § 5 Abs. 2, 3 GOÄ nur möglich, wenn Besonderheiten i.S.d. § 5 Abs. 2 S. 1 GOÄ vorliegen. Dass diese Besonderheiten vorliegen, steht zur Überzeugung des Gerichts fest. Dies hat das Ergänzungsgutachten des Sachverständigengutachters vom 11.07.2018 zur Klärung der Frage ergeben, ob eine Steigerung über die Begründungsschwelle von 1,8 hinaus medizinisch gerechtfertigt ist. Hinsichtlich der Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit wird auf die bereits gemachten Ausführungen verwiesen. Auch hinsichtlich dieser Beweisfrage hat der Sachverständige im Ergänzungsgutachten plausibel dargestellt, dass der erhöhte Steigerungssatz gerechtfertigt und angemessen ist. Aufgrund der sehr harten und trüben Linse seien notwendige manuelle Justierungen des Laserfeldes in der Software des Femtosekundenlasers nötig gewesen. Darüber hinaus seien in einer solchen Situation häufig Mehrfachscans der Linse nötig. Das Sachverständigengutachten in der Fassung des Ergänzungsgutachtens ist als Beweismittel positiv ergiebig, da die Fragen beantwortet wurden, unter welchen Umständen eine Steigerung des Regelhöchstsatzes möglich ist und ob die medizinischen Voraussetzungen für eine Steigerung des Regelhöchstsatzes von 1,8 vorliegen.

Den überzeugenden Feststellungen des Gutachters schließt sich das Gericht wiederum vollumfänglich an. Sowohl das Sachverständigengutachten, als auch das Ergänzungsgutachten sind überzeugend, da der Sachverständige den Sachverhalt in seinem Gutachten erneut vollumfänglich gewürdigt hat. Im Sachverständigengutachten hat der Sachverständigengutachter ausführlich dargelegt, unter welchen Umständen es zu einer Steigerung des Regelhöchstsatzes kommen kann. Anhand des Befundberichts des Operateurs vom 25.09.2017 kommt er, mit überzeugender Begründung, zu dem Ergebnis, dass aufgrund erschwerter Bedingungen und erhöhten Zeitaufwands eine Steigerung des Faktors auf 2,5 gerechtfertigt ist. In Kombination kommen Sachverständigengutachten und Ergänzungsgutachten in überzeugender Art und Weise zu einem schlüssigen Gesamtergebnis. Dies ist insbesondere der Fall, da das Ergänzungsgutachten nahtlos an die Ausführungen des Sachverständigengutachtens anknüpft. An der Überzeugungskraft des Ergänzungsgutachtens vermag auch die Tatsache, dass der Gutachter im Sachverständigengutachten noch zu einem anderen Ergebnis kam, nichts zu ändern, da er den entscheidenden Befundbericht erst nach der Erstellung des Ausgangsgutachtens erhalten hat.

Die Beklagte ist auch verpflichtet, auf die berechtigte Hauptforderung gem. §§ 288 Abs. 1, 291 BGB die zugesprochenen Zinsen ab dem 20.09.2016 an die Klägerin zu zahlen. Es handelt sich um die gesetzlichen Prozesszinsen für die Zeit nach der Zustellung der Klage.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorl. Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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